Von Schlammbädern hat jeder schon einmal gehört. Auch Packungen mit essigsaurer Tonerde – etwa bei Prellungen – oder diverse Schönheitskuren mit Heilschlamm gelten als altbewährt und altbekannt. Aber wussten Sie, dass man Moor auch für innere Anwendungen nutzen kann?
Sogenanntes "Trinkmoor", basierend auf Huminsäure, gilt als bislang gutgehütetes Gesundheitsgeheimnis. Man sagt ihm antivirale und auch antibiotische Wirkungen nach, sowie positive Effekte auf Stoffwechsel und Immunsystem. Wir fanden das interessant und haben das "Wundermittel" einem kleinen Faktencheck unterzogen.
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Was ist Huminsäure?
Humus ist ein Teil der organischen Substanz des Erdbodens. Durch Mikroorganismen und Bodentiere werden tote organische Substanzen (z.B. Pflanzenwurzeln, Blätter, Vegetationsreste, Stallmist) zersetzt. Dabei entstehen Abbauprodukte, sogenannte Huminstoffe, die sich im Oberboden ablagern. Sie sind maßgeblich für die Beschaffenheit des Bodens verantwortlich und wirken sich positiv auf dessen Fruchtbarkeit bzw. Wassergehalt aus.
Huminstoffe sind sehr uneinheitlich zusammengesetzt. Anhand ihrer chemischen Eigenschaften lassen sich dennoch drei Gruppen unterscheiden:
- Humine (nicht löslich)
- Fulvosäuren (in Säuren löslich)
- Huminsäuren (in Basen löslich)
Huminsäuren stellen ein Zwischenstadium bei der Umwandlung von Torf in Kohle dar. Für die industrielle Verarbeitung wird Huminsäure daher aus (Braun-)Kohle gewonnen.
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Vorkommen und Funktion
Huminstoffe kommen in allen Umgebungen vor, im Erdboden ebenso wie in Grundwasser, Flüssen und Meeren. Im Boden findet man Huminsäure besonders in Schichten, die als Leonardite bezeichnet werden, sprich: organische Sedimentschichten, die noch nicht das Stadium der Braunkohle erreicht haben. Huminsäuren sind hochreaktiv und an vielen geochemischen Prozessen beteiligt.
Landwirtschaftliche Nutzung
In der wissenschaftlichen Literatur sind zwei Wirkweisen dokumentiert, die den Einsatz von Huminsäure interessant machen:
- Huminsäure fördert die Aufnahme von Mineralstoffen und Spurenelementen durch die Zelle.
- Huminsäure bindet Schwermetalle.
In Tierversuchen und Untersuchungen an Pflanzen konnten diese Effekte nachgewiesen werden. Daher werden Präperate mit Huminsäure in der Landwirtschaft einerseits als Tierfutter, andererseits als Bodenverbesserer und Stimulant für die Pflanze eingesetzt.
Wirkung auf den Menschen
Huminsäure ist ein sehr heterogenes Produkt, dessen Zusammensetzung unter anderem regional variiert. Aussagen, die auf eine Stichprobe zutreffen, lassen sich daher nur mit gewissen Abstrichen verallgemeinern. Studien zu Wirkungen liegen vor, sind aber aufgrund des variablen Ausgangsproduktes oftmals variabel in ihren Ergebnissen. Hier fehlt es noch an standardisierter Forschung.
Nachgewiesen werden konnte:
- Natürlich vorkommende Huminsäure wirkt gerinnungshemmend und kann daher Thrombenbildung in den Venen verhindern.
Vermutet, aber nicht ausreichend belegt, ist:
- Huminsäure fördert die Ausscheidung von Giftstoffen und Schwermetallen (insbesondere Cadmium).
- Huminsäure erhöht die Aminosäurenkonzentration im Blut.
- Huminsäure unterstützt die Zellen bei der Aufnahme von Sauerstoff.
Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen aus Huminsäurepräraten nicht gegeben. Wie bei allen Nahrungsergänzungsmitteln gilt: Lassen Sie sich vor der Einnahme von Ihrem Hausarzt beraten.
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Toxikologie: Ist Huminsäure giftig?
Es gibt Hinweise auf toxikologische Eigenschaften, so etwa auf einen Zusammenhang zwischen Huminsäure und erhöhtem oxidativem Stress im Körper, sowie zwischen Huminsäure und der Veränderung (Mutation) von Lymphozyten. Hier gilt dasselbe wie bei den positiven Wirkungen: es gibt schlicht keine "einheitliche" Zusammensetzung.
Sorgen bereitete zunächst auch eine Häufung der Schwarz-Fuß-Krankheit (Black Foot Disease) in Taiwan, nachdem Anreiner aus einer Quelle mit hoher Huminsäure-Konzentration getrunken hatten. Das konnte inzwischen entschärft werden: Nicht die Huminsäure selber war für die Epidemie verantwortlich, sondern das Arsen im Wasser. Allerdings dürfte die Huminsäure die Wirkung des Arsens verstärkt haben.
Fazit: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in Versuchen zwar krankmachende Eigenschaften zeigen, diese jedoch auf Herkunft und Dosis zurückzuführen sind. In normalen Mengen konsumierte Huminsäure, die aus Torf oder Kohle gewonnen wurde, ist unbedenklich. Die Toxikologie synthetisch hergestellter Huminsäure ist noch nicht geklärt.
Mit folgendem Video können Sie Ihr Wissen zum Trinkmoor erweitern:
Quellen:
Addington Amy, Schauss Alexander: Peat-derived organic Humivulvate Concentrate (HFC): A New Multimineral Dietary Supplement
EFSA Directorate General for Agriculture and Rural Development (2011): Final Report on Feed (abgerufen am 19.7.2016)
Klöcking H.-P. (1990): Influence of Natural Humic Acids and Synthetic Phenolic Polymers on Haemostasis. In: Recent Developments in Toxicology: Trends, Methods and Problems (Archives of Toxicology, Volume 14)
Mahr Nicole (2003): Einfluss von sulfatierten Hyaluronsäuren, natürlichen Huminsäuren und synthetischen Huminsäure-ähnlichen Polymeren auf das Gerinnungssystem in vitro
Online-Lexika: Lexikon der Chemie: Eintrag zu Huminsäuren, Spektrum Akademischer Verlag (abgerufen am 11.7.2016)
Tan Kim H. (2003): Humic Matter in Soil and the Environment: Principles and Controversies, S.19/20