Alles was du über rote Blutkörperchen wissen musst

Alles was du über rote Blutkörperchen wissen musst

Während du diesen Text liest, passiert in deinem Körper etwas Faszinierendes: Billionen kleiner Zellen rasen durch deine Blutbahn und beliefern jede einzelne Körperzelle mit Sauerstoff. Diese roten Blutkörperchen sind so winzig, dass 50.000 davon auf einen Stecknadelkopf passen würden. Trotzdem leisten sie Unglaubliches: Sie transportieren täglich etwa 2.000 Liter Sauerstoff durch deinen Körper.

Doch was passiert, wenn etwas mit diesen zellulären Superhelden nicht stimmt?

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • 200 Milliarden neue rote Blutkörperchen produziert dein Körper täglich im Knochenmark, um die kurze Lebensdauer der Zellen auszugleichen
  • Normalwerte liegen bei 4,3-5,2 Millionen pro Mikroliter bei Frauen und 4,5-5,9 Millionen bei Männern – Abweichungen deuten auf Erkrankungen hin
  • Eine aktuelle Studie zeigt, dass mehr rote Blutkörperchen den Blutzuckerspiegel direkt senken können
  • Eisenmangel ist die häufigste Ursache für zu wenige rote Blutkörperchen, während Rauchen und Höhenaufenthalte ihre Zahl erhöhen
  • Künstliche Herstellung roter Blutkörperchen könnte bald Realität werden – Forscher:innen haben 2024 wichtige Durchbrüche erzielt

Was rote Blutkörperchen so besonders macht

Rote Blutkörperchen sind wahre Wunderwerke der Evolution. Als scheibenförmigen Zellen haben sie sich im Laufe der Zeit perfekt an ihre Hauptaufgabe angepasst, nämlich den Sauerstofftransport. Ihre charakteristische Form erinnert an winzige Donuts und ist kein Zufall, denn sie ermöglicht es ihnen, sich durch kleinste Kapillaren zu quetschen, die nur wenige Mikrometer breit sind.

Das Besondere: Rote Blutkörperchen haben keinen Zellkern mehr. Das mag zunächst seltsam erscheinen, macht aber biologisch absolut Sinn. Der fehlende Kern schafft mehr Platz für Hämoglobin, jenes eisenhaltige Protein, das dem Blut seine rote Farbe verleiht und Sauerstoff bindet. Ein gesunder Mann hat dabei etwa 4,8 bis 5,9 Millionen rote Blutkörperchen pro Mikroliter Blut, während Frauen mit 4,3 bis 5,2 Millionen pro Mikroliter etwas weniger haben.

Doch der fehlende Zellkern hat auch Nachteile. Denn anders als andere Körperzellen können sich rote Blutkörperchen durch den fehlenden Kern nicht mehr teilen oder reparieren. Ihre Lebensdauer beträgt somit nur etwa 120 Tage, bevor sie in der Milz abgebaut werden.

Wie dein Körper rote Blutkörperchen herstellt

Die Produktion neuer roter Blutkörperchen findet hauptsächlich im Knochenmark statt und wird als Erythropoese bezeichnet. Pro Sekunde stellt das Knochenmark etwa drei Millionen neue Erythrozyten her.

Der Schlüssel zur Herstellung der Sauerstoff-Transporter liegt dabei im Hormon Erythropoietin (EPO), das zu 85-90 Prozent in der Niere produziert wird. Dieses Hormon wirkt wie ein körpereigener Sensor: Je weniger Sauerstoff im Blut ist, desto mehr EPO wird ausgeschüttet und desto mehr neue rote Blutkörperchen werden produziert.

Neben EPO benötigt der Körper für die Produktion zudem eine ausreichende Versorgung mit Grundbausteinen wie Eisen, Vitamin B12, Folsäure und Häm. Fehlt einer dieser Stoffe, gerät die gesamte Produktion ins Stocken.

