Es beginnt oft wie ein modernes Märchen. Man schreibt sich stundenlang, das erste Treffen verläuft wie im Film, vielleicht gibt es sogar schon kleine Zukunftsvisionen und das Gefühl: „Da ist was Besonderes.“ Und dann plötzlich: Funkstille. Keine Nachricht, kein Abschied. Der andere Mensch ist wie vom Erdboden verschluckt. Ghosting ist in der digitalen Welt weit verbreitet. Ein Klick genügt, um jemanden wortlos aus dem Leben zu löschen. Für die Betroffenen ist das oft schmerzhaft und verunsichernd. Doch wie geht man mit so einem abrupten Rückzug um?
Was ist Ghosting überhaupt?
Ghosting bezeichnet das abrupte, kommentarlos vollzogene Beenden des Kontakts zu einer anderen Person. Der „Ghoster“ zieht sich plötzlich zurück, reagiert nicht mehr auf Nachrichten oder Anrufe und verschwindet einfach aus der Verbindung – wie ein Geist, der sich lautlos auflöst. Besonders perfide daran: Oft geschieht das in einer Phase, in der Nähe, Vertrauen oder sogar schon Gefühle aufgebaut wurden.
Anders als bei einer klaren Trennung fehlt beim Ghosting das „Warum“. Und genau diese fehlende Erklärung ist es, die den Zurückgelassenen quält. Der plötzliche Kontaktabbruch hinterlässt eine Leerstelle, die Raum für quälende Fragen lässt. Was habe ich falsch gemacht? War alles nur gespielt? Habe ich etwas übersehen?
Warum ghosten Menschen?
Es gibt viele Gründe – keine davon rechtfertigt das Verhalten, aber es kann helfen, Ghosting besser zu verstehen.
Ein häufiger Auslöser ist Konfliktvermeidung. Wer ghostet, möchte sich einem unangenehmen Gespräch entziehen. Es fällt leichter, zu schweigen, als sich ehrlich mitzuteilen. Das erfordert Mut und emotionale Reife – zwei Dinge, die nicht jeder Mensch mitbringt.
Ein weiterer Grund kann emotionale Überforderung sein. Manche Menschen merken plötzlich, dass ihnen die Verbindung zu schnell geht oder dass sie sich nicht bereit für mehr Nähe fühlen. Statt das offen zu kommunizieren, fliehen sie.
Nicht selten steckt auch Gleichgültigkeit oder Selbstbezogenheit dahinter. Wer andere Menschen als „Option“ betrachtet, behandelt Verbindungen wie austauschbare Produkte – und zieht weiter, sobald es unbequem wird oder etwas vermeintlich Besseres auftaucht.
Und schließlich gibt es auch Fälle, in denen der Ghoster oder die Ghosterin selbst mit inneren Problemen kämpft: Unsicherheit, Bindungsangst, depressive Phasen. Doch auch das erklärt höchstens das Verhalten – entschuldigen kann es Ghosting nicht.
Was passiert mit uns, wenn wir geghostet werden?
Ghosting trifft uns meist unvorbereitet – und genau das macht es so schmerzhaft. Es ist nicht einfach nur eine Form der Zurückweisung, sondern eine Art emotionaler Unfall: ein plötzlicher Bruch ohne Vorwarnung.
Psychologisch gesehen reagieren wir auf Ghosting oft mit einem Mix aus Schock, Enttäuschung und innerer Unruhe. Unser Gehirn sucht nach Erklärungen, nach Logik – und findet keine. Die Unsicherheit nagt am Selbstwertgefühl. Wir beginnen, die Schuld bei uns zu suchen, weil wir keine andere Antwort bekommen.
Was solltest du tun, wenn du geghostet wurdest?
Der Impuls ist meist stark: Man will Klarheit, sucht Kontakt, schreibt ein letztes „Hey, ist alles okay?“. Und vielleicht noch eins. Doch so verständlich dieses Bedürfnis ist – es bringt selten das, was man sich erhofft. Wer ghostet, hat sich meist längst entschieden zu gehen – und damit auch, dich im Unklaren zu lassen. Der erste wichtige Schritt ist daher:
1. Akzeptiere die Funkstille
So sehr du dir Antworten wünschst – wer ghostet, hat sich oft schon entschieden zu gehen. Du kannst den anderen nicht zwingen, sich zu erklären oder zu bleiben. Deshalb ist der erste Schritt, das Schweigen anzunehmen. Nicht weil es richtig ist, sondern weil es nicht in deiner Kontrolle liegt.
