Wenn ein Kinderwunsch unerfüllt bleibt, denken viele Menschen zuerst an die Frau. Doch Fruchtbarkeit ist längst kein reines Frauenthema. Auch Männer sind oft betroffen – und zwar häufiger, als man glaubt. Weltweit sind etwa 10–15 % aller Paare ungewollt kinderlos und bei jedem zweiten Paar hat auch der Mann einen beachtlichen Anteil daran.
Laut Studien ist der Mann bei rund 20 % der Fälle allein verantwortlich und bei weiteren 30–40 % beteiligt. Das bedeutet, dass von 100 Paaren mit Kinderwunschproblemen rund 20–30 nur wegen des Mannes nicht schwanger werden – und weitere 20–30 Paare, weil beide Partner gesundheitliche oder biologische Hürden haben. Das zeigt: Männer gehören ganz selbstverständlich ins Zentrum der Diskussion. Doch was sind die Gründe?
Fruchtbarkeit sinkt: Warum Männer unfruchtbar sein können
Dass die Spermienqualität nachlässt, kann viele Ursachen haben. Manche sind medizinisch klar: Hormonstörungen, Blockaden im Samenleiter oder genetische Besonderheiten. Auch Varikozelen – also Krampfadern am Hoden – spielen eine große Rolle.
Andere Ursachen sind eher „hausgemacht“: Übergewicht, Nikotin, Alkohol oder dauerhafte Hitze, wie sie z. B. durch Saunagänge oder zu enge Hosen entstehen. Selbst Umweltgifte und oxidativer Stress können Spermien schädigen. Besonders tückisch: In rund 70 % der Fälle lässt sich gar keine eindeutige Ursache feststellen. Für Betroffene fühlt sich das oft frustrierend an, weil man gegen „etwas Unsichtbares“ ankämpft.
Ein weltweiter Trend – und kein kleiner
Unfruchtbarkeit betrifft jedoch längst nicht nur einzelne Personen, sondern ist ein globales Phänomen. Rund 50 bis 80 Millionen Paare weltweit sind betroffen und besonders hoch sind die Zahlen in Osteuropa oder Teilen Afrikas, wo bei bis zu 70 % der Paare männliche Infertilität eine Rolle spielt.
Auffällig ist außerdem ein neuer Trend laut Studien: Seit den 1990er-Jahren hat sich die Zahl der Betroffenen weltweit fast verdoppelt – und die Spermienqualität sinkt weiter, vor allem seit dem Jahr 2000. Für viele Männer bedeutet das, dass ihre Großväter oder Väter vermutlich bessere Chancen gehabt hätten, Kinder zu zeugen, als sie selbst heute.
Ernährung: Was Spermien stark macht
Ein Bereich, den Männer selbst aktiv beeinflussen können, ist – neben dem Verzicht von Zigaretten und Alkohol – ihre Ernährung. Denn was wir essen, wirkt sich nicht nur auf Energie und Gewicht aus, sondern auch auf die Qualität der Spermien. Experten betonen: Schon kleine Veränderungen im Speiseplan können einen messbaren Unterschied machen.
Gut für die Fruchtbarkeit:
- Obst & Gemüse – reich an Antioxidantien, schützen Spermien vor Schäden
- Vollkornprodukte & Hülsenfrüchte – liefern Ballaststoffe, Folsäure und Mineralstoffe
- Fettreiche Fische (Lachs, Makrele, Sardinen) – Omega-3-Fettsäuren für die Spermienmembran
- Nüsse & Samen (Walnüsse, Mandeln, Kürbiskerne) – Zink, Selen und gesunde Fette
- Dunkelgrünes Blattgemüse (Spinat, Brokkoli) – reich an Folsäure
- Avocado & Olivenöl – gesunde Fette für die Hormonproduktion
- Eier – Vitamin D, B12 und Cholin als Bausteine für gesunde Zellen
Lieber meiden oder reduzieren:
- Alkohol & Nikotin – verschlechtern Qualität und Beweglichkeit der Spermien
- Transfette (Fast Food, Fertigprodukte) – wirken negativ auf die Hormonbildung
- Zucker & Softdrinks – fördern Übergewicht und Insulinresistenz
- Übermäßiger Kaffeekonsum – mehr als 3–4 Tassen täglich können kontraproduktiv sein
- Stark verarbeitetes Fleisch – steht im Verdacht, die Spermienqualität zu mindern
Damit wird klar: Eine mediterran geprägte Ernährung – viel Gemüse, Fisch, Olivenöl und Nüsse – ist nicht nur fürs Herz gesund, sondern auch fürs Sperma.
Wenn die Diagnose am Selbstbewusstsein kratzt
Für Männer ist die Nachricht „unfruchtbar“ oft ein Schock. Schließlich ist Männlichkeit in vielen Kulturen eng mit Potenz und Fruchtbarkeit verknüpft. Plötzlich das Gefühl zu haben, „nicht zu funktionieren“, kann tiefe Spuren hinterlassen. Studien zeigen: Zwischen 7 % und 35 % der betroffenen Männer entwickeln Ängste, manche sogar Depressionen.
Manche ziehen sich sexuell zurück, andere fühlen sich schuldig gegenüber der Partnerin. In Foren liest man immer wieder Sätze wie: „Alle denken sofort, es liegt an mir, weil ich die Frau bin – dabei hat mein Mann schlechte Werte, und niemand spricht darüber.“ Das zeigt, wie stark das Thema noch tabuisiert ist – und wie dringend ein offenerer Umgang nötig wäre.
Medizinische Hilfe: Von Hoffnung bis Hightech
Die gute Nachricht: Auch wenn die Spermienqualität nicht perfekt ist, stehen die Chancen auf ein eigenes Kind oft besser, als viele denken. Moderne Methoden wie IVF (In-vitro-Fertilisation) oder ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) ermöglichen es, selbst mit wenigen oder unbeweglichen Spermien eine Schwangerschaft herbeizuführen.
Eine große australische Studie mit über 36.000 Paaren zeigte sogar: Männer mit eingeschränkter Fruchtbarkeit haben dank künstlicher Befruchtung fast genauso gute Erfolgschancen wie Männer mit „normalen“ Werten. Dazu kommt: Eine frühe Abklärung beim Urologen oder Andrologen ist nicht nur wichtig für den Kinderwunsch. Manchmal steckt eine ernsthafte Krankheit wie Hodenkrebs dahinter – die Diagnose kann also sogar lebensrettend sein.
Tabus brechen – und Verantwortung teilen
Unfruchtbarkeit sollte kein Stigma sein, sondern ein Thema, über das Paare offen sprechen. Wer frühzeitig beide Partner untersucht, spart Zeit, Nerven und oft auch unnötige Schuldgefühle. Männer können selbst aktiv werden: gesunde Ernährung, weniger Alkohol, Rauchstopp, Sport und Stressabbau helfen nachweislich.
Doch noch wichtiger ist: weg von der Vorstellung, Fruchtbarkeit sei „Frauensache“. Männer verdienen ebenso Aufmerksamkeit, Unterstützung und offene Gespräche. Erst wenn wir das Tabu brechen, fühlen sich Betroffene weniger allein – und Paare können gemeinsam und auf Augenhöhe ihren Kinderwunsch angehen.
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- Mann kocht gesund: iStockphoto.com/ Boris Jovanovic

