Psychische Gesundheit

Fakt oder Fiktion: Verschwörungstheorien verzerren die Realität

Verschwörungstheorien reagieren die Welt des Internets und verbreiten sich so schnell wie nie zuvor.

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Vershwörungstheorien können viele Menschen in eine Form des Realitätsverlust hervorrufen.
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+++ Der Anschlag am 11. September war ein Inside-Job, Impfungen sind das größte Gift, die Regierung manipuliert mit Chem-Trails unsere Atemluft und die Illuminati planen auch noch eine neue Weltordnung. +++

Die Köpfe von Verschwörungstheoretikern sind voller irrsinniger Komplotte von sämtlichen Geheimdiensten oder Aliens, die uns versklaven möchten. Während viele unserer Mitmenschen die kuriosen Behauptungen belächeln, sind andere voll und ganz von den Theorien überzeugt. Doch wie gefährlich sind Verschwörungstheorien wirklich und können sie uns sogar verrückt machen?

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Was ist eine Verschwörungstheorie?

Unter Verschwörungstheorien, oder im englischen auch Conspiracy Theories genannt, versteht man den Versuch einen Zustand oder ein Ereignis mit Hilfe einer Verschwörung oder einer Behauptung zu erklären. Dadurch wird meist das Mitwirken einer kleinen Gruppierung zu einem illegalen Zweck als Ursache erwähnt.

  • Eine der ältesten Conspiracy Theories wurde bereits 1151 in England verbreitet. Dort wurde das Gerücht geschürt, dass Juden aus rituellen Gründen christliche Kinder ermordeten. Dies führte zu einem systematischen Anprangern von jüdischen Männern und Frauen, was bis zum heutigen Tag präsent ist.
  • Auch die Hexenverfolgung im 15. Jahrhundert kostete unzähligen Frauen, eher selten Männern, das Leben. Sie wurden für Naturkatastrophen, Dürreperioden oder Krankheiten verantwortlich gemacht.

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Wie entstehen Conspiracy Theories?

Unsicherheit und Kontrollverlust in einer Gruppierung oder Gesellschaft können das Entstehen von Verschwörungstheorien verstärken. Laut Wissenschaftern besitzen Menschen ein Ur-Gefühl, das uns dazu drängt, stets die Kontrolle über alle Dinge zu bewahren. Unser Verstand benötigt diese Sicherheit, um verstehen zu können, warum etwas passiert, oder weshalb Dinge so sind, wie sie sind.

An Pech oder Zufall glauben nur die wenigsten von uns, denn unser Gehirn ist darauf programmiert, ein Muster zusammenzustellen. Dieses soll die Dinge, die in der Welt vor sich gehen, verständlicher machen – auch, wenn es die kuriosesten Zusammenhänge verknüpft. Conspiracy Theories geben uns die Möglichkeit jemanden für die grausamen Geschehnisse wie Attentate oder Morde verantwortlich zu machen bzw. einen Sündenbock zu finden. Menschen möchten sich durch Verschwörungstheorien die komplexe Welt schlicht "einfacher" gestalten.

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Fakten vs. Behauptungen

Verschiedene Studien belegen, dass ein wichtiger Faktor für den Glauben an Verschwörungstheorien die "Shizotypie" ist. Darunter versteht man ein exzentrisches, gleichgültiges, misstrauisches und skurriles Verhalten, gepaart mit wenigen sozialen Kompetenzen. Das Merkmal verdankt seinen Namen der Schizophrenie, bedeutet aber keine klinische Diagnose.

  • Niederländische Forscher fanden heraus, dass Minderheiten besonders anfällig auf Verschwörungstheorien sind.
  • Das Gefühl der Ausgrenzung ist für die Betroffenen Grund genug an finstere Machenschaften und "Fremdsteuerung" der Gesellschaft zu denken.
  • Personen, die sich generell sehr bedroht oder benachteiligt fühlen, legen ein größeres Augenmerk auf zwielichtige Behauptungen über Weltgeschehnisse.

