Man ist mitten im Alltag, denkt an Termine oder die nächste Mahlzeit, und plötzlich fällt beim Anziehen oder im Spiegel ein dunkler Schatten auf der Haut auf. Ein blauer Fleck, klar erkennbar – doch die Erinnerung an einen passenden Auslöser fehlt vollständig. Kein Stoß, kein unbequemer Kontakt mit einer Kante, nichts, was dieses Hämatom erklären könnte. Für manche Menschen ist es keine Seltenheit. Doch wie lässt sich das erklären?
Wie ein blauer Fleck überhaupt entsteht
Ein Hämatom ist im Grunde nichts anderes als eine harmlose kleine Blutansammlung unter der Haut. Wenn winzige Blutgefäße – sogenannte Kapillaren – reißen, fließt Blut in das umliegende Gewebe. Die Haut verfärbt sich erst blau-violett, später grünlich, dann gelblich. Der Farbwechsel ist gewissermaßen der Abbauprozess des Blutfarbstoffs Hämoglobin. Der Körper räumt auf, nur eben mit einem Farbspektrum, das jeder Malerin Ehre machen würde.
Normalerweise passiert das, wenn man sich stößt. Aber bei manchen Menschen sind die Flecken plötzlich da, ohne dass ein Stoß bewusst wahrgenommen wurde. Oft liegt das daran, dass solche Mikro-Stöße im Alltag nicht auffallen. Man rennt selten bewusst gegen die Türzarge, sondern eher beiläufig, während man Kaffee trinkt oder halb abwesend eine Tasche schultert. Manche merken solche Mini-Kollisionen schlicht nicht – und wundern sich dann über deren farbvolle Spuren.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Es gibt viele Gründe, warum manche Menschen wesentlich häufiger Hämatome entwickeln als andere.
1. Empfindliche Blutgefäße
Ein sehr häufiger Grund ist die individuelle Beschaffenheit der Blutgefäße. Manche Menschen haben besonders dünne, empfindliche oder weniger elastische Kapillaren. Die Gefäße reißen dann leichter. Das kann genetisch bedingt sein, sodass bereits Mutter oder Großmutter als „Fleckenmagnete“ bekannt waren. Es kann aber auch mit zunehmendem Alter auftreten, weil die Haut dünner wird, das Bindegewebe an Stabilität verliert und die Gefäße weniger geschützt sind.
Viele Menschen mit empfindlichen Blutgefäßen merken schon im Alltag, dass ein kurzer Druck ausreicht: Der Rand eines Rucksacks, das Festhalten an einer Tür oder sogar ein zu fester Händedruck kann später zu einem Hämatom führen. Diese Form der Neigung ist meist harmlos, aber sie sorgt dafür, dass manche Körper eher einer farbintensiven Landkarte ähneln.
2. Wenn Vitamine fehlen
Was oft unterschätzt wird: Die Gefäßstabilität hängt stark vom Vitaminhaushalt ab. Fehlen bestimmte Vitamine, leiden die Kapillaren darunter. Vitamin C ist ein Paradebeispiel dafür. Es sorgt für eine stabile Struktur des Bindegewebes – und damit auch für widerstandsfähigere Gefäßwände. Ein Mangel führt dazu, dass die Adern schneller reißen. Schon leichte Stöße genügen, um ein Hämatom zu erzeugen.
Auch Vitamin K spielt eine zentrale Rolle. Es ist maßgeblich an der Blutgerinnung beteiligt. Wenn es fehlt, dauert es länger, bis verletzte Gefäße wieder verschlossen werden. Blutfäden bilden sich langsamer, und das Blut tritt länger aus – die Folge sind größere oder häufigere Flecken. Ähnlich verhält es sich mit bestimmten B-Vitaminen wie B12 oder Folsäure. Sie tragen zur Blutbildung und richtigen Funktion der Blutplättchen bei. Ein Ungleichgewicht kann die Blutgerinnung beeinträchtigen, was die Hämatomneigung erhöht.
Menschen, die sich unausgewogen ernähren, strenge Diäten halten oder aufgrund von Stress, Verdauungsproblemen oder speziellen Ernährungsformen zu Mangelerscheinungen neigen, sind häufiger betroffen, als sie denken.
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3. Medikamente
Ein weiterer Grund, der sich oft erst auf den zweiten Blick zeigt, sind Medikamente. Viele Arzneimittel beeinflussen die Blutgerinnung oder die Beschaffenheit der Blutgefäße. Blutverdünner wie ASS oder Heparin sollen das Blut dünner machen – und tun genau das. Das ist medizinisch häufig notwendig, etwa nach Operationen oder zur Vorbeugung von Thrombosen, führt aber dazu, dass schon kleine Mikroverletzungen zu sichtbaren Flecken führen.
