"Kannst Du mir bitte mal den… den… den Dings rüber geben?" – Wir kennen es alle: Das Bild des gesuchten Wortes ist ganz deutlich in unserem Kopf. Wir haben eine genaue Vorstellung davon, wie es klingen soll, ob es z.B. viele oder nur wenige Silben hat, wir wissen, wann und in welchem Zusammenhang wir es zuletzt verwendet haben, aber es will uns einfach nicht von der Zunge perlen. Wie zum Kuckuck hieß das noch einmal? Wer das noch nie erlebt hat, werfe den ersten… Dings.
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Semantisch oder phonologisch?
Okay. Nachgefragt: Was genau passiert da eigentlich?
Das sogenannte Zungenspitzenphänomen (auch TOT-Phänomen vom englischen "tip of tongue) wurde bereits 1966 das erste Mal wissenschaftlich beschrieben und erforscht. Um zu verstehen, was hierbei in uns vorgeht, hilft es, sich unseren Wortschatz als großes Wörterbuch vorzustellen: Die uns bekannten Worte sind hier verzeichnet, inklusive der Bedeutung und – das ist wichtig – der Lautschrift, die uns erklärt, wie die einzelnen Begriffe auszusprechen sind. Sprachforscher sprechen hier von der "semantischen und phonologischen Information".
Achtung, Straßensperre!
Allerdings ist unser Gehirn nicht so linear aufgebaut wie ein Lexikon oder Vokabelheft. Statt ordentlich aufgereihten Spalten findet sich hier ein verzweigtes (und oftmals verzwicktes) Netzwerk aus Knotenpunkten. Es kann also vorkommen, dass wir zwar Zugriff auf den semantischen Teil einer Wortinformation haben, die Neuronen-Straße zur phonologischen Information aber versperrt ist. Ohne Zugriff auf diese Information lässt sich das "Dings" eben nicht aussprechen.
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Es wird im Alter schlimmer
Aber warum gibt es diese "Straßensperren" an manchen Tagen und an anderen nicht? Das Zungenspitzenphänomen hat verschiedene Gründe:
- Frequenz: Wird ein Wort länger nicht genutzt, ist die Verbindung zwischen den Knotenpunkten geschwächt. Je öfter Sie einen Begriff verwenden, desto leichter haben Sie ihn parat.
- Alter: Ältere Menschen erleben das TOT-Phänomen öfters. Das kann einerseits eine Wortfindungsstörung (und damit ein Anzeichen einer beginnenden Demenz) sein, andererseits kann es schlicht mit der Größe des Sprachschatzes zusammenhängen. Eine aktuelle Studie zeigt: Je mehr Wissen und Wörter ich gespeichert habe, desto länger dauert es, das jeweils passende aus dem Archiv "herauszufischen".
- Priming: Unsere neuronalen Schnittstellen sind nicht ständig aktiviert. Zumindest nicht alle gleichzeitig. Dazu sind es einfach zu viele, der Energieaufwand würde jegliche Grenze sprengen. Um Zugriff auf die gesuchte Information zu bekommen, muss die "Zugangsstraße" erst aufgesperrt (=aktiviert) werden. Das nennt man Priming.
Der Kniff mit dem Priming
Semantisches Priming bezieht sich auf die Bedeutung des Wortes. Sagen wir, das "Ding" im ersten Satz dieses Textes ist ein Pfefferstreuer. Wenn ich also denke: "würzen, scharf, steht am Tisch, schwarze Körner, gleich neben dem Salz…" aktiviere ich die Zugangsstraße zur Bedeutung.
Leider heißt das noch lange nicht, dass auch die Zugangsstraße zum Wortklang aktiviert ist. Ist nur die erste Straße offen, kommt nur "Dings" heraus…
Die phonologische Straße kann durch ähnlich klingende Worte "geprimt" werden: Das Ding war TEUER, ich brauche es noch HEUER, es ist ein…? Korrekt! PfefferSTREUER.
Das setzt natürlich voraus, dass Ihnen ähnlich klingende Worte einfallen…
Falls nicht: Grämen Sie sich nicht! Sie haben einfach einen wirklich tollen Wortschatz. Und es geht ohnedies allen so.
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