Es ist einer dieser Momente, die sich für immer ins Gedächtnis einbrennen. Ein schneller Antritt, ein Sprung, eine Drehung – und plötzlich spürst du ein hässliches Reißen im Knie. Sekunden später liegst du am Boden. Schmerz, Unsicherheit, ein Gefühl von Kontrollverlust. Ein Kreuzbandriss zählt zu den gefürchtetsten Verletzungen im Sport. Die Reha dauert oft sechs bis neun Monate, manchmal auch länger. Nicht selten müssen Athlet:innen operiert werden. Einige kehren nie wieder zu ihrer alten Form zurück. Kein Wunder also, dass viele sich später die Frage stellen: Hätte ich das verhindern können?
Was genau ist ein Kreuzbandriss?
Wer verstehen will, wie ein Kreuzbandriss entsteht – und wie man ihn vermeiden kann –, muss einen kurzen Blick ins Innere des Knies werfen. Genauer gesagt: in seine Mitte. Dort verlaufen zwei wichtige Bänder, die das Gelenk wie ein Sicherheitsgurt stabilisieren – das vordere und das hintere Kreuzband. Sie sorgen dafür, dass Oberschenkel und Schienbein bei Bewegung nicht unkontrolliert gegeneinander verrutschen.
Besonders das vordere Kreuzband (VKB) ist empfindlich. Es wird vor allem dann stark belastet, wenn schnelle Richtungswechsel, Sprünge oder abrupte Landungen das Knie fordern – also genau das, was in vielen Sportarten ständig passiert. Fußball, Basketball, Handball, Tennis, Volleyball oder auch das Joggen auf unebenem Untergrund gehören zu den typischen Risikosportarten.
Was viele überrascht: In etwa 80 Prozent der Fälle geschieht der Riss ohne Gegnereinwirkung. Kein brutales Foul, kein Zusammenprall – nur eine scheinbar harmlose Bewegung, die das Band überfordert.
@doccheck Das ist echt hinterste Schublade: Was passiert bei einem Kreuzbandriss? Frank gibt euch in unserer VR-Anatomie-App Corpus einen kurzen Abriss zu den Kreuzbändern und wie sich ein Kreuzbandriss mit dem sogenannten Schubladentest prüfen lässt. Corpus für die Meta Quest 3 und Quest 3S findest du über den LINK IN BIO. #corpus #anatomie #vr #kreuzband #metaquest ♬ Originalton – DocCheck
Warum alles so schnell geht
Ein Kreuzbandriss passiert innerhalb von Millisekunden – konkret meist schon in den ersten 50 Millisekunden nach dem Bodenkontakt. Das ist eine Zeitspanne, in der unser Gehirn noch gar nicht in der Lage ist, bewusst auf eine Bewegung zu reagieren. Eine bewusste muskuläre Korrektur dauert etwa viermal so lange.
Mit anderen Worten: Wenn es zur gefährlichen Bewegung kommt, ist es schon zu spät.
Aber unser Körper ist clever. Er kann lernen, gefährliche Bewegungen vorherzusehen und sich entsprechend vorab zu stabilisieren. Dieser Mechanismus nennt sich „Feedforward-Kontrolle“ – und er ist der Schlüssel zur effektiven Kreuzbandprävention.
Was erhöht das Risiko – und was kann man beeinflussen?
Natürlich gibt es Risikofaktoren, die wir nicht beeinflussen können. Manche Menschen haben durch ihre Anatomie ein höheres Verletzungsrisiko – etwa durch einen ausgeprägten X-Bein-Winkel oder genetisch bedingte Bänderschwäche. Auch Frauen sind aufgrund ihrer hormonellen Situation und der häufig schwächeren Beinmuskulatur besonders gefährdet.
Aber entscheidend sind die beeinflussbaren Risikofaktoren – und die sind zahlreich:
- Kraft der Oberschenkel- und Rumpfmuskulatur
- Koordination & Gleichgewicht
- Techniken beim Springen, Landen, Richtungswechsel
- Mobilität & Bewegungsmuster
Genau hier setzt die moderne Prävention an.