Auch Kortison, ein Medikament, das bei vielen chronischen Erkrankungen eingesetzt wird, wirkt auf die Haut und die Gefäßwände. Es macht sie dünner und empfindlicher. Wer länger Kortison einnimmt, kann daher plötzlich unerklärliche blaue Flecken feststellen. Selbst manche Schmerzmittel oder Antidepressiva können ähnliche Effekte haben.
Interessant ist, dass viele Menschen eine solche Veränderung erst Monate nach Beginn der Medikamenteneinnahme bemerken und zunächst keinen Zusammenhang sehen. Erst ein genauer Blick auf die Arzneiliste bringt Klarheit.
4. Wenn die Haut älter wird
Mit der Zeit verändert sich unser Körper – und die Haut ist einer der deutlichsten Schauplätze dieses Wandels. Das Bindegewebe verliert an Festigkeit, die Fettschicht unter der Haut wird dünner, und die Blutgefäße liegen weniger geschützt. Dadurch können sie schon bei geringen Belastungen einreißen.
Deshalb haben besonders ältere Menschen oft Hämatome nach Tätigkeiten, die früher völlig spurlos blieben. Ein fester Griff auf den Unterarm, das Tragen einer Einkaufstasche oder das Abstützen auf einer harten Kante kann sorgen, dass ein blauer Fleck entsteht. Es ist ein natürlicher Prozess und nicht automatisch ein Zeichen für eine ernste Erkrankung – aber er erklärt, warum manche im fortgeschrittenen Alter gefühlt „schneller blau werden“.
5. Hormone
Kaum ein Teil des Körpers wird so sehr von Hormonen gesteuert wie das Gefäßsystem. Besonders Frauen kennen es: In bestimmten Phasen des Zyklus scheint die Haut empfindlicher zu sein. Östrogenschwankungen beeinflussen die Elastizität der Gefäße. Kurz vor der Periode oder während hormoneller Veränderungen können Hämatome daher leichter entstehen.
Auch Schwangerschaft oder die Wechseljahre führen dazu, dass die Gefäße anders reagieren als gewohnt. Und sogar hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille oder ein Hormonring können unbemerkt die Hämatomneigung erhöhen.
Für viele Frauen erklärt dieser Faktor zum ersten Mal, warum bestimmte Zeiten im Monat eine Art „Blau-Färbe-Phase“ mit sich bringen.
6. Lipödem
Ein besonderes Kapitel verdient das Lipödem. Es handelt sich dabei um eine chronische Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich bei Frauen vorkommt und oft lange unerkannt bleibt.
Betroffene berichten häufig davon, dass blaue Flecken scheinbar aus dem Nichts entstehen – und das liegt daran, dass das Gewebe beim Lipödem deutlich empfindlicher ist. Die Fettzellen sind vergrößert, die Haut steht unter Spannung, und die Blutgefäße sind weniger geschützt. Schon leichter Druck kann zu Hämatomen führen.
Typisch beim Lipödem ist außerdem eine deutlich erhöhte Berührungsempfindlichkeit. Viele Frauen beschreiben, dass bereits sanfte Berührungen schmerzhaft sein können. Dass daraus auch Hämatome resultieren, überrascht dann kaum, sobald man die Mechanik dahinter kennt.
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7. Seltene, aber wichtige medizinische Gründe
Neben diesen häufigen und meist harmlosen Ursachen gibt es auch ernstere medizinische Hintergründe, die man nicht ignorieren sollte. Blutgerinnungsstörungen wie Hämophilie oder bestimmte Autoimmunerkrankungen können dafür sorgen, dass der Körper kleine Verletzungen nicht richtig abdichten kann. Auch Erkrankungen der Leber beeinträchtigen die Produktion der Gerinnungsfaktoren und führen zu einer erhöhten Blutungsneigung.
Diese Ursachen sind deutlich seltener, aber wichtig zu erkennen – besonders wenn blaue Flecken plötzlich vermehrt auftreten, ungewöhnlich groß werden oder von weiteren Symptomen begleitet sind.
Was man tun kann – und wann man aufmerksam werden sollte
Auch wenn viele Ursachen harmlos sind, lohnt es sich, auf den eigenen Körper zu achten. Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Vitamine, Bewegung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr stärken die Gefäße.
Wer Medikamente nimmt, sollte bei neuen Hämatomen immer prüfen (am besten gemeinsam mit einer Ärztin oder einem Arzt), ob die Behandlung damit zusammenhängen könnte. Bei hormonellen oder altersbedingten Gründen helfen manchmal schon kleine Veränderungen im Alltag: Schonendere Belastungen, weichere Kleidung oder bewusstere Bewegungsabläufe.
Wichtig wird es dann, wenn Hämatome plötzlich auftreten, deutlich zunehmen oder in Kombination mit ungewöhnlichen Symptomen wie starker Müdigkeit oder spontanen Blutungen auftreten. In solchen Fällen kann medizinische Abklärung entscheidend sein.
Bildquellen
- Blauer Fleck: iStockphoto.com / Kateryna Kukota

