Pollen im Spätsommer? Experten erklären, was du wissen solltest

Pollenallergie

Der Spätsommer bringt nicht nur warme Temperaturen und spätere Sonnenuntergänge mit sich, sondern auch eine oft unterschätzte Belastung für Allergiker:innen. Während viele Menschen glauben, die Pollensaison ende mit dem Frühjahr, hält der Spätsommer einige besonders aggressive Auslöser bereit.

Die Kombination aus Pollen und Pilzsporen kann das Leben von Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Im Gespräch mit Katharina und Maximilian Bastl – dem bekannten „Pollenpaar“ vom Pollenservice der MedUni Wien – klären wir, worauf man achten sollte und wie man sich schützt.

Hauptverursacher im Spätsommer: Beifuß und Ragweed

Auch wenn der Frühling für viele als Synonym für Pollenflug gilt, ist auch der Spätsommer eine Zeit starker Belastung. Besonders zwei Pflanzenarten stehen hier im Fokus: Beifuß und Ragweed (auch als Ambrosia bekannt). „Im August und September sind die wichtigsten Allergieauslöser die Unkräuter Beifuß und Ragweed“, erklärt Katharina Bastl.

Auch letztes Jahr hoch im Kurs: Ragweed. ©Katharina Bastl (MedUni Wien/Pollenservice Wien)

Beide gelten als hochallergen und können bereits bei geringen Pollenmengen starke Symptome verursachen. Ragweed ist in Österreich zwar ein Neophyt, hat sich aber bereits in vielen Regionen fest etabliert. Eine oft übersehene Belastungsquelle: Pilzsporen. „Im Außenbereich sind das vor allem Cladosporium und Alternaria. Die Pilzsporen lieben feucht-warme Bedingungen, die im Spätsommer noch herrschen“, ergänzt Maximilian Bastl.

Warum der Spätsommer für Allergiker genauso herausfordernd ist wie das Frühjahr

Viele Allergiker:innen berichten über Symptome, obwohl sie glauben, die Pollensaison sei längst vorbei. Doch das ist ein Irrglaube, der sich hartnäckig hält. „Oftmals denkt man, die Pollenflugzeit ist mit dem Frühjahr beendet. Das ist ein Vorurteil, das leider nicht stimmt“, betont Katharina Bastl.

Der heimische Beifuß ist hierzulande besonders im August und September zu sehen. / ©Katharina Bastl (MedUni Wien/Pollenservice Wien)

Die spezifische Belastung durch Beifuß, Ragweed und Pilzsporen macht diese Jahreszeit für Betroffene besonders unangenehm. Dazu kommt, dass viele Menschen diese Symptome nicht mehr mit Allergien in Verbindung bringen und eine Erkältung vermuten. „Wenn man also eine Pollenallergie auf Unkräuter oder Pilzsporen hat, dann kann diese Zeit sehr belastend ausfallen“, so Bastl.

Ein anderer Pollenmix: So unterscheidet sich der Spätsommer vom Frühjahr

Der Frühling ist geprägt von einer Vielzahl blühender Bäume und Sträucher – Birke, Esche und Hasel dominieren die Luft. Im Spätsommer hingegen verschiebt sich das Pollenprofil deutlich. „Statt vieler Bäume und Sträucher sind im Sommer Pollen der Unkräuter in der Luft“, erklärt Maximilian Bastl.

Die Graspollensaison, die sich vom Frühjahr bis in den Spätsommer zieht, endet allmählich. Gleichzeitig erreicht der Sporenflug seinen Höhepunkt. „Insofern zeigt das Pollenspektrum im Spätsommer eine weniger diverse Zusammensetzung und komplett andere Hauptallergene“, so das Pollenpaar weiter. Diese Unterschiede erfordern auch eine andere Herangehensweise bei der Diagnose und Behandlung.

Klimawandel als Verstärker: Neue Herausforderungen für Allergiker:innen

Der Klimawandel verändert nicht nur unsere Umwelt, sondern auch die Verteilung und Dauer von Pollenflugzeiten. „Generell sorgen die höheren Temperaturen für eine längere Vegetations- und Blühphase, erläutert Katharina Bastl. Ein besonders anschauliches Beispiel sei Ragweed, das sich seit den 1990er-Jahren in Österreich ausbreitet.

Neu ist auch die zweite Blühphase bestimmter Beifußarten im Spätsommer und Herbst. „Seit 2023 gibt es eine zweite Blühphase im Spätsommer und Herbst, in der die eingewanderten Arten Kamtschatka Beifuß und Einjähriger Beifuß zur Blüte kommen“, berichtet Maximilian Bastl. Diese Veränderungen zeigen, wie essenziell wissenschaftlich fundierte Pollenmessungen sind.

