Millionen Menschen bekommen täglich ihre Blutwerte zurück und übersehen den wichtigsten Nieren-Indikator: den Kreatininwert. Dieser unscheinbare Wert wird oft als nebensächlich abgetan, obwohl er über die Gesundheit des lebenswichtigen Organs entscheidet.
Doch Vorsicht: Denn wenn der Kreatininwert zu hoch ist, kann es bereits zu spät sein.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Kreatinin steigt erst merklich an, wenn bereits 50 Prozent der Nierenfunktion verloren sind, weshalb normale Werte eine beginnende Nierenschwäche nicht ausschließen
- Die Normalwerte liegen bei Männern zwischen 0,7-1,25 mg/dl und bei Frauen zwischen 0,5-1,1 mg/dl, wobei Muskelmasse und Alter die individuellen Bereiche stark beeinflussen
- Menschen mit hoher Muskelmasse haben natürlicherweise höhere Kreatininwerte, da täglich etwa 2 Prozent des Muskel-Kreatins zu Kreatinin abgebaut und über die Nieren ausgeschieden wird
- Werte über 2 mg/dl können auf Nierenfunktionsstörungen hinweisen, während ab 5 mg/dl der Bereich als kritisch gilt und sofortige ärztliche Behandlung erfordert
Was ist Kreatinin eigentlich?
Um zu verstehen, warum dieser Wert so tückisch ist, lohnt sich ein Blick auf seine Entstehung. Denn Kreatinin ist das Endprodukt eines faszinierenden Kreislaufs in deinem Körper. Es entsteht, wenn deine Muskeln Energie benötigen und dabei Kreatin abbauen – jenen Stoff, der in Leber, Nieren und Bauchspeicheldrüse aus den Aminosäuren Glycin und Arginin synthetisiert wird.
Täglich wandelt dein Körper so etwa ein bis zwei Prozent des vorhandenen Kreatins in Kreatinin um, das dann über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden werden muss.
Das macht Kreatinin zu einem Indikator für die Nierenfunktion: Da es keine weitere Funktion im Körper hat, sammelt es sich nur dann im Blut an, wenn die Nieren nicht mehr optimal arbeiten. Anders als andere Laborwerte, die durch Ernährung oder Tageszeit schwanken können, bleibt die Kreatinin-Produktion relativ konstant – sie hängt hauptsächlich von deiner Muskelmasse ab.
Der griechische Name “Kreat” bedeutet übrigens “Fleisch”, was darauf hinweist, dass wir Kreatin vor allem über fleischreiche Nahrung aufnehmen und es hauptsächlich im Muskelgewebe vorkommt.
Warum normale Werte trügen können
Doch obwohl der Kreatininwert viel über die Nierenfunktion aussagen kann, ist Vorsicht geboten. Denn Kreatinin steigt erst dann merklich an, wenn bereits mehr als 50 Prozent der Nierenleistung verloren sind. Mediziner:innen bezeichnen diesen Bereich als “kreatininblind”.
Das liegt daran, dass die Nieren eine enorme Reservekapazität haben. Selbst wenn bereits viele Filtereinheiten geschädigt sind, können die verbliebenen gesunden Bereiche die Arbeit also kompensieren. So schaffen sie es, das Kreatinin effizient aus dem Blut zu filtern und die Werte im Normalbereich zu halten.
Erst wenn wirklich zu viele Nephrone ausgefallen sind, bricht diese Kompensation zusammen und Kreatinin steigt im Blut merklich an. Genau deshalb sollten moderne Labore zusätzlich die geschätzte Nierenfilterleistung, die aus dem Kreatininwert, Alter und Geschlecht berechnet wird, bestimmen.
Doch genau diese Tests werden in der Praxis immer noch viel zu selten gemacht, wie eine deutsche Studie aus 2024 zeigt. Laut dieser werden nämlich nur bei 45,5 Prozent der Risikopatienten überhaupt diese geschätzte Nierenfilterleistung in Hausarztpraxen bestimmt. Bei der Albuminbestimmung im Urin, die frühzeitig Nierenschäden anzeigen kann, waren es sogar nur 7,9 Prozent der Patienten.
Wann ist der Kreatininwert zu hoch?
Doch selbst wenn dein Kreatininwert zu hoch ist, musst du nicht gleich in Panik verfallen. Denn neben der Nierenfunktion gibt es auch noch andere, harmlosere Ursachen, die einen hohen Kreatininwert verursachen.
