ADHS oder HPU? Warum Therapien bei Kindern versagen

HPU

Wenn dein Kind ständig unruhig und zappelig wirkt und sich nicht konzentrieren kann, schließen viele Eltern zuerst auf ADHS. hinter den Symptomen steckt häufig eine ganz konkrete körperliche Ursache: eine genetisch bedingte Stoffwechselstörung. „Es ist, als würde ihr innerer Motor entweder ständig durchdrehen oder gar nicht erst anspringen“, beschreibt Sonja Ilitz, Autorin des Buches „Jedes Kind kann strahlen“ und Expertin für HPU, das Verhalten von Kindern, die an Hämopyrrollaktamurie (HPU) leiden.

Hämopyrrollaktamurie – was genau verbirgt sich dahinter?

HPU ist eine angeborene Stoffwechselstörung, bei der der Körper lebenswichtige Vitamine und Mikronährstoffe über den Urin ausscheidet. Sie ist weit mehr als nur „eine weitere Diagnose“ im Wirrwarr von ADHS, Schulangst oder Konzentrationsproblemen.

Hämopyrrollaktamurie ist ein echtes biochemisches Problem, das das Nervensystem von Kindern in ständigen Stress versetzt. „Kinder mit HPU wirken oft wie ‚immer unter Strom‘ oder umgekehrt völlig erschöpft“, erklärt Ilitz. Diese permanente Überforderung macht sich in unterschiedlichsten Symptomen bemerkbar – von Bauchschmerzen über Kopfschmerzen und Reizdarm bis hin zu emotionaler Instabilität, Schlafproblemen und Ängsten.

 

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Wenn Eltern merken, dass etwas nicht stimmt

Oft ist es der Alltag, der Eltern auf die Spur bringt. Kinder klagen über Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme oder Erschöpfung. Sie reagieren sensibel auf Licht, Geräusche oder Gerüche, erleben Stimmungsschwankungen und zeigen manchmal ungewöhnliche körperliche Reaktionen wie nächtliches Zähneknirschen. „Auch Ängste, Schulverweigerung oder körperliche Hinweise, wie Migräne, Reizdarm, Neurodermitis oder Unverträglichkeiten, können Hinweise sein“, so Ilitz.

Doch HPU zu erkennen, ist nicht einfach. Viele Symptome ähneln anderen Störungen, und so werden die Kinder oft vorschnell als ADHS- oder psychosomatisch auffällig eingestuft. „Aber HPU hat ein klares Muster und wenn man es erkennt, wird vieles plötzlich erklärbar und man ist hier an der wirklichen Ursache“, betont die Expertin.

HPU versus ADHS: Wo liegt der Unterschied?

Viele Eltern und Lehrer:innen bemerken die typischen „ADHS-Symptome“: Unruhe, Konzentrationsprobleme, emotionale Instabilität. Aber HPU ist kein reines Aufmerksamkeitsproblem. „HPU kann wie ADHS aussehen, ist aber eine körperliche Stoffwechselstörung“, erklärt Ilitz. Während ADHS oft auf eine Dysbalance im Dopaminhaushalt zurückgeführt wird, liegt bei HPU ein biochemisches Ungleichgewicht vor, das durch den Verlust wichtiger Mikronährstoffe entsteht.

„Ein Kind mit HPU kann sich nicht konzentrieren und ist bei Stress, Reizüberflutung oder Erschöpfung völlig überfordert. Viele Eltern berichten, dass herkömmliche ADHS-Medikamente nicht helfen oder die Symptome sogar verschlimmern. Genau hier lohnt sich die HPU-Diagnostik im Urin“, sagt Ilitz. Ihre Erfahrung zeigt: „Sehr oft habe ich erlebt, dass durch eine stabilisierte HPU sich die ADHS-Symptome verabschiedet haben!“

Wer ist betroffen?

Grundsätzlich kann jedes Kind HPU haben, denn die Störung ist genetisch bedingt und vererbbar. Oft ist ein Elternteil ebenfalls betroffen – häufig unbemerkt. „Die Veranlagung kann bei Belastungssituationen, wie Schulanfang, Umzug oder Infekten, besonders aktiv werden“, erklärt Ilitz.

Besonders häufig sieht sie HPU bei sensiblen, intelligenten Kindern, die man leicht übersieht, weil sie äußerlich „funktionieren“, obwohl es innerlich brodelt. Gleichzeitig können auch sehr auffällige Kinder betroffen sein, deren Körper „rebelliert“.

HPU-Kinder sind also keine „Problemkinder“ oder „faul“ – ihr Nervensystem ist schlicht überlastet. Das macht den Alltag für sie und ihre Familien oft besonders anstrengend.

Sofortmaßnahmen für Eltern

Was können Eltern tun, wenn sie vermuten, dass ihr Kind HPU hat? Zunächst einmal: genau hinschauen und akzeptieren, was ist. „Kein Kind ist ‚falsch‘, sein Verhalten ist ein Hilferuf“, betont Ilitz. Dann geht es darum, den Körper und das Nervensystem zu stabilisieren.

Zu den ersten Maßnahmen gehört eine stabilisierende Ernährung, ausreichend frische Luft und regelmäßige Ruheinseln. Nahrungsergänzungsmittel können nach den richtigen Laboranalysen helfen – Ilitz warnt jedoch davor, einfach nach Gefühl zu supplementieren. „Eine gesunde Ernährung alleine reicht hier nicht, um diese großen Mängel an Vitalstoffen auszugleichen“, erklärt sie.

