Kinderwunsch zur Weihnachtszeit: Neuanfang oder Stressfaktor?

Kinderwunsch zu Weihnachten

Kerzenlicht, der Duft von Zimt und Vanille, leise Weihnachtsmusik im Hintergrund. Weihnachten ist die Zeit der Familie, der Nähe – und für viele Paare auch eine Zeit, in der ein Gedanke besonders laut wird: Wäre es nicht schön, nächstes Jahr ein Kind im Arm zu halten? „Weihnachten ist ein Familienfest und in der Weihnachtsgeschichte geht es um ein besonderes Kind welches unter wunderlichen Umständen gezeugt wird. Das triggert natürlich bei vielen Paaren das Thema Kinderwunsch“, erklärt DDr. Michael Feichtinger, Leiter des Wunschbaby Instituts Feichtinger.

Wenn Emotionen Entscheidungen lenken

Die Weihnachtszeit ist geprägt von Rückblick und Ausblick zugleich. Das alte Jahr geht zu Ende, das neue steht voller Möglichkeiten bevor. Für viele Paare ist das der Moment, innezuhalten und sich Fragen zu stellen: Wo stehen wir? Was wünschen wir uns für die Zukunft?

„Entweder es wird in diesem Umfeld beschlossen überhaupt eine Familie zu gründen, oder ein schon länger bestehender unerfüllter Kinderwunsch kommt wieder an die Oberfläche und das Paar beschließt ihren Kinderwunsch endlich mit medizinischer Hilfe zu erfüllen“, so Feichtinger.

Diese emotionale Dynamik ist kein Zufall. Psycholog:innen wissen seit Langem, dass Übergangsphasen – Jahreswechsel, Geburtstage, Jubiläen – Entscheidungen begünstigen. Weihnachten wirkt dabei besonders intensiv, weil es kulturell und medial als Inbegriff von Familie inszeniert wird.

Mehr Nähe, mehr Zeit – mehr Schwangerschaften?

Doch nicht nur Gefühle spielen eine Rolle. Tatsächlich gibt es auch ganz handfeste Gründe, warum in der kalten Jahreszeit mehr Schwangerschaften entstehen, erklärt Feichtinger. Einer davon: Nach der oft hektischen Adventszeit kehrt Ruhe ein. Urlaube, Betriebsferien und freie Tage sorgen dafür, dass Paare mehr Zeit miteinander verbringen.

„Nach der stressigen Adventszeit kehrt für viele Paare Ruhe ein, es wird die Nähe vom Partner/der Partnerin gesucht und auch mehr Sex gehabt“, sagt der Mediziner offen.

Ein weiterer Faktor ist weniger romantisch, dafür umso menschlicher: „Gleichzeitig kann auch eine durch Alkohol ‚berauschte‘ Weihnachtszeit die Hemmungen fallen lassen was die ungeplanten Schwangerschaften in die Höhe schnellen lässt“.

Wenn Weihnachten zur Belastung wird

So schön und hoffnungsvoll die Weihnachtszeit für viele ist – für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch kann sie auch zur emotionalen Zerreißprobe werden. Der Druck ist allgegenwärtig: Familienfeste, Fragen von Verwandten, Weihnachtskarten mit Babys, Social-Media-Posts voller glücklicher Kinderaugen.

„Übermäßiger negativer Stress kann sich tatsächlich auch negativ auf die Fruchtbarkeit von Mann und Frau während der Weihnachtszeit auswirken“, warnt Feichtinger.

Besonders problematisch sei, dass Weihnachten den Fokus so stark auf Familie und Kinder lege. „Die zahlreichen Assoziationen mit Kinderwunsch und Familie können bei manchen Paaren so belastend sein das sie in eine Depression schlittern, der weibliche Zyklus ausbleibt oder Erektionsprobleme beim männlichen Partner auftreten.“

Ein Teufelskreis: Der Wunsch nach einem Kind erzeugt Stress – und dieser Stress kann die Chancen auf eine Schwangerschaft weiter reduzieren.

Der selbstgemachte Weihnachtsdruck

Dabei ist es oft nicht nur der äußere Druck, der belastet, sondern der innere. Erwartungen an ein „perfektes“ Weihnachtsfest, an Harmonie, an große Lebensentscheidungen.

„Ich denke es ist wichtig sich vor Augen zu führen, dass wir uns sehr viel Stress zu Weihnachten selbst machen“, sagt Feichtinger. Das betreffe nicht nur den Kinderwunsch, sondern die gesamte Weihnachtszeit.

