Periode: Neue Studie zeigt, warum Aufklärung besonders Männern schwer fällt

Die Menstruation ist ein völlig natürlicher Vorgang – und trotzdem fällt es vielen schwer, offen darüber zu sprechen. Eine neue Umfrage von BIPA zeigt nun überraschend deutlich, wie groß die Unsicherheiten, Tabus und Generationenunterschiede in Österreich sind. Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht darauf, wie dringend das Thema Menstruationsaufklärung modernisiert werden muss.

Österreich spricht nicht über die Periode – aber warum?

Es gibt Themen, über die wir problemlos in jeder Runde reden können: das Wetter, die Politik, das beste Schnitzel der Stadt. Und dann gibt es Themen, die selbst im Jahr 2025 sofort eine unsichtbare Wand im Raum hochziehen – die Menstruation gehört eindeutig dazu. Obwohl die Hälfte der Bevölkerung sie regelmäßig erlebt, bleibt das Gespräch darüber in vielen Familien, Schulen und Arbeitsplätzen ein absolutes Tabuthema. Die neue BIPA-Umfrage macht das nun unmissverständlich sichtbar.

Nur ein Viertel der Menschen in Österreich findet die Aufklärung in Schulen, Medien und der Gesellschaft ausreichend. Das ist erstaunlich wenig für ein Thema, das alle betrifft – direkt oder indirekt. 37 Prozent sehen zwar Fortschritte, betonen aber weiterhin deutliche Defizite, vor allem im Bildungsbereich. Und fast zwei Drittel sagen klar: „Zu wenig Aufklärung, zu viele Tabus.“ Unter den 18- bis 25-Jährigen ist die Zustimmung zu dieser Aussage sogar am höchsten.

In den Familien zeigt sich der gleiche Trend: Fast ein Viertel der Eltern hat noch nie mit den eigenen Kindern über Menstruation gesprochen – und plant es auch künftig nicht. Besonders auffällig: Unter diesen Eltern sind deutlich mehr Väter als Mütter. Viele Männer sagen, die Partnerin übernehme das Thema schon – oder man sehe keinen Anlass, mit Söhnen darüber zu sprechen.

Dabei zeigt ein alltägliches Bild, wie sehr das Problem in der Praxis ankommt: Männer, die ratlos vor dem Regal mit Periodenprodukten stehen.

„Der Einkauf ist ihnen unangenehm – sie wissen nicht, welches Produkt das richtige ist“,  BIPA-Geschäftsführerin Daniela Reumann.

Dieses Gefühl ist kein Einzelfall, sondern das Ergebnis mangelnder Aufklärung – und einer jahrzehntelangen Tabuisierung. Auch für Frauen ist das Thema häufig schambesetzt. Besonders junge Mädchen versuchen, Periodenprodukte möglichst unauffällig zu kaufen oder in der Tasche zu verstecken.

Die Studie zeigt: Die Menstruation ist in Österreich noch immer kein alltägliches Gesprächsthema – sondern etwas, das viele lieber leise behandeln.

Warum Aufklärung noch immer „Frauensache“ ist – und wo Väter fehlen

Die Umfrage bestätigt ein Muster, das sich hartnäckig hält: Wenn es um Menstruation geht, tragen Frauen den größten Teil der mentalen und kommunikativen Last. 83 Prozent der Mütter fühlen sich bereit für ein Aufklärungsgespräch mit ihren Kindern. Bei den Vätern sind es gerade einmal 51 Prozent. Dieser Unterschied ist riesig – und prägt den Familienalltag deutlich.

Mütter haben in 70 Prozent der Fälle bereits aktiv über die Periode mit ihren Kindern gesprochen. Bei Vätern ist das nur bei etwa der Hälfte so. Dennoch passiert etwas Spannendes: Viele Männer wollen durchaus mehr Verantwortung übernehmen.

Laut Studie sagen:
• 72 Prozent der Männer: Väter sollen aktiv an der Aufklärung beteiligt sein.
• 72 Prozent: Auch mit Buben sollte selbstverständlich darüber gesprochen werden.
• 62 Prozent: Auch Männer und Buben müssen Periodenprodukte kennen.