@honeyyhanniii Wirst du geghostet? ✨👻😕 #ghosting #erantwortetnicht #großeschwestertalk ♬ Originalton – hannii
2. Suche nicht sofort den Kontakt
Der Impuls, eine Nachricht zu schreiben wie „Hey, alles okay bei dir?“ ist menschlich – aber selten hilfreich. Wer sich kommentarlos zurückzieht, ist meist nicht bereit für offene Kommunikation. Jeder weitere Kontaktversuch kann deine eigene Würde beschädigen.
3. Reflektiere die Realität
Schau ehrlich auf das, was zwischen euch wirklich war. Gab es gegenseitige Offenheit und klare Signale? Oder hast du vielleicht mehr projiziert als tatsächlich da war? Realistische Rückschau hilft, Wunschdenken von Tatsachen zu unterscheiden.
4. Gib dir nicht die Schuld
Ghosting ist ein Verhalten, das etwas über den anderen aussagt – nicht über dich. Es bedeutet nicht, dass du zu viel warst, zu wenig oder „falsch“. Du bist nicht verantwortlich für die Unfähigkeit anderer, ehrlich mit Gefühlen umzugehen.
5. Schaffe digitale Distanz
Lösche Chatverläufe, entferne die Person aus deinem Feed und verbanne Erinnerungen vom Bildschirm. Nicht aus Trotz, sondern aus Selbstschutz. Jeder digitale Anknüpfungspunkt ist ein potenzieller Trigger. Distanz hilft beim Loslassen.
@lucyy.louu It has nothing to do with you & dont feed his ego by asking why #foryou #viral ♬ Originalton – Lucy Griffiths
6. Sprich mit vertrauten Menschen
Das Erlebte auszusprechen wirkt oft befreiender, als man denkt. Teile dich Freunden oder Freundinnen mit, denen du vertraust. Viele haben Ähnliches erlebt – das macht dein Gefühl nicht weniger schmerzhaft, aber weniger isolierend.
7. Richte den Blick wieder auf dich
Nutze die Zeit nach dem Ghosting, um dich neu zu fokussieren. Was tut dir gut? Welche Menschen und Aktivitäten stärken dich? Du darfst traurig sein – aber du darfst auch wieder wachsen. Nicht trotz des Ghostings, sondern gerade deswegen.
Was du nicht tun solltest
So groß der Wunsch nach einer Antwort auch ist – vermeide es, dich beim Ghoster zu melden, dich zu erklären oder zu rechtfertigen. Du schuldest ihm nichts. Vor allem keine Entschuldigung für deine Gefühle oder dein Interesse.
Ebenso wenig solltest du hoffen, dass er oder sie „zur Vernunft kommt“ und sich plötzlich wieder meldet. Manchmal geschieht das tatsächlich. Der Ghoster schreibt Wochen später ein harmloses „Hey, wie geht’s?“ – als wäre nichts gewesen. Dieses Verhalten nennt sich „Zombieing“ und ist genauso respektlos. Es geht dabei selten um echtes Interesse, sondern oft nur um Bestätigung.
Wenn du wirklich abschließen willst, gib dir selbst die Antwort, die du vom Ghoster nicht bekommen hast: Es war nicht echt genug. Nicht tragfähig. Nicht aufrichtig. Und deshalb nicht gut für dich.
Wie du wieder auf die Beine kommst
Nach Ghosting fühlt sich alles erstmal leer an. Das ist normal. Du hast Zeit, um zu trauern – nicht nur um den anderen, sondern auch um deine Hoffnungen.
Doch dann kommt der Wendepunkt. Du beginnst, dich neu zu orientieren. Du erinnerst dich daran, dass dein Wert nicht davon abhängt, ob jemand bleibt oder geht. Du füllst dein Leben mit Dingen, die dir guttun – mit Menschen, die dich sehen und schätzen, mit Momenten, die dir Energie geben.
Du lernst. Nicht in dem Sinne, dass du dich „abhärten“ musst oder niemandem mehr vertrauen darfst. Sondern in dem Sinne, dass du klare Grenzen ziehst, deine Bedürfnisse erkennst und die Zeichen besser wahrnimmst, wenn sich jemand nicht verbindlich verhält.
Ghosting ist schmerzhaft – aber es ist auch ein Zeichen. Es zeigt dir, was du nicht brauchst, wen du nicht mehr verfolgen solltest, und welche Art von Beziehung du wirklich verdienst: eine, die dich sieht, mit dir spricht und dich respektiert.
Bildquellen
- Ghosting: iStockphoto.com/ martin-dm