Die Normalwerte: Was dein Blutbild verrät

Diese beeindruckende Produktionsleistung des Knochenmarks zeigt sich in messbaren Werten, die Ärzt:innen bei jeder Blutuntersuchung überprüfen. Die Referenzwerte geben Aufschluss darüber, ob die roten Blutkörperchen in ausreichender Menge und Qualität vorhanden sind:

Parameter Männer Frauen Bedeutung
Hämoglobin (Hb) 13-18 g/dL 12-16 g/dL Sauerstofftransportkapazität
Hämatokrit (Hkt) 40-54% 36-48% Anteil roter Blutkörperchen am Gesamtblut
Erythrozytenzahl 4,6-6,2 Mio/µL 4,2-5,4 Mio/µL Absolute Anzahl der roten Blutkörperchen
MCV 80-100 fL 80-100 fL Durchschnittliches Zellvolumen
MCH 27-32 pg 27-32 pg Hämoglobingehalt pro Zelle

 

Zu niedrige Werte: Wenn der Sauerstoff knapp wird

Doch was passiert, wenn diese Normalwerte unterschritten werden? Anämie ist ein weit verbreitetes Problem, das auftritt, wenn zu wenige rote Blutkörperchen vorhanden sind. Die Definition ist klar: Hämoglobin unter 13 g/dL bei Männern und unter 12 g/dL bei nicht-schwangeren Frauen. Bei schwerer Anämie sprechen wir von Werten unter 8 g/dL.

Ursachen für eine Anämie

  • Eisenmangelanämie ist der Spitzenreiter, besonders bei Frauen im gebärfähigen Alter. Starke Menstruationsblutungen, einseitige Ernährung oder versteckte Blutungen im Magen-Darm-Trakt können dazu führen. Das Tückische dabei ist, dass der Körper erst spät merkt, wenn die Eisenspeicher zur Neige gehen.
  • Vitamin B12- und Folsäuremangel führen zu einer besonderen Form der Anämie. Hier werden die roten Blutkörperchen zu groß und können ihre Funktion nicht optimal erfüllen. Vegetarier:innen und Veganer:innen sind besonders B12-Mangel-gefährdet.
  • Chronische Krankheitsanämie tritt bei langanhaltenden Entzündungen, Tumorerkrankungen oder Niereninsuffizienz auf. Hier hemmen Entzündungsmediatoren wie Interleukin-1 die EPO-Bildung direkt.

Die Symptome sind eindeutig: Müdigkeit, blasse Haut, Atemnot bei Belastung, Herzrasen und Konzentrationsstörungen. Je ausgeprägter die Anämie ist, desto stärker werden die Beschwerden.

Zu hohe Werte: Wenn das Blut zu dick wird

Eine Überzahl an roten Blutkörperchen, die sogenannte Polyglobulie, ist im Vergleich zur Anämie seltener, aber nicht weniger problematisch. Als erhöht gelten Werte über 16,5 g/dL Hämoglobin bei Männern und über 16 g/dL bei Frauen. Der Hämatokrit liegt dann über 49% bei Männern und über 48% bei Frauen.

Sekundäre Polyglobulie:

Die häufigste Form der Polyglobulie, die sogenannte sekundäre Polyglobulie, entsteht als Reaktion auf chronischen Sauerstoffmangel. Sie ist somit meist selbst verschuldet.

Raucher:innen entwickeln oft erhöhte Werte, weil das Kohlenmonoxid im Zigarettenrauch die Sauerstoffbindung blockiert. Auch Menschen in großer Höhe bilden mehr rote Blutkörperchen als natürliche Anpassung an den geringeren Sauerstoffgehalt.

Weitere Ursachen sind chronische Lungenerkrankungen, bestimmte Herzfehler oder auch die Einnahme von Testosteron und anderen Medikamenten.

Primäre Polyglobulie:

Primäre Polyglobulie (Polycythaemia vera) hingegen ist eine Erkrankung des Knochenmarks selbst. Hier liegt meist eine Mutation im JAK2-Gen vor, die zu einer unkontrollierten Vermehrung der Blutzellen führt.

Die Symptome sind charakteristisch: Kopfschmerzen, Schwindel, Juckreiz nach warmem Duschen und eine rötliche Verfärbung der Haut. Das erhöhte Thromboserisiko ist die größte Gefahr, da das verdickte Blut zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen kann.

Behandlung: Von Eisentabletten bis zum Aderlass

Doch egal ob zu wenige oder zu viele rote Blutkörperchen – die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Bei Eisenmangelanämie helfen meist orale Eisenpräparate mit 100-200mg elementarem Eisen täglich. Bei schlechter Verträglichkeit oder schweren Fällen kann intravenöses Eisen notwendig werden.

Vitamin B12-Mangel wird mit hochdosierten Injektionen behandelt (1000µg initial), während Folsäuremangel mit entsprechenden Supplementen therapiert wird.