Man könnte sagen: Der Wille ist da – aber das Selbstvertrauen fehlt. Und das liegt an etwas ganz Einfachem: eigene Erfahrung. Eltern sprechen meist spontan über die Periode – wenn Kinder Fragen stellen oder eine Alltagssituation passt. Informationsmaterialien nutzen jedoch nur wenige. Auch das trägt dazu bei, dass Väter sich weniger sicher fühlen.

Regional sieht die Lage sehr unterschiedlich aus:

• Im Burgenland fühlen sich 80 Prozent gut vorbereitet.
• In Salzburg nur rund jede:r Zweite.
• In Tirol sprechen die Eltern am häufigsten mit ihren Kindern (73 %).
• In Niederösterreich am seltensten (50 %).

Diese Unterschiede zeigen, wie stark kulturelle Traditionen, lokale Bildungsangebote und familiäre Rollenbilder das Thema prägen.

Der Generationenbruch: Junge wollen Klartext – Ältere bleiben zurückhaltender

Wenn man die Ergebnisse liest, spürt man förmlich, dass sich etwas bewegt – besonders bei den Jüngeren. Für 18- bis 25-Jährige ist die Menstruation kein Tabuthema mehr, sondern ein gesellschaftliches. Ganze 81 Prozent sagen, dass Männer und Buben genauso über Periodenprodukte, Zyklus und Symptome Bescheid wissen sollten wie Mädchen. Das ist ein klares Statement für Gleichberechtigung und Offenheit.

Die ältere Generation sieht das deutlich zurückhaltender. Nur 59 Prozent der 46- bis 55-Jährigen schließen sich dieser Meinung an. In dieser Altersgruppe haben außerdem viele Eltern das Thema nur selten oder gar nicht mit ihren Kindern besprochen. Das zeigt: Die Bereitschaft, offen über Menstruation zu reden, ist nicht nur eine Frage des Wissens – sondern auch der Sozialisation.

Spannend ist auch der regionale Blick:

  • Im Burgenland unterstützen 82 Prozent die Idee, dass man mit Mädchen und Buben über die Periode sprechen muss
  • In Vorarlberg sind es nur 62 Prozent – ein spürbarer Unterschied.

Die junge Generation geht das Thema hingegen ganz anders an. Für sie gehört Menstruation zu einem zeitgemäßen Verständnis von Körperwissen, Gleichberechtigung und mentaler Gesundheit. Viele haben erlebt, dass die Periode in der Schule oft nur kurz erwähnt wurde – meist im Biologieunterricht, oft peinlich berührt und schnell abgehandelt.

Ihre Forderung: Mehr Offenheit, mehr Aufklärung, mehr Alltagstauglichkeit. Und vor allem: Männer müssen mit an den Tisch.

Besonders starke Periodenschmerzen sind nach wie vor für viele belastend und der Umgang damit noch nicht ganz so, wie es sein sollte. ©iStockphoto.com/ LaylaBird

Scham als Dauerthema – aber das Bewusstsein wächst

Trotz all der Fortschritte bleibt eines bestehen: Die Scham. Laut Studie sprechen acht von zehn Menschen in Österreich ungern über Menstruation. Und das völlig unabhängig von Alter oder Geschlecht. Das Tabu verbindet – leider.

Doch es gibt auch Bewegung: Viele Menschen wünschen sich mittlerweile, dass Menstruation nicht nur körperlich erklärt wird, sondern auch psychische Aspekte stärker berücksichtigt werden. Besonders Themen wie PMS, hormonelle Schwankungen und emotionale Belastung werden zu selten offen diskutiert.

79 Prozent der Frauen und 62 Prozent der Männer finden, dass diese Faktoren viel sichtbarer sein sollten – im Gesundheitswesen, in Medien, in der Gesellschaft.

Auch der Wunsch nach besseren Informationsangeboten wächst:
• 80 Prozent wollen Workshops, Broschüren oder Webinare.
• Viele Eltern wünschen sich Unterstützung, um Gespräche einfacher und natürlicher zu gestalten.