Verlängerte Pollensaison: Nur zwei pollenfreie Monate im Jahr

Früher konnten sich Allergiker:innen in Mitteleuropa auf eine mehrmonatige “Pollenauszeit” verlassen. Diese Zeiten sind vorbei. „Das Fenster ohne Pollenflug schrumpfte in Wien auf maximal zwei Monate im Jahr“, erklärt Maximilian Bastl.

Das bedeutet eine zunehmende Dauerbelastung, vor allem für jene mit Mehrfachsensibilisierungen. Der Körper hat kaum noch Gelegenheit zur Regeneration. Die Belastung durch neue Pflanzenarten sowie die verlängerten Blühzeiten führen zu einer regelrechten „Allergiespirale“, bei der Beschwerden kaum noch zur Ruhe kommen.

Symptome, Verwechslung mit Erkältung und mögliche Langzeitfolgen

Allergien im Spätsommer äußern sich durch typische Symptome: Augenjucken, Niesreiz, laufende Nase oder Atemnot. „Bei der Ragweedpollenallergie sind laut Studien Symptome der Lunge häufiger vertreten“, sagt Katharina Bastl.

Ein großes Problem ist die Verwechslung mit einer Erkältung. „Bei der Pollenallergie sind folgende Merkmale charakteristisch: jegliche Form von Jucken, das zeitliche Auftreten jedes Jahr um etwa die gleiche Zeit und die Verbesserung, wenn man nicht dem Pollenflug ausgesetzt ist“, erklärt Maximilian Bastl. Unbehandelter Heuschnupfen kann jedoch ernsthafte Folgen haben – Stichwort Etagenwechsel: „Ein allergisches Asthma ist der worst case“, warnt Bastl.

Prävention und Schutzmaßnahmen: So schützt du dich richtig

Eine Kombination aus verschiedenen Schutzmaßnahmen kann die Symptome deutlich reduzieren. „Konkret also Sonnenbrille und Kopfbedeckung (bei Bedarf auch Maske) draußen tragen“, rät Katharina Bastl.

Zu Hause sollte man auf eine pollenarme Umgebung achten: feuchtes Wischen, Staubsauger mit HEPA-Filter, keine Wäsche im Freien trocknen. Auch das tägliche Duschen am Abend ist hilfreich, da Pollen sonst ins Bett gelangen und den Schlaf stören können. Fenster sollten idealerweise nur kurz nach Niederschlägen geöffnet werden, da dann die Luft besonders pollenarm ist.

Diagnose, Therapie und der richtige Umgang mit Spätsommer-Allergien

Die Behandlung von Pollenallergien im Spätsommer unterscheidet sich nicht grundsätzlich von jener im Frühjahr. „Generell fußt die Behandlung auf der Allergenvermeidung, der Symptombehandlung und der Immuntherapie“, so Katharina Bastl.

Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um gezielt Maßnahmen zu ergreifen. Dabei ist der Gang zu Fachärzt:innen unerlässlich: Eine Heilung gibt es bislang nicht, doch mit der richtigen Therapie lassen sich Beschwerden gut in den Griff bekommen. Das Pollenpaar empfiehlt, sich auf verlässliche Informationsquellen wie den Pollenservice Wien zu stützen, um den Pollenflug im Blick zu behalten: „Modelle allein sind oftmals nicht zuverlässig. Besser ist es darauf zu achten, wer hinter der Pollenvorhersage steht und hier auf wissenschaftliche Institutionen zu vertrauen.“

Dank wissenschaftlicher Pollenanalysen und fundierter Empfehlungen – wie jenen des Pollenpaars Katharina und Maximilian Bastl – können Betroffene ihren Alltag wieder besser meistern.

Die Forscherinnen Katharina und Maximilian Bastl sind promovierte Paläobiologinnen und widmen sich seit mehr als einem Jahrzehnt an der Medizinischen Universität Wien der Aerobiologie. Als anerkannte Pollenexpert:innen verfolgen sie eine klare Mission: Trotz der Herausforderungen durch Pollenallergien möchten sie den Menschen die Freude an der Natur erhalten, über die vielfältigen Aspekte von Pollen informieren und umfassend aufklären./ ©Maximilian Bastl (MedUni Wien/Pollenservice Wien)

Bildquellen

  • Allergie im Sommer: iStockphoto.com/ miljko

Empfohlene Artikel

Melde dich für unseren Newsletter an

Keine Sorge, wir spamen dich nicht zu ;) Du bekommst 1-mal jede 2 Wochen die beliebtesten Beiträge und Videos von uns.