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Personalized Medicine: Individualismus auf der Intensivstation?

Bei der Behandlung einer Blutvergiftung zählt oftmals jede Sekunde. Welche Rolle personalisierte Medizin bei der Bekämpfung einer Sepsis einnimmt, lesen Sie hier.

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Bei Sepsis individuell behandeln
PeopleImages / iStock

Das Immunsystem jedes einzelnen Menschen ist anders, dennoch wird Sepsis, eine komplexe Entzündungsreaktion des Organismus auf eine Infektion, in der klinischen Praxis meist gleich behandelt. Es fehlen geeignete Nachweismethoden und Standards zur Charakterisierung des individuellen Immunstatus als Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Zudem kämpft man in der Sepsisbehandlung gegen die Zeit.

Was passiert bei einer Blutvergiftung?

Bei einer Sepsis, auch bekannt als "Blutvergiftung", reagiert der Körper auf eine Infektion entweder so heftig, dass er sich dabei selbst schwer schadet oder so schwach, dass er sich nicht ausreichend gegen die Bakterien schützt. Im schlimmsten Fall kommt es zum septischen Schock:

  • Das Herz kann die stark erweiterten Blutgefäße nicht mehr ausreichend mit Blut füllen, der Blutdruck fällt auf ein lebensbedrohliches Niveau ab.
  • Wichtige Organe werden nicht mehr ausreichend durchblutet und es kommt zur Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.

Trotz maximaler Therapie verstirbt auch heute noch jeder vierte Betroffene an Sepsis. Da die Überlebenschance mit jeder verstrichenen Minute sinkt, wird die Therapie bereits eingeleitet, noch bevor überhaupt ein definitiver Erregernachweis erbracht wurde.

Jedes Immunsystem funktioniert anders

Ziel laufender Forschungsprojekte am LBI Trauma ist die Gewährleistung einer für den Patienten maßgeschneiderten Therapie. Jeder Mensch hat unterschiedlich ausgeprägte Abwehrkräfte, die von verschiedenen Faktoren abhängig sind. Alt oder jung, Mann oder Frau – manche Parameter lassen sich leicht feststellen und sofort bei der Therapie berücksichtigen. Für andere, wie den individuellen Immunstatus, braucht es passende und vor allem schnell zu messende Indikatoren.

Noch besser ist es natürlich, man erkennt die Gefahr einer Komplikation bevor sie ausbricht. Hierfür kann man zum Beispiel nach dem von Soheyl Bahrami, Co-Direktor des LBI Trauma, beschriebenen Biomarker NT-proCNP Ausschau halten. Beim Anstieg des Markers im Blut muss man mit einer unmittelbar bevorstehenden Sepsis rechnen – und kann bereits Maßnahmen setzen.

Wie die Keime ins System kommen

Eine Infektion kann entweder durch Zutritt von Bakterien von außen in den Körper (exogen) oder durch den Übergang von im Darm vorhandenen Keimen und/oder deren Giften in den Blutkreislauf in Folge einer Durchlässigkeitsstörung des Darms (endogen) erfolgen. Eine zeitnahe, nicht-invasive und kostengünstige Früherkennung der Darmdurchlässigkeitsstörung als Grundlage für die rechtzeitige Behandlung wurde mittels Bestimmung von D-Laktat (ein Stoffwechselprodukt der Darmbakterien) im Blut durch die Arbeitsgruppe von Prof. Bahrami am LBI-Trauma etabliert und klinisch getestet.

Nicht nur bei Sepsis spielt die sogenannte personalisierte Medizin eine Rolle. Ebenfalls am LBI Trauma entdeckt und klinisch bereits erfolgreich angewandt ist beispielsweise die Anwendung einer S100B-Bestimmung (S100 Calcium Binding Protein B) zur Erkennung von Schädel-Hirn-Traumata. Eine S100B-Messung, wenn negativ, kann mitunter intensive und kostspielige CT Scans ersparen.

Wenn die Blutung nicht stoppt

Die Blutstillung nach schweren Verletzungen stellt eine große Herausforderung dar. Bei der Charakterisierung der Blutgerinnungsstörungen in Unfallpatienten hat der in den AUVA Traumazentren zusammen mit dem LBI-Trauma entwickelte Ansatz erst jüngst Schlagzeilen gemacht. Durch personalisierte Herangehensweisen konnte die Sterblichkeitsrate bei Schwerverletzten um 20% gesenkt werden. Für jeden einzelnen Schwerverletzten bedeutet das eine höhere Überlebenschance, die nur durch die enge Kooperation zwischen Forschung und Klinik möglich ist.

Expertenkontakt: Dr. Marcin Osuchowski, marcin.osuchowski@trauma.lbg.ac.at und Prof. Soheyl Bahrami, soheyl.bahrami@trauma.lbg.ac.at

Die moderne Medizin ist heute in der Lage, sogar schwerste Verletzungen gezielt zu behandeln, optimal zur Abheilung zu bringen und die volle Funktionsfähigkeit des verletzten Körperteils wiederherzustellen.

Basis dafür ist die sogenannte Traumaforschung (Traumatologie = Wissenschaft von Verletzungen und Wunden, sowie deren Entstehung und Therapie) wobei auf diesem Gebiet in Österreich schon lange internationale Pionierarbeit geleistet wird.

"Accidental" Discoveries beschreibt die Unfallforschung am Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie, zentrale Forschungsinstitution der AUVA. An den Standorten in Wien und Linz sowie in zahlreichen nationalen und internationalen Kooperationen wird dort seit über 40 Jahren Forschung auf Spitzenniveau betrieben. Spezialisiert hat sich das LBI Trauma auf Intensivmedizin und Geweberegeneration. Ein multidisziplinäres Team – bestehend aus Chemikern, Biochemikern, Ärzten, Physikern, Medizin- und Elektrotechnikern – erlaubt es, ein breites Spektrum angewandter Forschung abzudecken. Die gewonnenen Erkenntnisse werden direkt in den Unfallspitälern und Rehabilitationszentren der AUVA eingesetzt.

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