Doch warum glauben Menschen weiterhin an Conspiracy Theories, auch wenn es genug evidenzbasierte Fakten gibt, die gegen die aufgestellten Behauptungen sprechen? Forscher von der University of California in Berkeley stellten fest, dass Menschen eher an positive oder negative Rückmeldungen als an logische oder objektive Tatsachen glauben. Diese Erkenntnis trifft aber nicht nur auf Verschwörungstheorien zu. Andere Überzeugungen wie der Glaube an Mantras, Rituale oder Heilmittel für eine bessere Gesundheit, können ebenfalls einzelne Personen beeinflussen.

"Wenn sie ein paar Mal eine verrückte Theorie anwenden, um eine korrekte Vorhersage zu treffen, können sie in dieser Überzeugung stecken bleiben. Dadurch sind die Betroffenen möglicherweise nicht so interessiert, mehr Informationen zu sammeln", sagt die leitende Autorin Celeste Kidd. Wenn es um höchst unwahrscheinliche Überzeugungen geht, kann laut Forschern Social Media diese kognitive Dynamik unterstützen.

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Sind Conspiracy Theories gefährlich?

Inwiefern Facebook, Instagram & Co Verschwörungstheorien anheizen können, musste der Amerikaner Brennan Gilmore am eigenen Leib erfahren. Der ehemalige Angestellte des US-Außenministeriums filmte 2017 das Attentat in Charlottesville. Dabei raste ein Auto in eine Gruppe Demonstranten, eine Frau starb.

Gilmore veröffentliche sein Video auf Social Media und wurde kurz darauf Opfer von Verschwörungstheoretikern, die behaupteten, dass der Amerikaner das Attentat auf die junge Frau inszeniert hätte. Daraufhin wendeten sich Freunde und Arbeitskollegen von Gilmore ab, der sogar Morddrohungen bekam.

Menschen, die sich mit Conspiracy Theories beschäftigen, tun dies meist aus reinem Interesse. Andere wiederum lassen sich vollkommen auf die Behauptungen über Aliens, Geheimdienste etc. ein, bis sie den totalen Bezug zur Realität verlieren.

  • Viele Betroffene entwickeln Panik– und Angstattacken
  • sowie Wahnvorstellungen,
  • isolieren sich von ihrem sozialen Umfeld (Familie/Freunde)
  • und zeigen Symptome einer psychischen Störung.

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Wie kann man Betroffenen helfen?

Das Wichtigste zuerst: Es ist nichts Negatives, bestimmten Themen kritisch gegenüberzustehen und diese zu hinterfragen. Wird das Verhalten jedoch immer obsessiver und häufen sich sehr unwahrscheinliche Behauptungen, dann sollte unbedingt bei demjenigen interveniert werden.

Ist ein Bekannter oder ein Familienmitglied in dem Netz der Verschwörungstheorien gefangen, dann empfiehlt es sich, zu dem Thema zu recherchieren und die einzelnen Behauptungen mit dem Betroffenen zu diskutieren. Fragen Sie die Person, warum sie an die Theorien glaubt, wodurch ihre These gestützt wird und wovor genau sie möglicherweise Angst hat. Reden Sie offen über die "Wahrheit", welche der Betroffene zu kennen scheint und überzeugen Sie ihn davon, dass dies meist durch Fakten widerlegbar ist.

Funktionieren alle Hilfeversuche nicht, dann sollten Sie sich unbedingt an eine professionelle Beratungsstelle wenden:

  • Hotline des Berufsverband Österreichischer Psychologinnen (BÖP): Psychologischer Beratungsservice von Montag bis Donnerstag von 9-13 Uhr unter der Telefonnummer: 01/504 8000
  • Die österreichweite Telefonseelsorge (Notruf 142) ist 24 Stunden besetzt und für Betroffene erreichbar.

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