Alarm im Alpenraum: Der Fuchsbandwurm breitet sich aus

winzige Eier vom Fuchsbandwurm können ernsthaft krank machen

Du bist auf einem Spaziergang im Wald, pflückst ein paar Brombeeren am Wegesrand, streichst mit der Hand über feuchte Gräser, atmest tief ein. Doch was du nicht siehst: Mikroskopisch kleine Eier eines Parasiten haften an den Beeren, am Boden, an deiner Kleidung. Sie stammen aus dem Kot eines Fuchses – kaum sichtbar, aber höchst gefährlich. Wenn sie ihren Weg in deinen Körper finden, beginnt ein Prozess, den du jahrelang nicht bemerkst. Doch tief in deinem Inneren wächst etwas heran, das dich krank machen – sogar töten kann. Eine neue europäische Studie zeigt: Der Fuchsbandwurm ist auf dem Vormarsch.

Ein unsichtbarer Feind im Grünen

Zecken sind nicht die einzige Gefahr in der freien Wildbahn. Er ist winzig, unscheinbar – und potenziell tödlich: Der Echinococcus multilocularis, besser bekannt als Fuchsbandwurm, lebt in den Eingeweiden von Füchsen und wird über deren Ausscheidungen in die Umwelt getragen. Wer in den Alpen wandert, im eigenen Garten Karotten aus dem Hochbeet zieht oder beim Pilzesammeln nicht aufpasst, kann ihm unbemerkt begegnen. Denn der Parasit hat eine gefährliche Taktik: Er lässt sich Zeit.

Bei der sogenannten alveolären Echinokokkose, einer durch den Fuchsbandwurm verursachten Infektion, dauert es oft Jahre, bis Symptome auftreten. Dann allerdings ist es meist ernst – und eine Heilung kompliziert. Die Krankheit gilt in Europa als eine der gefährlichsten parasitären Infektionen überhaupt.

Doch wie viele Menschen sind tatsächlich betroffen? Und warum hört man so wenig darüber?

Eine neue groß angelegte Übersichtsstudie, die im renommierten Fachjournal The Lancet Infectious Diseases erschienen ist, bringt erstmals Licht in das Dunkel – und die Ergebnisse sind alarmierend.

Studie offenbart: Mehr Fälle, als bisher angenommen

Unter der Leitung eines internationalen Forschungsteams – mit starker Beteiligung der Medizinischen Universität Wien – wurden Daten aus 40 europäischen Ländern ausgewertet. Das Besondere: Neben offiziellen Statistiken flossen auch lokale Krankheitsregister, wissenschaftliche Publikationen und sogar sogenannte „graue Literatur“ (nicht-veröffentlichte Berichte) in die Analyse ein.

Das Ergebnis: Zwischen 1997 und 2023 wurden über 4.200 Fälle von alveolärer Echinokokkose registriert – und das nur in 28 Ländern, in denen überhaupt Daten vorlagen. Die tatsächliche Zahl dürfte also deutlich höher liegen.

Besonders betroffen sind Länder im Alpenraum und im Baltikum. Spitzenreiter sind Österreich, Deutschland, Frankreich und die Schweiz – allein auf sie entfallen über zwei Drittel aller Fälle.

In Österreich etwa lag die Zahl der jährlichen Diagnosen lange im niedrigen einstelligen Bereich. Heute sind es rund 20 Neuinfektionen pro Jahr – Tendenz steigend.

Warum das so gefährlich ist

Die alveoläre Echinokokkose zeigt gut, wie hinterhältig manche Parasiten sein können. Nach der Infektion – oft durch das versehentliche Verschlucken von Fuchsbandwurm-Eiern – vergehen Jahre ohne erkennbare Symptome. Der Erreger nistet sich in der Leber ein, wo er sich tumorartig ausbreitet. Unbehandelt kann die Krankheit lebensbedrohlich werden.

Die Therapie? Komplex. Oft ist eine operative Entfernung befallenen Lebergewebes nötig, ergänzt durch eine langjährige antiparasitäre Behandlung. Manchmal bleibt nur eine Lebertransplantation als letzter Ausweg.

Die Krankheit ist zwar selten – aber gefährlich. Und das eigentlich Beunruhigende ist: Sie wird oft viel zu spät erkannt.

Wenn Wildtiere zur Bedrohung werden

Der Fuchsbandwurm ist eine sogenannte Zoonose, also eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen wird. Die Hauptwirte sind Füchse, die den Erreger in sich tragen, aber selbst nicht erkranken. Über ihren Kot gelangen die Eier des Wurms in die Umwelt – auf Waldbeeren, auf Pilze, auf Gartenerde, auf Hundepfoten.

Haustiere wie Hunde oder Katzen, die Mäuse fangen oder mit Wildtieren in Berührung kommen, können die Eier sogar ins eigene Zuhause bringen. Dort reicht oft schon mangelnde Hygiene beim Händewaschen oder beim Kontakt mit kontaminiertem Obst, um sich zu infizieren.

Mit steigender Fuchspopulation – etwa durch Schutzmaßnahmen oder fehlende Bejagung – steigt auch das Risiko für uns Menschen. Füchse sind längst keine scheuen Waldbewohner mehr. Viele Tiere zieht es in Städte, wo sie Nahrung in Mülltonnen finden. Der Kontakt zum Menschen wird dadurch enger – und gefährlicher.

Wie kann man sich schützen?

Die gute Nachricht: Eine Infektion ist vermeidbar – wenn man einige einfache Regeln beachtet:

  • Waldfrüchte und Gemüse immer gründlich waschen oder erhitzen.
  • Hunde und Katzen regelmäßig entwurmen – besonders, wenn sie Mäuse fangen.
  • Hygiene beachten, vor allem nach Gartenarbeit, Wandern oder dem Spielen im Freien.
  • Kontakt zu toten Wildtieren oder Fuchskot vermeiden.

Vorsicht ist besser als Nachsicht – denn ein „Kratzen im Bauch“ gibt es bei diesem Parasiten nicht. Wenn Symptome auftreten, ist die Krankheit meist schon weit fortgeschritten.

Forscher:innen hoffen auf Aufmerksamkeit

„Unsere Studie zeigt, dass die alveoläre Echinokokkose in Europa unterschätzt wird – sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Gefährlichkeit“, sagt Dr. Herbert Auer von der MedUni Wien, einer der federführenden Autoren der Studie. Gemeinsam mit Kollegen wie Felix Lötsch und Prof. Heimo Lagler, dem Leiter der einzigen Echinokokkose-Spezialambulanz in Österreich, fordert er mehr Sensibilität – sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Bevölkerung.

Die Forschenden appellieren auch an die Politik: Die Bekämpfung zoonotischer Krankheiten wie dieser müsse Teil einer ganzheitlichen Gesundheitsstrategie sein, bei der Tier-, Umwelt- und Humanmedizin Hand in Hand arbeiten – Stichwort „One Health“.

Gefahr erkannt – Gefahr (besser) gebannt?

Die neue Übersichtsarbeit zur alveolären Echinokokkose ist ein Weckruf. Sie zeigt, dass ein winziger Parasit große Probleme verursachen kann – wenn man ihn unterschätzt.

Noch ist die Zahl der Betroffenen vergleichsweise gering. Aber mit jeder neuen Infektion, mit jedem unerkannten Fall wächst das Risiko. Es ist Zeit, die Krankheit ernst zu nehmen, besser hinzuschauen – und endlich die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Bildquellen

  • Fuchsbandwurm: iStockphoto.com/ Nikada

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