Am 8. März wird auf der ganzen Welt gefeiert, was Frauen erreicht haben und wie weit der Weg zur Gleichstellung noch ist. Doch dieser Tag erinnert uns auch an die vielen unsichtbaren Kämpfe, die Frauen in verschiedenen Ecken der Erde noch immer führen müssen. Besonders in Afrika, wo tief verwurzelte Traditionen und harte Lebensbedingungen Frauen oft in ihrer Freiheit und Entfaltung einschränken, sind die Herausforderungen riesig.
Cornelia Wallner-Frisee, Vice-Präsidentin der Hilfsorganisation „Africa Amini Alama“, die seit Jahren in Tansania lebt, gibt uns einen Einblick in die Visionen und den Mut, die hinter ihrer Arbeit stehen – und erzählt von den inspirierenden Geschichten der Frauen, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg finden.
Der Teufelskreis der Armut: Warum Frauen die Verliererinnen sind
„Frauen haben einen schlechteren Zugang zu Bildung, oft werden nur Jungen zur Schule geschickt“, erklärt Cornelia Wallner-Frisee. Diese Ungleichheit in der Bildung bildet die Grundlage für eine tief verwurzelte Armut, von der Frauen in vielen afrikanischen Regionen besonders betroffen sind.
In ländlichen Gebieten sind Mädchen häufig gezwungen, die Verantwortung für die Hausarbeit zu übernehmen: Holz und Wasser schleppen, die jüngeren Geschwister versorgen, kochen – all das sind Aufgaben, die ihnen oft den Zugang zu Bildung und beruflichen Chancen versperren. „Oft sind Frauen auch für 6-8 Kinder verantwortlich und haben so keine Zeit, einem Beruf nachzugehen“, so Wallner-Frisee weiter.
Diese immense Mehrfachbelastung lässt den Traum von einer eigenen Berufung und finanziellen Unabhängigkeit für viele Frauen in sehr weite Ferne rücken. Und selbst wenn sie arbeiten, sind die Löhne meist ungleich – Frauen werden oft schlechter bezahlt als Männer, selbst für die gleiche Arbeit.
Warum Frauen selten eine Chance am Arbeitsmarkt bekommen
Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig – als Haushaltshilfe oder Kinderbetreuerin – und haben keinen festen Arbeitsvertrag. “Beim Großteil der vorhandenen Arbeitsplätze geht es um das Errichten von schweren oder gefährlichen Arbeiten”, erklärt die Präsidentin, weshalb Arbeitgeber bevorzugt Männer einstellen.
In einer Gesellschaft, in der Frauen mit zahlreichen Herausforderungen kämpfen müssen, ist es umso wichtiger, ihnen Wege zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit zu eröffnen. Doch wie kann dieser Kreislauf der Benachteiligung durchbrochen werden und wie können wir dazu beitragen?
Finanzielle Unabhängigkeit – der Schlüssel zur Befreiung?
Selbst wenn Frauen in missbräuchlichen oder einschränkenden Beziehungen gefangen sind, erscheint die Freiheit und der Ausstieg aus diesen Situationen oft als schwer erreichbar. Doch finanzielle Unabhängigkeit kann diesen Schritt möglich machen.
„Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist entscheidend für die Gleichstellung von Frauen, da es ihnen die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen“, betont Cornelia Wallner-Frisee.
Wenn Frauen in der Lage sind, ihr eigenes Geld zu verdienen, gewinnen sie die Kontrolle über ihr Leben zurück. Sie erhalten nicht nur die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen, sondern auch die Hoffnung auf eine selbstbestimmte Zukunft.
Kulturelle Barrieren überwinden: Der Kampf der Maasai-Frauen
In vielen Regionen Afrikas gibt es zudem kulturelle Hürden, die Frauen daran hindern, wirtschaftlich aktiv zu werden. Ein Beispiel sind die Maasai, bei denen Frauen häufig verheiratet werden, noch bevor sie in der Lage sind, selbst Entscheidungen zu treffen.
„Maasai Frauen dürfen sich ihren Partner nicht selbst aussuchen und werden verheiratet. Dafür bekommt der Vater des Mädchens acht Kühe vom zukünftigen Ehemann“, erklärt Wallner-Frisee. Diese Praxis verhindert oft, dass Frauen ihre eigenen Interessen verfolgen oder eine Ausbildung erhalten.
Wie 150 Euro das Leben verändern können
Um finanziell auf die Beine zu kommen, braucht es oft nur einen kleinen Anstoß – ein Startkapital, das den Weg in die Unabhängigkeit ebnen kann. Für viele Frauen in Tansania jedoch ist selbst diese bescheidene Summe ein unerreichbarer Luxus, da sie in der Regel kaum über eigene finanzielle Mittel verfügen.
„Es reicht oft schon ein kleines Startkapital von etwa 150 Euro, damit Frauen ein kleines Geschäft aufbauen können“, erklärt Wallner-Frisee. Diese kleinen Beträge eröffnen den Frauen die Möglichkeit, eigene Projekte zu starten, die ihr Leben auf lange Sicht verändern können.
Ein Beispiel ist das Ziegenprojekt: Die Milch versorgt die Kinder, und der Verkauf der Zicklein hilft dabei, Schulgebühren zu bezahlen. Auch Projekte wie die Hühnerzucht, bei der der Verkauf von Eiern und Hühnern ein regelmäßiges Einkommen sichert, bieten den Frauen eine wertvolle Möglichkeit, ihre finanzielle Situation zu stabilisieren.
