Pollen in der Weihnachtszeit: Was Allergiker jetzt beachten müssen

Viele Menschen verbinden Pollenallergien automatisch mit dem Frühjahr, wenn Birken, Gräser und andere Frühblüher die Nase jucken lassen und tränende Augen verursachen. Doch Pollenstress kennt keine Jahreszeiten: Immer häufiger leiden Allergiker auch im Sommer, Herbst oder sogar während der besinnlichen Weihnachtszeit unter allergischen Symptomen.

Die Ursachen sind vielfältig: Klimawandel, die zunehmende Urbanisierung und die bewusste Pflanzung bestimmter Bäume in Städten beeinflussen die Pollensaison nachhaltig. Auch im Winter können Pollenflug und Kreuzallergien die Gesundheit stark belasten – ein Thema, das immer mehr Menschen überrascht.

Unerwartete Pollenbelastung im Winter

Für viele Allergiker beginnt die Zeit der winterlichen Ruhe bereits im Dezember eine unerwartete Herausforderung. Besonders die Purpur-Erle, ein Zierbaum, der zunehmend in städtischen Grünanlagen wie in Wien, Graz oder Linz gepflanzt wird, sorgt schon vor Weihnachten für Niesreiz, juckende Augen und Atembeschwerden. Laut dem Österreichischen Polleninformationsdienst (ÖPID) beginnt die Purpur-Erle ab der zweiten Dezemberhälfte zu blühen – eine Zeit, in der die meisten Menschen kaum an Pollen denken.

Die besondere Problematik der Purpur-Erle liegt in ihrer Kombination aus urbaner Robustheit und allergenem Potenzial. Ihre Winterresistenz, hohe Salzverträglichkeit und Anpassungsfähigkeit an schlechte Luftverhältnisse machen sie für Stadtentwickler attraktiv. Gleichzeitig bleiben ihre charakteristischen Kätzchen im Winter sichtbar, wodurch der Baum nicht nur optisch besticht, sondern auch schon früh Pollen produziert.

Kreuzallergien verstärken die Beschwerden

Ein zusätzlicher Risikofaktor für Allergiker ist die sogenannte Kreuzallergie. Die Purpur-Erle ist botanisch eng mit Birke und Hasel verwandt. Wer also auf Birken-, Hasel- oder Erlenpollen allergisch reagiert, kann auch empfindlich auf die Purpur-Erle reagieren. Besonders betroffen sind Birkenpollenallergiker, die häufig auch auf bestimmte Nüsse wie Mandel, Hasel-, Wal- oder Erdnüsse reagieren.

© Dr. Johannes M. Bouchal

Typische Symptome sind Juckreiz, Brennen oder Kribbeln im Mundbereich und an den Lippen – das sogenannte orale Allergiesyndrom. Eine Erleichterung: Werden die Nüsse geröstet oder gebacken, treten die Beschwerden in der Regel nicht auf. Die Zunahme solcher Beschwerden in der Adventszeit ist deutlich:

„Die Beschwerden im Dezember haben in den letzten 15 Jahren laut Auswertungen unseres Pollentagebuches deutlich zugenommen“, erklärt Dr. Markus Berger, Leiter des ÖPID.

Ursachen dafür sind neben dem Klimawandel auch ein mangelndes Bewusstsein über die Allergenität der Purpur-Erle, die ihre verstärkte Anpflanzung begünstigt hat.

Klimawandel und Stadtgestaltung beeinflussen die Pollensaison

Die Entwicklung hin zu höherer Pollenproduktion bei Frühblühern ist eng mit dem Klimawandel verbunden. Mildere Winter, frühere Frühlingsanfänge und längere Vegetationsperioden führen dazu, dass Pflanzen früher blühen und mehr Pollen freisetzen. Gleichzeitig tragen städtische Bedingungen wie Luftverschmutzung und geringe Biodiversität dazu bei, dass allergene Pflanzen bevorzugt gedeihen.

Die Purpur-Erle ist dafür ein Paradebeispiel: Ihr Pollenanteil in der Gesamtmenge der Erlenpollen in der Umgebungsluft lässt sich aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit aller Erlenarten nicht exakt bestimmen.