Und noch wichtiger: Entspannungstechniken für das Nervensystem. „Dein Kind muss sich sicher fühlen, erst dann kann der Körper regulieren.“

Jedes Kind kann strahlen
In ihrem Buch “Jedes Kind kann strahlen” schreibt Ilitz darüber, wie Betroffene Kinder zu mehr Ruhe, Konzentration und emotionaler Ausgeglichenheit finden können. ©thalia

In ihrem Buch “Jedes Kind kann strahlen” schreibt Ilitz darüber, wie Betroffene Kinder zu mehr Ruhe, Konzentration und emotionaler Ausgeglichenheit finden können.

Die richtige Ernährung

Welche Lebensmittel helfen HPU-Kindern besonders? Ilitz empfiehlt natürliche, unverarbeitete Nahrungsmittel mit hohem Mikronährstoffgehalt: viel grünes Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse (sofern verträglich), hochwertige Eiweiße und gute Fette. Zucker, Weißmehl, Glutamat oder künstliche Farbstoffe hingegen verschlimmern die Reizbarkeit des Nervensystems. Besonders wichtig sei eine Ernährung, die den Blutzucker stabil hält und antientzündlich wirkt – „so bleibt auch die Stimmung stabil.“

Schlaf als Schlüssel

Ein weiterer entscheidender Faktor ist Schlaf. „Extrem wichtig. Im Schlaf regeneriert das Nervensystem, und genau das funktioniert bei HPU-Kindern oft nur eingeschränkt“, erklärt Ilitz. Eltern können unterstützen, indem sie Abendrituale einführen, Bildschirme vermeiden, das Schlafzimmer reizfrei gestalten und – nach Beratung – die richtigen Vitamine ergänzen. Denn ohne Ruhemodus bleibt auch die dringend benötigte Erholung aus.

 

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Entspannungstechniken wirken

Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Hypnose sind keine Spielerei – sie sind zentrale Therapiebausteine. „Der Parasympathikus (Ruhe-Nerv) wird durch gezielte Atemübungen aktiviert. Das führt zu innerer Sicherheit, besserem Schlaf, besserer Verdauung und mehr Selbstregulation“, erklärt Ilitz. Besonders wirksam seien kurze, regelmäßige Übungen – lieber fünf Minuten täglich als einmal 30 Minuten am Wochenende.

Verständnis in der Schule

Auch Lehrer:innen spielen eine entscheidende Rolle. HPU-Kinder sind nicht „zu langsam“ oder „zu empfindlich“. Sie geben oft ihr Bestes, obwohl ihr Körper unter Dauerstress steht. „Verständnis, klare Strukturen, Pausenräume und emotionale Sicherheit helfen enorm. Ein Kind mit HPU braucht keine Sonderrolle, aber einen sicheren Rahmen, um aufzublühen, erklärt die Expertin. Die richtige Unterstützung durch einen HPU-Therapeuten kann entscheidend sein.

Umgang mit Wutanfällen

Viele Eltern kennen die plötzlichen Wutanfälle oder Überforderungssituationen ihrer Kinder. Ilitz macht klar: „Wutausbrüche sind keine Trotzreaktion, sondern ein ‚Overflow‘: das System hat keinen Puffer mehr.“ Hilfreich sind vorausschauende Planung, Reizreduktion, körperliche Bewegung, Atemübungen und liebevolle Kommunikation. Die richtigen Mikronährstoffe dienen dabei als „Baumaterial für Ruhe und Gesundheit“.

Disziplin vs. Verständnis

Ein häufiges Missverständnis besteht darin, HPU-Kinder mit strenger Disziplin zu führen. Ilitz betont: „Verständnis! Aber nicht im Sinne von ‚alles durchgehen lassen‘. Kinder mit HPU brauchen Klarheit, Struktur, aber auch emotionale Sicherheit. Disziplin funktioniert nur, wenn das Nervensystem reguliert ist, sonst verschärft man den inneren Stress. Beziehung geht immer vor Erziehung.

Eltern brauchen Unterstützung

Eltern von HPU-Kindern sind oft selbst betroffen, meist unbemerkt. Energielöcher, Selbstzweifel und Schuldgefühle gehören zum Alltag. Ilitz rät: „Sich Unterstützung holen, das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Geh nicht allein durch diesen Weg. Tausche dich aus, bilde dich weiter, finde deine Kraftquelle wieder. Denn wenn du stabil bist, wird es auch dein Kind.“

Ein beeindruckendes Beispiel

Am eindrücklichsten beschreibt Ilitz die Geschichte von Elias, einem hochintelligenten Jungen, der mit acht Jahren nicht mehr zur Schule gehen wollte. Er litt unter Bauchschmerzen, Schulangst und ständigen Wutanfällen. „Die Diagnose lautete ‚ADHS mit psychosomatischen Beschwerden‘. Doch niemand schaute auf seinen Stoffwechsel.“

Nach der HPU-Diagnose und einer gezielten Drei-Säulen-Therapie – Ernährung, Nahrungsergänzung und Nervensystemregulation – änderte sich alles. Aus dem „Problemkind“ wurde ein strahlendes, neugieriges Kind, das heute freiwillig zur Schule geht.

HPU ist eine Herausforderung – aber auch eine Chance. Für Kinder, die lange nicht verstanden wurden, und für Eltern, die lernen, dass Verständnis, Geduld und die richtige Unterstützung alles verändern können.

Bildquellen

  • HPU: iStockphoto.com / PeopleImages

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