Und die Schule? Die bekommt kein gutes Zeugnis.
Vier von zehn Befragten wünschen sich, dass Menstruation auch außerhalb des Biologieunterrichts thematisiert wird – etwa im Ethik-, Sozialkunde- oder Gesundheitsunterricht. Nicht nur, um Wissen zu vermitteln, sondern um Scham abzubauen und Verständnis zu schaffen.

Periodenarmut: Ein gesellschaftliches Problem, das man oft erst sieht, wenn man hinsieht

Neben Aufklärung und Tabus zeigt die Studie einen Bereich, der lange in Österreich unterschätzt wurde: die Periodenarmut. Für viele Frauen und Mädchen ist es eine reale Herausforderung, regelmäßig genügend oder geeignete Periodenprodukte kaufen zu können. Und Periodenarmut ist mehr als ein finanzielles Problem – sie beeinflusst Gesundheit, Selbstwert, Schulbesuch und gesellschaftliche Teilhabe.

Die Initiative „Rote Box“ der Stadt Wien und BIPA ist eine der stärksten Antworten darauf. Das Netzwerk ist in zwei Jahren von 84 auf 393 Ausgabestellen angewachsen. Dort können Frauen und Mädchen in schwierigen Situationen Gutscheine abholen und bei BIPA gegen Produkte der Marke BI COMFORT eintauschen.

Die Zahlen sprechen für sich:

• Mehr als 25.000 Gutscheinhefte werden pro Quartal ausgegeben.
• Die Ausgabe kostenloser Produkte ist um 11 Prozent gestiegen.

Diese Entwicklung zeigt, wie groß der Bedarf tatsächlich ist. Und sie zeigt auch, dass Armut nicht immer sichtbar ist – besonders, wenn sie mit einem Thema zusammenhängt, über das ohnehin ungern gesprochen wird.

Daniela Reumann betont:

„Niemand sollte vor der Frage stehen, ob sie sich Binden oder Tampons leisten kann. Deshalb setzt BIPA neben materieller Unterstützung auch auf Bildung. Die Initiative „Ehrlich gesagt“ bietet Webinare für Eltern und Lehrer:innen an – ein niederschwelliger Zugang, der besonders gut angenommen wird und 2026 fortgeführt wird.”

Periodenarmut ist ein soziales Thema – und ihre Lösung erfordert Maßnahmen, die sowohl kurzfristig helfen als auch langfristige Veränderungen ermöglichen.

Wie Österreich die Menstruation endlich normalisieren kann – ein Blick nach vorn

Die Studie macht deutlich, dass Österreich zwar in Bewegung ist, aber noch einiges aufzuholen hat. Die Menstruation muss raus aus der Ecke des Peinlichen und hinein in den Alltag. Und das beginnt bei Gesprächen – zu Hause, in der Schule, im Freundeskreis.

Ein paar Schritte, die jetzt besonders wichtig sind:

  1. Früher mit Kindern sprechen – unabhängig vom Geschlecht.
    Je natürlicher das Gespräch, desto weniger Scham entwickelt sich.
  2. Männer stärker einbeziehen.
    Väter brauchen Zugang zu Informationen, Erfahrungsaustausch und das Gefühl, nicht allein vor dem Regal mit Periodenprodukten zu stehen.
  3. Schulen moderner ausstatten.
    Menstruation ist nicht nur Biologie. Sie betrifft Sozialverhalten, Gesundheit, Psyche und Gerechtigkeit.
  4. Periodenarmut reduzieren.
    Kostenlose Produkte an Schulen, Unis und öffentlichen Plätzen wären ein großer Schritt. Projekte wie die „Rote Box“ zeigen, wie gut Unterstützung ankommt.
  5. Eine offenere Gesprächskultur fördern.
    Je mehr über Menstruation gesprochen wird, desto normaler wird sie.

Die junge Generation zeigt, wohin die Reise gehen kann: hin zu einer Gesellschaft, die versteht, dass Menstruation kein Frauenproblem ist, sondern ein menschliches Thema. Ein Thema, das uns alle betrifft – und über das wir endlich ohne Scham und Unsicherheit sprechen sollten.

Bildquellen

  • Vater und Tocher: FG Trade/ iStockphoto.com

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