Holunderbeere: Heimisches Superfood mit versteckten Risiken?

Ist Holunder wirklich so gesund – oder sogar gefährlich?

Superfoods gibt es heute wie Sand am Meer – und viele kommen von weit her: Goji-Beeren aus China, Chiasamen aus Südamerika, Moringa aus Indien. Doch zwischen all den gehypten Imports fällt eine heimische Frucht kaum auf: die tiefviolette Holunderbeere. Ob als Sirup, Kapsel, Gummibärchen oder Tee – sie wird gefeiert als Immunbooster, Entzündungshemmer und Virenkiller. Aber ist sie wirklich so gesund, wie behauptet wird? Oder lauern in der Beere auch Risiken, über die kaum jemand spricht?

Holunder – ein Klassiker der Pflanzenheilkunde

Der schwarze Holunder, botanisch Sambucus nigra, ist ein Strauch oder kleiner Baum, der in ganz Europa wächst. Seine weißen Blüten im Frühling und die tiefschwarzen Beeren im Spätsommer sind unverwechselbar. Schon unsere Vorfahren verehrten ihn. In Volksmärchen lebte Frau Holle im Holunderbaum, und man glaubte, der Baum beschütze Haus und Hof. In der Volksmedizin galt er als Apotheke vor der Tür: Blüten gegen Fieber, Beeren gegen Erkältung, Rinde gegen Verstopfung.

Heute erlebt Holunder eine Renaissance – nicht nur als Hausmittel, sondern als Lifestyle-Produkt. Kein Drogeriemarkt, kein Bio-Laden ohne Holundersirup, -tee oder -kapseln. Doch was macht ihn so besonders?

Was steckt in einer Holunderbeere?

Holunderbeeren sind klein, aber kraftvoll. Sie enthalten reichlich Vitamin C, Ballaststoffe, Flavonole und vor allem Anthocyane – das sind Pflanzenfarbstoffe mit antioxidativer Wirkung. Eine Tasse frischer Holunderbeeren liefert rund 52 Milligramm Vitamin C, etwa die Hälfte des Tagesbedarfs. Hinzu kommen zehn Gramm Ballaststoffe, die der Verdauung guttun, sowie verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe, die entzündungshemmend wirken sollen.

Besonders interessant sind die Anthocyane. Sie geben der Beere ihre dunkle Farbe und wirken im Körper als Radikalfänger. Studien zeigen, dass sie oxidativen Stress reduzieren können – eine mögliche Ursache für viele chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes oder sogar Krebs. Kein Wunder also, dass Holunderbeeren immer wieder als „heimisches Superfood“ bezeichnet werden.

@opulentbria 🌿🫐ELDERBERRIES🫐🌿 I alwsys keep my fridge stocked with elderberry syrup and you should too! #herbs #herbalist #plants ♬ Yacht Club – MusicBox

Grippekiller oder Placebo?

Ein häufig genanntes Anwendungsgebiet ist die Linderung von Erkältungs- und Grippesymptomen. Und tatsächlich gibt es einige Studien, die diese Wirkung stützen. So konnte in einer Untersuchung mit Grippepatient:innen gezeigt werden, dass jene, die über fünf Tage Holundersirup einnahmen, im Schnitt vier Tage früher gesund wurden als die Kontrollgruppe. Auch bei Flugreisenden, die Holunderextrakt vorbeugend nahmen, traten Erkältungssymptome seltener und milder auf.

Diese Ergebnisse sind vielversprechend, aber mit Vorsicht zu genießen. Die meisten Studien wurden mit kommerziellen Präparaten durchgeführt, die speziell verarbeitet und dosiert waren. Für selbstgemachte Holundersäfte oder Tees fehlen systematische Untersuchungen. Auch Langzeitstudien zu Wirkungen und Nebenwirkungen gibt es kaum.

Achtung: Roh kann Holunder giftig sein

So heilsam Holunder auch sein kann – seine Wirkung ist nur dann positiv, wenn man ihn richtig verarbeitet. Denn roh enthalten die Beeren, Samen und Blätter sogenannte cyanogene Glykoside. Diese können im Körper zu Blausäure umgewandelt werden – einem hochgiftigen Stoff. Dazu kommen Lektine, die den Magen reizen und zu Übelkeit oder Durchfall führen können.

Schon kleine Mengen roher Holunderbeeren können unangenehme Symptome auslösen. Ein Fallbericht aus den USA beschreibt, wie acht Menschen nach dem Genuss von frisch gepresstem Holundersaft – inklusive Blättern und Zweigen – schwer erkrankten. Sie litten unter Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Taubheitsgefühl und Bewusstseinsstörungen. Glücklicherweise überlebten alle – aber die Warnung ist klar: Rohverzehr ist tabu.

