Die Wirtschaftstheorie kennt die sogenannten "Early Adopters": Innovations-Junkies, die auf jeden Trend aufspringen, lange bevor Otto Normalverbraucher überhaupt merkt, dass es diesen Trend gibt. Nach den "Early Adopters" kommt langsam die Mehrheit auf den Geschmack, dann die Nachzügler. Und dann ich.
Zumindest, wenn's um Yoga geht.
Jeder hat eine Meinung dazu. Jeder hat's schon gemacht, schwört auf seinen eigenen Guru und weiß, was den "nach unten schauenden Hund" von der "nach oben gähnenden Katze" unterscheidet. Ich nicht. (Einen halbherzigen Versuch aus Reha-Gründen zähl' ich jetzt nicht…)
Das soll sich jetzt ändern. 2018 wird mein Self-Improvement-Jahr. Also genauso wie 2017, 2016 und 2015. Aber diesmal wirklich.
Heuer hol ich alles auf, was ich bisher nicht geschafft habe im Leben: Gelassenheit, Bügelwäsche, Nobelpreis – und Yoga. Ich schnappe mir eine Matte und spaziere guten Mutes in meine erste Stunde.
Atmen und Asanas
Zu sanfter, entspannender Musik gibt unser Vorzeige-Yogi Anweisungen. In zweifelhaftem, aber von Herzen kommendem Englisch: "Deep breathings in your verticals!"
Na dann…
Wir atmen ("With love! All breathings with love!") und verknoten uns, manche besser (Streber!), manche schlechter (ich). Dehnen geht gut, ist ein angenehmer Schmerz. Balance halten ist die größere Herausforderung. (Außerdem: Wo war noch mal links und wo rechts?)
Die Übungen (Asanas) werden langsam, sehr bewusst durchgeführt. Ein eklatanter Kontrast zu meiner Amani-Erfahrung ein paar Tage zuvor. Auch wenn es von außen so aussieht als würde man kaum etwas tun auf der Matte, bloß die eine oder andere Position halten, spüre ich doch, wie die Muskulatur arbeitet und wie anstrengend dieses "kaum etwas tun" ist. Das anstrengendste ist übrigens das Aufrecht-Sitzen. Traurig, aber wahr. "Focus on your fontanelle" sagt der Vorzeige-Yogi. Bei ihm sieht der gerade Rücken ganz leicht aus…
Lendenwirbel in Not
Ist so: Ich sitze jeden Tag viele, viele Stunden im Büro. Und nicht auf einem Sitzball, sondern auf einem ergonomisch fragwürdigen Sessel in noch ergonomisch fragwürdigerer Haltung. Dass ich kein (bzw. selten) Kreuzweh habe und nicht schon längst Opfer der klassischen Journalistenkrankheit Bandscheibenvorfall geworden bin, ist reines Glück. An meiner umsichtigen Rücken-Vorsorge liegt's nicht.
+++ Mehr zum Thema: Alexander Technik – Sitzen neu lernen +++
Wer keine Schmerzen hat, wird selten aktiv. Ist ja offenbar nicht nötig, also wozu anstrengen? Der Körper kriegt das schon irgendwie hin… Während ich an meine Zehen fasse und die Nase ("Deep breathings through noschtrilllll!") ans Knie stupse, merke ich: Nein, er kriegt das nicht hin. Und ich bin verdammt nochmal verpflichtet, ihm zu helfen.
Es ist, als würde die Yoga-Stunde mich an alle Muskelpartien erinnern, die bei mir aus diversen Gründen verkürzt, ungleichmäßig belastet oder geschwächt sind. Es ist keine laute Protestveranstaltung, die mein Körper da abhält; es ist nur ein sanftes "Huhu, mich gibt's auch noch!" Und weil die Stunde so ruhig ist, kann ich es hören.
Dass mir die "Krähe" (siehe Bild) dann misslingt, ist nicht weiter tragisch. Ich hab in dieser Yoga Einheit schon genug gelernt.
Wiederholungstäterin?
Führt diese Erkenntnis dazu, dass ich nun regelmäßig meine Asanas praktizieren werde? Ich kann's nicht versprechen. Der Alltag hat so eine Art, den guten Vorsätzen immer fies dazwischenzufunken. Und für Situationen, wo ich mich nach einem Am-Popo-sitz-Tag einfach auspowern will, ist mir Yoga zu – ähem – fad.
Aber ich weiß jetzt: Es täte mir gut. Und ich werde es zumindest versuchen.