Es gibt Momente, in denen ein Herz nicht nur gebrochen, sondern regelrecht erschüttert scheint. Das Essen schmeckt nach nichts, Schlaf wird zum Fremdwort – und plötzlich spürt man Liebe nicht mehr als Schmetterlinge, sondern als Stein im Magen. Liebeskummer. Ein Gefühl, das fast jeder kennt und das trotzdem immer wieder einzigartig schmerzhaft ist. Doch kann Liebeskummer uns tatsächlich körperlich krank machen?
Wenn Gefühle unter die Haut gehen
Lange Zeit galt Liebeskummer als reine „Kopf- oder Herzenssache“. Ein bisschen übertrieben, ein bisschen dramatisch – „Das geht schon vorbei“, hört man oft. Doch neuere Forschungen zeigen, dass Liebeskummer tatsächlich messbare körperliche Auswirkungen hat.
Wenn eine Beziehung zerbricht oder Liebe unerwidert bleibt, reagiert der Körper, als stünde er unter massivem Stress. Das liegt an der engen Verbindung zwischen Gehirn, Hormonsystem und Nervensystem.
Im Zustand des Verliebtseins schüttet unser Körper einen Cocktail aus Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Oxytocin aus – Glücks- und Bindungshormone, die uns beschwingt, fokussiert und manchmal sogar ein bisschen süchtig machen.
Wenn diese Quelle plötzlich versiegt, fällt unser Körper in eine Art Entzugszustand. Der Dopaminspiegel stürzt ab, das Stresshormon Cortisol steigt. Herzrasen, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, innere Unruhe – klassische Symptome einer Stressreaktion.
Der Körper macht in dieser Phase keinen Unterschied zwischen emotionalem und physischem Schmerz.
Warum Liebeskummer wie ein Entzug wirkt
Tatsächlich haben Forscher:innen mithilfe von MRT-Scans herausgefunden, dass bei Menschen, die kürzlich zurückgewiesen wurden, dieselben Hirnareale aktiv sind wie bei Drogenabhängigen im Entzug. Besonders betroffen ist das sogenannte Belohnungssystem – also jene Region, die für Lust, Motivation und Euphorie zuständig ist.
Wenn die Liebe endet, fehlt die gewohnte „Dosis“ Dopamin. Der Körper reagiert darauf mit Unruhe, Verlangen und emotionalem Schmerz. Diese Erkenntnis erklärt auch, warum manche Menschen nach einer Trennung obsessiv an den Ex denken, alte Nachrichten durchlesen oder sich stundenlang das Profil der anderen Person ansehen – das Gehirn sucht buchstäblich nach seinem „Kick“.
Liebeskummer ist also nicht bloß seelisches Leiden – er ist ein neurochemisches Chaos.
Vom Schmetterling zum Stein im Magen
Doch der Schmerz bleibt nicht nur im Kopf. Er wandert. Viele Menschen berichten von Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder einem Druck in der Brust. Und tatsächlich: Wenn Emotionen zu stark werden, reagiert der Körper somatisch – also körperlich.
Das autonome Nervensystem, das unseren Herzschlag, die Atmung und die Verdauung steuert, wird durch starke Gefühle beeinflusst. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol versetzen den Körper in Alarmbereitschaft. Das Herz schlägt schneller, Muskeln spannen sich an, der Magen verkrampft.
Langfristig kann chronischer emotionaler Stress das Immunsystem schwächen, den Blutdruck erhöhen und Schlafstörungen fördern.
Das gebrochene Herz – mehr als eine Metapher
Vielleicht hast du schon einmal vom „Broken-Heart-Syndrom“ gehört. Der Name klingt poetisch, doch die Erkrankung ist real. Das sogenannte Takotsubo-Syndrom – benannt nach einer japanischen Tintenfischfalle, die der Form eines erschlafften Herzens ähnelt – tritt meist nach extremen emotionalen Belastungen auf: dem Tod eines Partners, einer Trennung oder einem anderen Schock.
Patient:innen klagen über plötzliche Brustschmerzen und Atemnot. Im EKG sieht das aus wie ein Herzinfarkt – doch die Herzkranzgefäße sind unauffällig. Das Herz hat sich schlicht „verkrampft“.
Laut der American Heart Association kann das Broken-Heart-Syndrom Tage oder Wochen anhalten, heilt aber in der Regel vollständig aus. Trotzdem zeigt es eindrücklich: Starke Gefühle können buchstäblich aufs Herz schlagen.
