„Ich bin doch zu alt für Sport!“ Diesen Satz hört man oft, wenn es um Bewegung im höheren Alter geht. Dabei steht fest: Bewegung ist eines der wirksamsten Mittel, um Körper, Geist und Seele fit zu halten – auch im fortgeschrittenen Lebensalter. Doch wie viel Bewegung braucht man eigentlich wirklich? Und vor allem: Welche Art von Bewegung ist sinnvoll?
Der Mythos vom „chronologischen Alter“
Wenn man an Bewegungsempfehlungen für Ältere denkt, fallen einem meist konkrete Richtwerte ein: „30 Minuten täglich moderat aktiv sein“, „zwei- bis dreimal die Woche Krafttraining“ oder „150 Minuten Ausdauersport pro Woche“. Diese Zahlen stammen häufig von Organisationen wie der WHO und sind grundsätzlich sinnvoll. Doch Professor Ansgar Thiel von der Deutschen Sporthochschule Köln fordert ein Umdenken:
„Das chronologische Alter ist ein viel zu starrer Maßstab, um die Bedürfnisse älterer Menschen zu bestimmen.“
Denn Alter ist eben nicht gleich Alter. Ein 75-Jähriger, der sein Leben lang aktiv war, fühlt sich körperlich oft ganz anders als jemand, der plötzlich mit 70 Jahren mit Bewegung anfangen will. Die Unterschiede in Fitness, Motivation, Lebenssituation und sogar psychischer Einstellung sind riesig.
Bewegung ist mehr als nur Sport
Bewegung im Alter wird oft auf Sport reduziert – und dort wiederum auf Muskelaufbau und Sturzprävention. Das ist zwar wichtig, greift aber zu kurz. Bewegung ist viel mehr: ein Schlüssel für psychisches Wohlbefinden, soziale Teilhabe und Lebensqualität.
Bewegung schafft Gemeinschaft. Ob in der Seniorengruppe beim Spaziergang, beim Tanzen oder beim Yoga im Park – die sozialen Kontakte, die dabei entstehen, sind ebenso gesundheitsförderlich wie die Bewegung selbst.
Bewegung stärkt die Psyche. Sie kann gegen Depressionen und Angstzustände helfen, das Selbstwertgefühl steigern und für ein Gefühl der Selbstwirksamkeit sorgen. Gerade im Alter, wenn viele Menschen mit Verlusten und Einsamkeit kämpfen, kann körperliche Aktivität ein echter Lebensretter sein.
Wie viel Bewegung ist nötig? Die individuellen Bedürfnisse zählen
Es gibt also keine Einheitsgröße. Was für den einen 70-Jährigen als Bewegung sinnvoll ist, kann für einen anderen völlig unpassend sein. Prof. Thiel nennt das eine biopsychosoziale Perspektive:
- Bio: Wie ist der körperliche Zustand? Gibt es Vorerkrankungen, Behinderungen oder chronische Beschwerden?
- Psycho: Wie steht die Person zur Bewegung? Welche Motivation bringt sie mit?
- Sozial: Wie sieht das Umfeld aus? Gibt es soziale Netzwerke oder eher Isolation?
Wer diese Faktoren berücksichtigt, kann ein Bewegungskonzept entwickeln, das wirklich ankommt. Zum Beispiel: Eine ältere Dame, die gerne tanzt und in einem Chor aktiv ist, wird eher zu Bewegung zu motivieren sein, wenn sie die Möglichkeit hat, sich dort mit anderen zu treffen. Ein anderer älterer Herr mit Gelenkproblemen profitiert vielleicht eher von sanfter Gymnastik oder Wassersport.
Warum pauschale Empfehlungen nicht mehr reichen
Die heutigen pauschalen Empfehlungen basieren häufig auf der Annahme, dass alle älteren Menschen vor allem auf körperliche Fitness, Muskelkraft und Sturzprävention achten müssen. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz.
Ältere Menschen bilden eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichsten Interessen und Ressourcen. Viele von ihnen sind digital vernetzt, kulturell engagiert und wünschen sich keine standardisierten Angebote, die sie auf das Bild von „alt und schwach“ reduzieren.
Bewegungsangebote sollten daher nicht nur den Körper trainieren, sondern die gesamte Lebenswelt der Menschen berücksichtigen. Das heißt, Bewegung im Alter muss Freude bereiten, soziale Aspekte einbeziehen und sich harmonisch in den Alltag integrieren lassen. Programme, die diese Anforderungen erfüllen, sind langfristig deutlich erfolgreicher.
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Bewegung als Teil des Lebens – Alltag und Freude im Fokus
Statt sich auf Leistung und Training zu fokussieren, lohnt es sich, Bewegung als natürlichen Bestandteil des Alltags zu betrachten. Beispiele:
- Spazierengehen mit Freunden statt einsamer Joggingrunde
- Gärtnern und leichte Hausarbeiten, die den Körper aktiv halten
- Tanzen zu Lieblingsmusik – Bewegung und Freude in einem
- Gemeinsames Fahrradfahren in der Gruppe
Diese Aktivitäten lassen sich flexibel an individuelle Möglichkeiten anpassen und fördern nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch das soziale Miteinander.
Motivation ist der Schlüssel
Einer der größten Stolpersteine ist die Motivation. Warum sollten sich ältere Menschen bewegen, wenn es sich mühsam anfühlt oder sie keinen Spaß daran haben? Deshalb ist es entscheidend, Angebote zu schaffen, die intrinsisch motivieren.
Wenn die Bewegung als Belastung wahrgenommen wird, hält man kaum durch. Wenn sie aber Freude macht, das Wohlbefinden steigert und soziale Kontakte ermöglicht, wird Bewegung zu einem festen Bestandteil des Lebens.
Bewegungsformate der Zukunft
Auch digitale Angebote spielen eine immer größere Rolle, weil sie vielen Menschen den Zugang erleichtern. Beispiele für solche Bewegungsangebote sind etwa Spaziergruppen, die neben Bewegung auch soziale Begegnungen bieten, Online-Fitnesskurse, die man bequem zu Hause machen kann und die für verschiedene Fitnesslevels geeignet sind, sowie kreative Aktivitäten wie Seniorentanz, Tai Chi oder Yoga.
Auch Programme, bei denen Jung und Alt gemeinsam aktiv werden, fördern Bewegung und den Austausch zwischen den Generationen.
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Wie viel Bewegung ist wirklich nötig?
Es gibt keine „magische Zahl“ oder ein Rezept, das für alle passt. Bewegung im Alter ist eine sehr persönliche Sache, die den ganzen Menschen im Blick haben muss – körperlich, psychisch und sozial.
Wichtig ist: Bewegung soll Freude machen, das Selbstwertgefühl stärken und soziale Kontakte fördern. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, werden viele ältere Menschen gerne und regelmäßig aktiv sein – und so ihre Lebensqualität maßgeblich verbessern.
Bildquellen
- Bewegung im Alter: iStockphoto.com/ Lordn