Der Jahreswechsel werde häufig als Deadline empfunden – als müsse bis dahin etwas Entscheidendes passiert sein. „Auch wenn die Weihnachtszeit sehr symbolträchtig ist, ein altes Jahr zu Ende geht bedeutet das noch lange nicht das Ende“, betont er. Sein Rat: Perspektivwechsel. „Ich würde empfehlen in dieser Situation das Gegenteil zu sehen: eine Chance neu durchzustarten!“

Wenn Vorsätze auf Enttäuschung treffen

Viele Paare gehen besonders diszipliniert in die Weihnachtszeit, wenn der Kinderwunsch präsent ist. Kein Alkohol, keine Süßigkeiten, keine langen Nächte. Alles im Dienst eines Ziels. Bleibt die Schwangerschaft dann aus, ist die Enttäuschung groß.

„Für viele Paare für welche der Kinderwunsch über die Feiertage unerfüllt bleibt macht sich erstmal Frustration breit“, beschreibt Feichtinger. Besonders bitter sei das Gefühl, auf so vieles verzichtet zu haben – ohne Erfolg. „Die Paare haben in dieser Zeit besonders auf ihre Gesundheit geachtet, Weihnachtsfeiern ausgelassen und auf Kekse und Alkohol verzichtet – ohne das gewünschte Resultat.“

Und doch bringt gerade der Jahreswechsel für viele neuen Schwung und „es werden neue Vorsätze getroffen, gerade auch was den Kinderwunsch betrifft“, so Feichtinger.

Weihnachten trotzdem genießen?

Aber wie gelingt es, diese Zeit zu genießen, wenn der Wunsch nach einem Kind unerfüllt bleibt? Ist das überhaupt möglich?

„Ich denke das sich niemand die Magie von Weihnachten nehmen lassen sollte, auch wenn es oft schwerfällt“, sagt Feichtinger. Gerade für Paare ohne Kinder könne diese Zeit auch eine besondere Chance sein. Zeit zu zweit, ohne Verpflichtungen.

„Gerade wenn der Kinderwunsch auf sich warten lässt bieten sich Gelegenheiten an diese Zeit zu zweit zu genießen“, erklärt er. Ob Thermenurlaub, Fernreise oder bewusst verbrachte Abende ohne Termine – erlaubt ist, was guttut. Aber auch Nähe zu Freunden und Familie könne helfen. „Oder trotzdem und gerade Zeit mit der erweiterten Familie und Freunden sein.“

Die Rolle von Social Media

Ein zusätzlicher Stressfaktor kommt heute fast automatisch dazu: Social Media. Kaum ein Scrollen ohne perfekt inszenierte Weihnachtsbilder – glückliche Paare, lachende Kinder, Geschenkeberge.

„Gerade auf Social Media wird oftmals eine heile Welt vorgegaukelt, so auch in der Weihnachtszeit“, kritisiert Feichtinger. Diese Bilder verstärken den Druck und das Gefühl, nicht dazuzugehören. „Man sieht glückliche Familien unter dem Weihnachtsbaum. Das ‚Idealbild‘ von Weihnachten wird dadurch weiter verzerrt.“

Sein Wunsch: mehr Realität in den Medien. „Ich denke wir sollten medial viel mehr die weihnachtliche Realität von kinderlosen Paaren, Singles und auch älteren Personen gezeigt bekommen.“

Kleine Strategien für entspannte Feiertage

Was können Paare konkret tun, um sich nicht selbst zu überfordern? Der wichtigste Tipp von Feichtinger klingt überraschend simpel: Balance statt Extreme.

„Genuss in Maßen anstatt absoluten Verzicht“, lautet sein Rat. Ein Glas Wein, ein Keks, ein Abend ohne Zyklus-App – all das könne helfen, den Druck herauszunehmen, ohne den Kinderwunsch aus den Augen zu verlieren.

Denn am Ende ist Weihnachten nicht der Prüfstein des Lebens. Kein Kind entsteht, weil der Kalender es verlangt. Aber vielleicht entsteht etwas anderes: Nähe, Zuversicht – und die Kraft, den eigenen Weg weiterzugehen.

Und vielleicht liegt der wichtigste Wunsch dieser Tage nicht unter dem Baum, sondern in der Erkenntnis, dass Hoffnung nicht an ein Datum gebunden ist.

Bildquellen

  • Kinderwunsch zu Weihnachten: iStockphoto.com/ South_agency

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