Psychische Gesundheit

Fremdschämen: Warum uns andere peinlich sind

Ach herrje, ist das unangenehm! Wie es dazu kommt, dass uns das Verhalten anderer Menschen in die Fremdscham treibt.

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Deshalb ist fremdschämen so unangenehm für uns.
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"Das ist peinlich des Todes", röhrt die "Der Bachelor"-Teilnehmerin Carina in die Kamera, als eine Kampfgenossin dem Bachelor Daniel einen volksschulhaften Liebesbrief mit zittrigen Händen und mieser Grammatik vorträgt. Auch die anderen können kaum hinsehen, sie schämen sich für Janine Christin.

Aber warum eigentlich? Woher stammt Fremdschämen überhaupt und wie kommt es dazu, dass wir uns für jemand anderen unwohl fühlen?

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Stellvertreterpeinlichkeit

Fremdschämen kann eine sehr einseitige Geschichte sein. Während uns ein Mitmensch gerade schrecklich peinlich ist, kann er mit sich und seiner Situation gleichzeitig völlig im Reinen sein.

  • Das Gefühl der Fremdscham ist demnach etwas komplett Subjektives und hängt von der individuellen Toleranzschwelle ab. Die Peinlichkeit steigert sich für manche bereits ins Unermessliche, während sie für andere gerade erst anfängt.
  • 2009 schaffte es die Bezeichnung Fremdschämen in den Duden, ein recht junger Begriff also. Studien zu dem Thema sind rar.
  • Eine Studie aus dem Jahre 2011, steckte 32 Probanden in ein fMRT (funktioneller Magnetresonanztomograph), um herauszufinden, welche Areale des Gehirns beim Fremdschämen aktiv sind: der vordere zinguläre Kortex und die anteriore Insula.
  • Sie verstehen nur Bahnhof? Übersetzt sind das die Bereiche unseres Denkapparates, die auch für Mitleid und Empathie zuständig sind.
  • Es existiert also ein Zusammenhang zwischen Fremdschämen und der Fähigkeit für Mitgefühl. Fremdschämer sind besonders empathisch, weil sie sich gut in die Lage des Gegenübers hineinversetzen können.
  • Diejenigen mit passiver anteriorer Insula & Co. finden die Peinlichkeit vielleicht einfach nur lustig.

Mehr dazu: Studie: Stress macht uns einfühlsamer

Meine Güte, ist das peinlich

Ob wir in Fremdscham versinken oder nicht, hat auch etwas mit erlernten gesellschaftlichen Normen, und wie stark wir uns nach diesen richten, zu tun. Wer recht streng erzogen wurde, schämt sich vielleicht schneller fremd als locker-flockige Montessori-Kinder.

Ein Beispiel: In einem Geschäftsmeeting geht ein Kollege kurz auf die Toilette. Als er wiederkommt, klebt ihm ein Stück Klopapier am Schuh, das er hinter sich herzieht. Das passt gar nicht in das Wertemodell der Sekretärin, sie schämt sich für den Kollegen in Grund und Boden. Sie wird rot und schaut weg. Der geladene Kunde findet die Angelegenheit nicht weiter schlimm, sondern menschlich. Er weist den Beklopapierten auf den Fauxpas hin und denkt nicht weiter darüber nach.

Dann spielen noch weitere Faktoren für die Intensität des Fremdschämens mit:

  • Die eigene Verfassung: Man ist müde oder anderweitig angeschlagen und schämt sich daher schlimmer als in gut gelauntem und energiegeladenem Zustand. Man hält einfach weniger aus, weil man sich nicht wohl fühlt.
  • Die Identifikation: Man stellt sich vor, an der Stelle der betroffenen Person zu sein und schämt sich stellvertretend für sie.

In welcher Situation haben Sie sich fremdgeschämt? Erzählen Sie uns in den Kommentaren von Ihren Erlebnissen!

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