Dazu gehören etwa Dehydrierung, Nierensteine oder Harnstau, bestimmte Medikamente wie Schmerzmittel oder Antibiotika, aber auch ein intensives Krafttraining oder eine sehr fleischreiche Ernährung.
Auch die Einnahme von Kreatin-Nahrungsergänzungsmitteln führt zu erhöhten Werten – das ist aber kein Zeichen für Nierenschäden, sondern ein mechanischer Effekt durch den erhöhten Kreatin-Umsatz. Interessant ist auch, dass Menschen mit viel Muskelmasse natürlicherweise höhere Werte haben, da sie mehr Kreatin zu Kreatinin abbauen.
Dennoch solltest du ab einem Wert von 2 mg/dl aufmerksam werden, hier kann eine Nierenfunktionsstörung vorliegen. Werte über 5 mg/dl gelten als kritisch und erfordern sofortige ärztliche Behandlung.
Was bedeuten niedrige Kreatininwerte?
Im Gegensatz zu den oft beunruhigenden erhöhten Werten gibt es bei niedrigen Kreatininwerten eine beruhigende Erkenntnis: Sie haben praktisch keine medizinische Bedeutung.
Du musst dir also keine Sorgen machen, wenn dein Wert unterhalb der Normgrenze liegt. Häufig haben Schwangere, Kinder, Menschen mit Untergewicht oder geringer Muskelmasse niedrigere Werte – das ist völlig normal.
Extrem niedrige Werte können hingegen auf degenerative Muskelerkrankungen hinweisen, wie Muskeldystrophien oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), bei denen vermehrt Muskelzellen abgebaut werden. In solchen Fällen ist aber nicht der niedrige Kreatininwert das Problem, sondern die zugrundeliegende Muskelerkrankung.
Auch bei Menschen, die sich sehr proteinarm ernähren oder fasten, können die Werte zeitweise sinken. Da der Körper weniger Kreatin produziert, entsteht entsprechend weniger Kreatinin. Das normalisiert sich aber schnell wieder, sobald die normale Ernährung aufgenommen wird.
Fazit: Kreatinin verstehen, um die Nieren zu schützen
Der Kreatininwert ist ein wichtiger, aber unvollständiger Baustein bei der Beurteilung der Nierengesundheit. Während normale Werte beruhigend sind, schließen sie eine beginnende Nierenschwäche nicht aus – und genau das macht sie so tückisch.
Die gute Nachricht: Mit modernen Zusatzuntersuchungen wie der Nierenfilterleistung lassen sich Nierenprobleme heute viel früher erkennen.
FAQs zu Kreatininwerten im Bluttest
Kann Kreatin-Supplementierung meinen Kreatininwert gefährlich erhöhen?
Mehrere Langzeitstudien zeigen, dass Kreatin-Supplementierung bei gesunden Menschen keine negativen Auswirkungen auf die Nierenfunktion hat. Der Kreatininwert kann temporär leicht ansteigen, was aber nicht auf eine Nierenschädigung hinweist, sondern lediglich den erhöhten Kreatin-Umsatz widerspiegelt.
Warum haben Männer höhere Kreatininwerte als Frauen?
Da Kreatinin aus dem Abbau von Muskel-Kreatin entsteht, haben Menschen mit mehr Muskelmasse automatisch höhere Werte. Männer haben durchschnittlich mehr Muskelmasse als Frauen, weshalb ihre Normalwerte entsprechend höher liegen.
Kann Dehydrierung meinen Kreatininwert verfälschen?
Ja, Wassermangel kann zu vorübergehend erhöhten Kreatininwerten führen, da das Blut konzentrierter wird. Achte daher vor Blutuntersuchungen auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr, aber ohne zu übertreiben.
Ab welchem Alter sollte ich regelmäßig meine Nierenwerte kontrollieren lassen?
Menschen mit Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck oder Gefäßerkrankungen sollten unabhängig vom Alter regelmäßig kontrolliert werden. Gesunde Menschen können ab dem 40. Lebensjahr mit jährlichen Kontrollen beginnen, da die Nierenfunktion natürlicherweise mit dem Alter abnimmt.
Was kann ich tun, wenn mein Kreatininwert leicht erhöht ist?
Sorge für ausreichende Flüssigkeitszufuhr, reduziere gegebenenfalls intensive körperliche Belastung vor der nächsten Messung und besprich alle Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel mit deinem Arzt.