Die gute Nachricht: Beim Kochen zersetzen sich die gefährlichen Substanzen. Wer die Beeren ausreichend erhitzt – etwa beim Sirupkochen oder Marmelademachen – kann sie bedenkenlos genießen. Wichtig ist nur, dass keine Blätter, Rinde oder Zweige mitverarbeitet werden.

Worauf du beim Kauf achten solltest

Der Boom der Holunderprodukte bringt ein Problem mit sich: Viele Nahrungsergänzungsmittel sind nicht standardisiert. Das bedeutet, der tatsächliche Gehalt an wirksamen Inhaltsstoffen wie Anthocyanen kann stark variieren – und ist für Konsument:innen kaum überprüfbar.

Hinzu kommt, dass die Verarbeitung – etwa durch Erhitzen, Lagern oder Mischen mit Zucker – die Konzentration der gesundheitsfördernden Stoffe deutlich senken kann. Ein Holundersirup mit hohem Zuckergehalt mag lecker sein, ist aber ernährungsphysiologisch kein Highlight mehr.

Wenn du Holunderprodukte kaufst, achte deshalb auf standardisierte Extrakte, möglichst hohe Gehalte an Anthocyanen und wenig oder keinen Zuckerzusatz. Qualitätssiegel und transparente Angaben vom Hersteller sind ebenfalls ein guter Hinweis auf ein wirkungsvolles und sicheres Produkt.

Herzgesundheit, Blutzucker, Stimmung

Neben dem Einsatz bei Erkältungen gibt es Hinweise darauf, dass Holunder auch andere gesundheitliche Vorteile bringen könnte. So zeigen einige Studien, dass Holunderextrakt den Cholesterinspiegel senken, die Blutgefäße schützen und sogar den Blutzuckerspiegel regulieren kann. In Mäusen wurde zudem eine stimmungsaufhellende Wirkung beobachtet.

Ob diese Effekte auch beim Menschen in relevanter Weise auftreten, ist allerdings noch nicht geklärt. Viele der bisherigen Erkenntnisse stammen aus Tierversuchen oder Laborstudien.

Für wen ist Holunder geeignet – und für wen nicht?

Für gesunde Erwachsene kann Holunder, richtig zubereitet, eine wertvolle Ergänzung der Ernährung sein – vor allem in der kalten Jahreszeit. Wer zu Infekten neigt oder das Immunsystem unterstützen möchte, kann von Holunder profitieren.

Vorsicht ist allerdings geboten bei Kindern, Schwangeren, Stillenden und Menschen mit empfindlichem Magen. Auch Allergiker:innen sollten aufmerksam reagieren – in seltenen Fällen kann es zu Unverträglichkeiten kommen.

Wer Holunder selbst sammeln möchte, sollte sich gut auskennen. Nicht alle Holunderarten sind essbar. Der rotfrüchtige Holunder zum Beispiel enthält deutlich mehr Giftstoffe. Auch sollte man nur vollreife Beeren verwenden und darauf achten, keine grünen oder unreifen Früchte zu verarbeiten.

Holunder in der Küche: Gesund genießen

Abseits der medizinischen Diskussion ist Holunder auch kulinarisch interessant. Holunderblütensirup ist ein Klassiker für Limonaden oder Sommer-Cocktails. Holunderbeeren eignen sich für Gelees, Chutneys, Fruchtaufstriche oder Säfte. Auch als Füllung für Desserts oder als kräftige Sauce zu Wildgerichten machen sie sich gut.

Der Geschmack ist herb, säuerlich, intensiv – und gerade das macht ihn so vielseitig. Wer Holunder mit anderen Früchten kombiniert, kann raffinierte Kompositionen schaffen, die nicht nur gut schmecken, sondern auch dem Körper guttun.

@caprililly Homemade Elderberry Gummies 💜#elderberry #elderberrygummies #naturalremedies #fyp ♬ original sound – caprililly

Zwischen Heilpflanze und Warnschild

Die Holunderbeere ist kein Modeprodukt, sondern ein echter Klassiker mit Geschichte. Sie liefert wertvolle Nährstoffe und kann das Immunsystem stärken – besonders bei Erkältungen. Doch sie ist kein Ersatz für Medikamente, und auch kein Gesundheitsbooster ohne Risiko.

Ihre Wirkung hängt stark von Verarbeitung, Dosierung und Produktqualität ab. Wer sie roh isst oder falsch verarbeitet, riskiert gesundheitliche Beschwerden. Wer sie richtig nutzt, kann davon profitieren.

Bildquellen

  • Holunderbeeren: iStockphoto.com/ FreshSplash

Empfohlene Artikel

Melde dich für unseren Newsletter an

Keine Sorge, wir spamen dich nicht zu ;) Du bekommst 1-mal jede 2 Wochen die beliebtesten Beiträge und Videos von uns.