Schnell überfordert und Wunsch nach Ruhe: So erkennt man hochsensible Menschen

Frau nimmt Hand von Mann

Manchmal fühlst du dich schneller überfordert als andere. Du brauchst länger, um dich nach einem stressigen Tag zu erholen, und nimmst Stimmungen im Raum intensiv wahr – auch unausgesprochene. Vielleicht hast du dich schon gefragt: Warum bin ich so empfindlich? Oder sogar: Ist mit mir etwas nicht in Ordnung?

Keine Sorge – mit dir ist alles in Ordnung. Möglicherweise gehörst du zu den 15–20 % der Menschen, die hochsensibel oder hypersensibel sind. Doch was bedeutet das eigentlich genau?

Hochsensibel vs. Hypersensibel: Das steckt hinter den Begriffen

Zunächst ist es wichtig, zwischen den Begriffen hochsensibel und hypersensibel zu unterscheiden – auch wenn sie im Alltag oft synonym verwendet werden.

Hochsensible Menschen, häufig bezeichnet als HSP (Highly Sensitive Person), verfügen über ein besonders empfindliches Nervensystem. Sie nehmen Reize intensiver wahr als andere – sei es Licht, Geräusche, Gerüche oder Emotionen. Diese Menschen verarbeiten Informationen tiefgehender und reagieren stärker auf subtile Veränderungen in ihrer Umgebung.

Hypersensibel hingegen beschreibt in der Regel eine extreme Reizempfindlichkeit, die nicht immer mit Hochsensibilität gleichzusetzen ist. Hypersensibilität kann auch nur in bestimmten Lebensphasen auftreten – z. B. nach traumatischen Erfahrungen oder bei bestimmten psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Kurz gesagt: Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, während Hypersensibilität eher als Zustand oder Symptom verstanden werden kann. Hochsensible Menschen sind nicht krank – sie haben lediglich ein empfindsameres Nervensystem und eine besondere Form der Wahrnehmung.

@josh_ffwIf you’ve not listened to this full episode on highly sensitive people and highly sensitive children with @drgenevievevonlob then it really is a must listen!♬ Intro – The xx

Woran erkennst du, dass du hochsensibel bist?

Vielleicht findest du dich in einigen der folgenden Aussagen wieder:

  • Du brauchst nach sozialen Kontakten oft Rückzug und Ruhe.
  • Laute Geräusche, grelles Licht oder hektische Umgebungen überfordern dich schnell.
  • Du bemerkst sofort, wenn sich die Stimmung eines anderen Menschen ändert.
  • Du denkst lange und tief über Dinge nach, die andere schnell abhaken.
  • Du hast ein starkes Bedürfnis nach Harmonie – Konflikte belasten dich stark.
  • Kunst, Musik oder Natur können dich tief berühren, manchmal bis zu Tränen.

Hochsensibilität äußert sich bei jedem etwas anders. Während einige stark auf sensorische Reize reagieren (Geräusche, Licht, Gerüche), sind andere vor allem emotional sehr empfänglich. Viele erleben auch eine Mischung aus beidem.

Wissenschaftlich wurde Hochsensibilität besonders durch die US-amerikanische Psychologin Elaine N. Aron bekannt gemacht. Sie entwickelte einen Selbsttest, mit dem Menschen überprüfen können, ob sie hochsensibel sind. Natürlich ist so ein Test keine Diagnose – aber er kann ein erster Hinweis sein.

Leben als HSP – Geschenk oder Last?

Hochsensibilität wird oft missverstanden. In einer leistungsorientierten Welt, die Schnelligkeit, Durchsetzungsvermögen und Reizüberflutung normalisiert, erscheinen HSPs manchmal als „zu empfindlich“, „nicht belastbar“ oder „zu emotional“. Das kann zu Selbstzweifeln und dem Gefühl führen, „nicht richtig“ zu sein.

Doch Hochsensibilität ist keine Schwäche – sie ist eine andere Art, die Welt zu erleben. Viele HSPs haben ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, einen feinen Sinn für Gerechtigkeit, kreative Begabungen und einen reichen inneren Erfahrungsschatz. Sie denken tief, fühlen tief – und genau darin liegt ihre Stärke.

Natürlich bringt dieses Persönlichkeitsmerkmal Herausforderungen mit sich. Zu viele Reize können schnell zu Reizüberflutung führen, was sich in Form von Erschöpfung, Kopfschmerzen, Nervosität oder innerer Unruhe zeigen kann. Auch emotionale Grenzüberschreitungen – etwa das „Mitschwingen“ mit negativen Gefühlen anderer – sind häufige Themen bei HSPs.