@uoflhealth Broken heart syndrome is a REAL condition. Most of the time it can be easily treated. #heartbreak #valentinesday #brokenheart #uoflhealth #powerofu #heart ♬ golden hour – Ruel Remix – JVKE
Evolutionär gesehen: Warum Ablehnung so weh tut
Doch warum hat die Natur uns so gebaut, dass Liebe uns so sehr verletzen kann? Forscher:innen glauben, dass Liebeskummer eine evolutionäre Funktion hat. Früher war das Überleben des Einzelnen stark von Zugehörigkeit abhängig. Wurde man von der Gruppe – oder vom Partner – abgewiesen, bedeutete das potenziell Lebensgefahr.
Das Gehirn entwickelte also Mechanismen, um Ablehnung besonders schmerzhaft zu machen. Dieses „soziale Alarmsystem“ wird von denselben Hirnarealen gesteuert wie körperlicher Schmerz – etwa dem anterioren cingulären Cortex. Mit anderen Worten: Liebeskummer ist keine Metapher, sondern echter Schmerz.
Typische körperliche Symptome
Nicht jeder reagiert gleich stark, aber die Bandbreite körperlicher Symptome ist beeindruckend. Häufig treten auf:
- Appetitlosigkeit oder Heißhungerattacken
- Magen-Darm-Probleme (Übelkeit, Magenschmerzen, Völlegefühl)
- Kopfschmerzen oder Verspannungen im Nacken und in den Schultern
- Herzklopfen, Druckgefühl in der Brust
- Schlaflosigkeit oder ständiges Grübeln
- Schwäche, Erschöpfung, Trägheit
- Geschwächtes Immunsystem (häufigere Erkältungen, Entzündungen)
Manche Menschen beschreiben sogar ein „physischen Schmerz im Herzen“ – ein Ziehen, Brennen oder Drücken in der Brust. Und tatsächlich belegen Studien, dass bei starkem emotionalem Stress die Durchblutung des Herzens kurzzeitig beeinträchtigt sein kann.
Wie man sich selbst wieder heilt
Das Gute ist: Liebeskummer heilt. Nicht sofort, nicht ohne Tränen, aber er heilt.
Es gibt Strategien, mit denen du deinen Körper und Geist wieder ins Gleichgewicht bringen kannst – und sie haben wenig mit Ratgebersprüchen à la „Geh feiern, lenk dich ab“ zu tun.
- Spüre: Unterdrückte Gefühle dauern länger. Erlaube dir, traurig, wütend oder verletzt zu sein. Tränen sind kein Zeichen von Schwäche – sie helfen dem Körper sogar, Stresshormone abzubauen.
- Achte auf deinen Körper: Auch wenn dir nach Schokolade und Netflix ist – Bewegung wirkt Wunder. Ein Spaziergang, Yoga oder leichtes Training helfen, Endorphine auszuschütten und Cortisol zu senken.
- Atme bewusst: Klingt banal, aber tiefe Atmung signalisiert dem Nervensystem: „Ich bin sicher.“ Atemübungen oder Meditation können den Herzschlag beruhigen und den Blutdruck senken.
- Reden hilft – wirklich: Gespräche mit Freund:innen oder eine:r Therapeut:in können den seelischen Druck mindern. Wer über seine Gefühle spricht, aktiviert im Gehirn den präfrontalen Kortex – den Bereich, der Emotionen reguliert.
- Schreib’s auf: Ein Tagebuch ist ein Ventil. Schreiben strukturiert Gedanken, gibt Kontrolle zurück und hilft, Distanz zu schaffen.
Und wenn die Traurigkeit nicht nachlässt, kann eine psychotherapeutische Begleitung – etwa mit dialektisch-behavioraler Therapie (DBT) – helfen, Emotionen zu regulieren und neue Perspektiven zu entwickeln.
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Die gute Nachricht – Liebeskummer ist ein Neustart
So paradox es klingt: Liebeskummer kann heilsam sein. Er zwingt uns, uns selbst besser kennenzulernen, Grenzen zu erkennen und zu verstehen, was wir wirklich brauchen. Viele Menschen berichten im Rückblick, dass sie nach einer schmerzhaften Trennung stärker, klarer und selbstbewusster geworden sind.
Unser Gehirn lernt, sich neu zu orientieren – ohne den geliebten Menschen als Mittelpunkt. Dieser Prozess ist unbequem, aber notwendig. Und er zeigt: Unser Körper weiß, wie Heilung funktioniert – selbst wenn das Herz noch tobt.
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- Liebeskummer: iStockphoto.com/ nicoletaionescu