Bei Polyglobulie kommt oft eine Behandlung zum Zug, die wir eigentlich nur aus Mittelalterfilmen kennen:  Der Aderlass. Wöchentliche Entnahme von 500ml Blut können die Konzentration der roten Blutkörperchen stückweise verringern, bis die Zielwerte erreicht sind.

Zusätzlich kann niedrig-dosierte Aspirin (100mg täglich) das Thromboserisiko bei einer Überzahl an roten Blutkörperchen senken.

Neue Studien zu roten Blutkörperchen

Während Behandlungsmethoden wie Eisenpräparate und Aderlass schon lange etabliert sind, macht die Erforschung roter Blutkörperchen derzeit rasante Fortschritte. Gleich mehrere wegweisende Studien aus den Jahren 2024 und 2025 zeigen, wie vielseitig diese Zellen sind und welche Möglichkeiten sich für die Zukunft eröffnen.

Der Zusammenhang zwischen Diabetes und den Blutkörperchen

So entdeckte etwa eine Studie der Medizinischen Universität Wien aus 2025, dass eine erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen den Blutzuckerspiegel direkt senken kann.

Die Forscher:innen fanden heraus, dass rote Blutkörperchen nicht nur Sauerstoff, sondern auch Glukose transportieren können. Das erklärt, warum Menschen in großen Höhen seltener an Diabetes erkranken, denn mehr rote Blutkörperchen bedeuten automatisch niedrigere Blutzuckerwerte.

Künstliches Blut wird Realität

Während der Diabetes-Zusammenhang völlig neue therapeutische Wege eröffnet, arbeiteten Forscher:innen der Universitäten Konstanz und London an einem anderen revolutionären Ansatz: der künstlichen Herstellung roter Blutkörperchen im Labor.

Sie entdeckten, dass ein körpereigener Botenstoff namens CXCL12 eine zentrale Rolle beim Zellkernausstoß spielt. Dieser entscheidende Moment verwandelt Vorläuferzellen in fertige rote Blutkörperchen. Die Erkenntnis könnte die Erfolgsquote bei der Laborherstellung von derzeit 80 Prozent deutlich steigern. Besonders für seltene Blutgruppen könnte das revolutionär werden.

Fazit: Mikroskopische Meisterwerke mit großer Wirkung

Rote Blutkörperchen sind weitaus mehr als einfache Sauerstoff-Transporter. Sie sind hochspezialisierte Zellen, die sich perfekt an ihre Aufgabe angepasst haben und sogar unseren Blutzuckerspiegel beeinflussen können. Die aktuelle Forschung zeigt: Diese winzigen Zellen bergen noch viele Geheimnisse, die unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit revolutionieren könnten.

Achte auf die Signale deines Körpers: Anhaltende Müdigkeit, Blässe oder Atemnot können auf Probleme mit den roten Blutkörperchen hindeuten. Eine einfache Blutuntersuchung gibt schnell Aufschluss und ermöglicht bei Bedarf eine rechtzeitige Behandlung.

FAQ: Die wichtigsten Fragen zu roten Blutkörperchen

Wie lange leben rote Blutkörperchen?

Rote Blutkörperchen haben eine Lebensdauer von etwa 120 Tagen. Danach werden sie hauptsächlich in der Milz abgebaut und ihre Bestandteile recycelt.

Warum haben Frauen niedrigere Werte als Männer?

Die niedrigeren Werte bei Frauen sind hauptsächlich auf den regelmäßigen Blutverlust während der Menstruation zurückzuführen. Zudem beeinflusst das Hormon Testosteron die Blutbildung positiv.

Kann Sport die Anzahl roter Blutkörperchen erhöhen?

Ja, besonders Ausdauersport und Höhentraining regen die Produktion an. Der Körper reagiert auf den erhöhten Sauerstoffbedarf mit verstärkter Erythrozyten-Bildung.

Was passiert bei einer Bluttransfusion mit den eigenen roten Blutkörperchen?

Die eigenen Zellen werden nicht verdrängt, sondern die Gesamtzahl erhöht sich temporär. Spenderzellen haben die gleiche Lebensdauer wie eigene und werden nach 120 Tagen natürlich abgebaut.

Können Nahrungsergänzungsmittel bei niedrigen Werten helfen?

Bei Eisenmangel können Eisenpräparate sehr wirksam sein, bei Vitamin B12- oder Folsäuremangel entsprechende Supplemente. Eine ärztliche Abklärung der Ursache ist jedoch unerlässlich.

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