Wie ein gutes Training Kreuzbandrisse verhindert
Stell dir vor, du bereitest deinen Körper wie ein Flugzeug auf Turbulenzen vor. Statt im Notfall hektisch zu reagieren, stabilisiert sich dein „System“ schon vorher – mit einem trainierten Autopiloten. Genau das leistet ein gutes Präventionstraining.
Es besteht im Kern aus zwei Säulen: Krafttraining und Koordinationstraining.
Kraft
Im Krafttraining geht es darum, die Muskeln rund um das Knie – insbesondere Oberschenkelvorder- und -rückseite sowie das Gesäß – so zu stärken, dass sie das Gelenk bei Belastung schützen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Kraftverhältnis zwischen Quadrizeps (Strecker) und Hamstrings (Beuger). Ist dieses Verhältnis unausgewogen, übernimmt das Kreuzband die Arbeit – mit fatalen Folgen.
Koordination
Doch Kraft allein reicht nicht. Mindestens genauso wichtig ist die Koordination. Das Training muss den Körper darauf vorbereiten, unter Zeitdruck und in Bewegung stabil zu bleiben. Das beginnt bei einfachen Gleichgewichtsübungen auf instabilen Unterlagen – und endet bei komplexen Sprung- und Landungstechniken, die unter realen Belastungsbedingungen geübt werden.
Dabei spielt die Qualität eine entscheidende Rolle. Es geht nicht nur darum, wie hoch du springst, sondern wie du landest. Bleibt deine Beinachse stabil? Kippt dein Knie nach innen? Je besser dein Körper diese Bewegungen kontrollieren kann, desto geringer ist das Risiko für einen Riss.
@_electrolife_ Anterior cruciate ligament (ACL) injury is one of the most feard injury in all sports, so its vital that the muscles surrounding the ligament are strong ,add these your gym routine.✅❗️ #acl #aclstrengthtraining #aclexercises #aclinjury #strengthtraining #electrolife #viral #fypシ #kneestrengthening #foryoupage #injuryprevention ♬ I Know What You Want x Madison Calley – Madison Calley
Die Wissenschaft ist eindeutig
Zahlreiche Studien belegen: Mit gezieltem Präventionstraining kann das Risiko für vordere Kreuzbandrisse – besonders bei Frauen – um bis zu 88 Prozent gesenkt werden. Aber nur unter einer Bedingung: Regelmäßigkeit.
Ein Präventionsprogramm sollte mindestens ein- bis zweimal pro Woche durchgeführt werden – und das über mehrere Wochen hinweg. Wer glaubt, einmal im Monat ein paar Balanceübungen einzubauen, liegt leider falsch. Der Körper braucht Wiederholung, um Bewegungsmuster neu zu lernen und im Ernstfall abrufen zu können.
Im Profisport ist das längst angekommen. Viele Fußballvereine – von der Bundesliga bis zur U17 – integrieren tägliche Präventionsroutinen ins Aufwärmen. Auch internationale Programme wie das FIFA-11+ zeigen, wie standardisiertes Training helfen kann, Verletzungen systematisch zu reduzieren.
Warum Prävention trotzdem selten ernst genommen wird
Trotz all dieser Erkenntnisse wird das Thema Kreuzbandprävention im Breitensport oft vernachlässigt. Warum? Weil Prävention unsichtbar ist.
In vielen Vereinen mangelt es an qualifizierten Trainer:innen, im Freizeitsport fehlt oft die Anleitung – oder die Motivation, ein Training durchzuführen, dessen Nutzen sich im besten Fall nie zeigt. Und doch ist genau das der Punkt: Wer präventiv trainiert, investiert nicht nur in sein Knie, sondern in seine sportliche und gesundheitliche Zukunft.
Ein Kreuzbandriss bedeutet für alle Sportler:innen – ob auf dem Platz, im Studio oder auf dem Trail – monatelangen Ausfall. Nicht nur Muskelkraft geht verloren, sondern oft auch Spielrhythmus, Motivation und das Vertrauen in den eigenen Körper. Die physischen und psychischen Folgen sind spürbar – auch weit über den Sport hinaus.
Bildquellen
- Kreuzbandriss: iStockphoto.com/ PeopleImages