Wichtig ist: Hochsensible Menschen brauchen Selbstfürsorge, Pausen und Verständnis – vor allem von sich selbst.

Wie du mit Hochsensibilität umgehen kannst (und was wirklich hilft)

Der erste und wichtigste Schritt ist Selbstakzeptanz. Hochsensibilität ist nichts, was „wegtrainiert“ werden muss – aber sie braucht Raum. Je besser du deine eigenen Bedürfnisse kennst, desto leichter kannst du mit herausfordernden Situationen umgehen.

Hier einige praktische Tipps:

  • Plane regelmäßige Rückzugszeiten ein – besonders nach sozialen oder lauten Situationen.
  • Gestalte deine Umgebung reizarm – sanftes Licht, wenig Lärm, natürliche Farben können Wunder wirken.
  • Grenze dich emotional ab, z. B. durch Visualisierung oder bewusstes Atmen, wenn du spürst, dass du Gefühle anderer übernimmst.
  • Finde kreative Ausdrucksformen – Schreiben, Musik, Malen oder Natur helfen vielen HSPs, ihre Innenwelt zu verarbeiten.
  • Lerne „Nein“ zu sagen – ohne Schuldgefühle. Du musst dich nicht überall anpassen.
  • Setze auf Meditation, Achtsamkeit und ruhige Bewegung – beispielsweise Yoga oder Spaziergänge können helfen, wieder in die eigene Mitte zu finden.
  • Achte auf deine Social Media Zeit – besonders TikTok und Co. sind selbst für Menschen ohne Hochsensibilität sehr hektisch und reizüberflutend, also besser einen Timer am Smartphone einstellen, der die Zeit etwas begrenzt.
  • Spreche mit deinem Umfeld darüber – besonders als junger Mensch kennen viele das Thema HSP nicht, und so kannst du nicht nur deinen Bekanntenkreis sensibilisieren sondern auch aufklären.

Hochsensibilität wird oft als Last erlebt – dabei kann sie eine Quelle großer Kraft und Tiefe sein, wenn du lernst, gut für dich zu sorgen.

Wenn jemand in deinem Umfeld hochsensibel ist – so kannst du helfen

Vielleicht bist du selbst gar nicht hochsensibel – aber jemand, der dir nahesteht, ist es. Dann ist es besonders wertvoll, dieses Persönlichkeitsmerkmal zu verstehen und liebevoll zu begleiten.

Was HSPs besonders brauchen:

  • Verständnis statt Bewertung: Sag nicht: „Du bist überempfindlich“, sondern frage: „Was brauchst du gerade?“
  • Geduld: Hochsensible Menschen verarbeiten Dinge oft langsamer und gründlicher.
  • Raum: Nicht jeder Rückzug bedeutet Ablehnung – manchmal ist Ruhe einfach notwendig.
  • Ehrliche, achtsame Kommunikation: Sprich offen über eure Bedürfnisse und respektiere auch die feinen Grenzen des anderen.

Auch Kinder können hochsensibel sein – und hier ist Einfühlungsvermögen besonders wichtig. Hochsensible Kinder brauchen Stabilität, Sicherheit und liebevolle Begleitung, um sich frei entfalten zu können.

Hochsensibilität ist kein Makel, sondern eine besondere Gabe

Wenn du hochsensibel bist, bedeutet das nicht, dass du „schwach“ oder „zu empfindlich“ bist. Du bist feinfühlig, tiefgründig und wach für die Zwischentöne des Lebens – in einer Welt, die oft nur das Laute hört. Und das ist etwas Kostbares.

Lerne, dich selbst ernst zu nehmen, für dich einzustehen und deine Bedürfnisse zu respektieren. Und wenn du Menschen in deinem Leben hast, die hochsensibel sind, schenke ihnen Verständnis – denn das ist das größte Geschenk, das du ihnen machen kannst.

@leilanialex_ For so long, I’ve hidden this part of me out of fear of judgment. I’ve been called a crybaby, told I’m ‘too emotional,’ and heard it all. But the truth is… this is ME. I feel deeply, I love deeply, and yes, I cry deeply too. And I’m done apologizing for it. Being an HSP isn’t a weakness—it’s my superpower. If you’ve ever felt ‘too much,’ just know you’re not alone. ❤️ #hsp #highlysensitiveperson ♬ Sweet Heat Lightning – Gregory Alan Isakov

Bildquellen

  • Hypersensible Menschen verstehen lernen: iStockphoto.com/ Moyo Studio

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