Bildung als Schlüssel zu einer besseren Zukunft
Neben finanziellen Initiativen ist Bildung ein weiterer entscheidender Faktor, um Frauen aus der Armut zu befreien. „Am effektivsten ist es, wenn Kinder in Schulen gehen, in denen nicht nur Allgemeinwissen vermittelt wird, sondern auch ein Handwerk erlernt werden kann“, erklärt Wallner-Frisee.
Die „Africa Amini Alama“-Schulen bieten zum Beispiel Sekundarschulbildung mit Schwerpunkten in Tourismus und regenerativer Landwirtschaft an. Diese Kombination von Wissen und handwerklichen Fähigkeiten hilft den Mädchen, in der Zukunft auf eigenen Beinen zu stehen und für eine weitere Ausbildung zu sparen.
Ein Tag, an dem das Frau-Sein im Vordergrund steht
Trotz aller Herausforderungen bleibt das Selbstbewusstsein der tansanischen Frauen unerschütterlich – und das zeigen sie besonders am Weltfrauentag. „Frauen schätzen den Zusammenhalt. Das ist ein wesentlicher Teil ihrer Kultur“, erklärt Wallner-Frisee.
An diesem besonderen Tag dürfen die Frauen im Mittelpunkt stehen – etwas, das im Alltag oft nicht der Fall ist, besonders in der Öffentlichkeit. Der Weltfrauentag ist ihre Gelegenheit, ihre Rolle als Frauen gebührend zu feiern.
„Es wird gesungen, gemeinsam getanzt, einzelne Gruppen ziehen sich ähnlich an, um Solidarität zu zeigen. Es ist der eine Tag im Jahr, an dem sie stolz darauf sind, Frauen zu sein“, so die Präsidentin.
Wie Männer die Gleichstellung vorantreiben können
Gleichberechtigung ist nicht nur eine Angelegenheit der Frauen – es liegt in der Verantwortung beider Geschlechter. Männer spielen eine entscheidende Rolle in der Förderung von Frauenrechten und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Es ist wichtig, sie in den Prozess der Gleichstellung einzubeziehen, ohne dass es zu Konflikten kommt.
„Verständnis für die Frauen muss in der Schulklasse beginnen. Nur wenn Jungen in der gleichen Schulbank mit den Mädchen sitzen, lernen sie gegenseitigen Respekt und miteinander umzugehen“, sagt Wallner-Frisee.
„Wir versuchen den Männern klarzumachen, dass wir ihre Frauen unterstützen möchten, und klären ab, ob das auch in ihrem Interesse liegt“, so die Präsidentin weiter. Das ist ein zentraler Bestandteil der Arbeit von „Africa Amini Alama“: Männer als Vorbilder und Botschafter für Gleichberechtigung zu gewinnen.
Langfristige Vision: “Frauen den Rücken stärken”
Die langfristigen Ziele von „Africa Amini Alama“ sind klar: Frauen sollen von klein auf in einem Umfeld aufwachsen, in dem sie die gleichen Chancen wie ihre männlichen Mitmenschen haben. Dabei geht es nicht nur um Bildung, sondern auch um die Förderung von Selbstbewusstsein.
In der Schule sollen Mädchen und Jungen gemeinsam lernen und sich gegenseitig respektieren. Gesundheitliche Vorsorge, wie gynäkologische Untersuchungen, sind ebenfalls Teil der Vision, um Krankheiten vorzubeugen.
Zusätzlich legt die Präsidentin einen Schwerpunkt auf der Unterstützung alleinerziehender Mütter. Wenn diese das erste Jahr mit ihrem Kind überlebt haben, wird ihnen durch Startkapital geholfen, kleine Projekte zu starten oder ein Zuhause zu bauen. Zudem wird den Frauen durch gezielte Ausbildung und das Erlernen eines Handwerks die Möglichkeit gegeben, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen.
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Die Motivation für den Kampf zur Gleichberechtigung
Cornelia Wallner-Frisee erinnert sich an eine besondere Begegnung, die ihr immer wieder zeigt, warum sie das tut, was sie tut.
„Ich erinnere mich an eine Patientin, die wegen einer schweren Depression und Angstzuständen zu mir kam. Sie hatte ein kleines Kind am Arm. Ein sexueller Übergriff von zwei Männern, ein Kind als Folge, und seitdem ein Leben, das nicht mehr wie vorher war. Zum einen habe ich mit ihr therapeutisch gearbeitet, zum anderen haben wir sie unterstützt, ein kleines Geschäft aufzubauen. Es war erfolgreich und wir gaben ihr die Möglichkeit, dank einer neuen Nähmaschine auch als Schneiderin zu arbeiten. Für die Frau war es weit mehr als nur ein Geschenk – für sie begann damit ein Neuanfang für ihr Leben.“
Eine Botschaft an die Frauen weltweit
Am Weltfrauentag richtet sich eine besondere Botschaft an alle Frauen, die mit Herausforderungen kämpfen oder an sich zweifeln: „Frauen schöpfen ihre wahre Stärke aus Kreativität und der Fähigkeit, durch Freude und Stärke Neues zu schaffen“, sagt Wallner-Frisee.
Echte Weiblichkeit, so Wallner-Frisee, ist Kreativität, Einfühlsamkeit und Freude. „Es ist an der Zeit, die weibliche Stärke und Feminität als treibende Kraft auf der Welt zu sehen.“ Dieser Tag erinnert uns daran, dass Frauen weltweit eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen und mit jeder Unterstützung und jedem Schritt in Richtung Gleichstellung die Welt ein Stück gerechter wird.