Die Purpur-Erle wird in urbanen Gebieten zunehmend zu einem Faktor für winterliche Allergien. © Dr. Johannes M. Bouchal

Das EU-Projekt „PollenCare“: Strategien gegen winterliche Pollenbelastung

Um auf diese Entwicklung zu reagieren, wurde das grenzüberschreitende INTERREG-Projekt „PollenCare“ ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, die gesundheitliche Belastung durch Pollenallergien in der österreichisch-ungarischen Grenzregion zu reduzieren. Neben der Verbesserung von Vorhersagemodellen wird auch die Gestaltung urbaner Grünflächen unter allergikerfreundlichen Gesichtspunkten untersucht.

„Wir entwickeln Strategien und Maßnahmen, um den Anteil stark allergener Pflanzen auf urbanen Grünflächen langfristig zu reduzieren und gleichzeitig natürliche Lebensräume zu schützen“, erklärt Uwe E. Berger, MBA, österreichischer Projektleiter.

Dazu zählen die Weiterentwicklung bestehender Services wie die Pollen+ App sowie Pilotprojekte zur allergikerfreundlichen und klimawandelangepassten Grünraumgestaltung.

Wie sich Allergiker schützen können

Die winterliche Pollensaison erfordert von Allergikern erhöhte Aufmerksamkeit. Folgende Maßnahmen können helfen, die Beschwerden zu reduzieren:

  1. Regelmäßige Information über Pollensituation: Dienste wie der ÖPID bieten aktuelle Pollenvorhersagen, Risikokarten und Warnungen über Apps, Newsletter und soziale Medien.
  2. Wohnräume pollenfrei halten: Fenster geschlossen halten, Luftfilter nutzen und Kleidung nach dem Aufenthalt im Freien wechseln.
  3. Medikamentöse Behandlung: Antihistaminika oder nasale Sprays können Beschwerden lindern. Bei schweren Symptomen ist Rücksprache mit dem Arzt essenziell.
  4. Auf Kreuzallergien achten: Vorsicht bei Nüssen und anderen potenziellen Auslösern, besonders in roher Form.
  5. Urbane Aufenthaltsorte bewusst wählen: Parks oder Straßen mit geringem Anteil allergener Pflanzen bevorzugen.

Die Rolle der Aufklärung

Ein entscheidender Faktor im Umgang mit winterlichen Allergien ist Aufklärung. Viele Menschen sind überrascht, dass Pollen auch im Dezember eine Rolle spielen können. Durch Informationsdienste wie den ÖPID erhalten Betroffene kostenlos und wissenschaftlich fundiert Auskünfte über aktuelle Pollenbelastungen. Dazu gehören tagesaktuelle Vorhersagen, Pollendaten, Asthmawetterwarnungen und Hinweise zu oralen Allergien.

Darüber hinaus zeigt das Projekt PollenCare, dass wissenschaftliche Forschung in Verbindung mit städtischer Planung langfristig zu einer Reduzierung der Belastung führen kann. So können Stadtverwaltungen bewusster entscheiden, welche Baumarten gepflanzt werden und wie Grünflächen gestaltet werden, um sowohl ästhetische als auch gesundheitliche Aspekte zu berücksichtigen.

Die Zukunft der Pollenvorhersage

Die Purpur-Erle verdeutlicht, wie komplex der Einfluss urbaner Flora auf die Gesundheit ist. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen attraktiven Zierbaum, der in Städten wegen seiner Widerstandsfähigkeit beliebt ist. Auf den zweiten Blick zeigt sich sein allergenes Potenzial, das gerade im Winter zu Problemen führt.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Stadtplanung nicht nur ästhetische oder ökologische Gesichtspunkte berücksichtigen sollte, sondern auch die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung. Gleichzeitig betont es die Bedeutung langfristiger Forschung, um die Pollensaison und deren Auswirkungen besser zu verstehen.

Dank technologischer Entwicklungen ist es möglich, die Pollensituation immer genauer vorherzusagen. Apps wie Pollen+ bieten Echtzeitdaten, Benachrichtigungen über besonders belastende Tage und personalisierte Hinweise für Allergiker. Ziel ist es, dass Betroffene ihre Aktivitäten besser planen und Präventivmaßnahmen ergreifen können, bevor Symptome auftreten.

In Kombination mit Projekten wie PollenCare kann so ein modernes, präventives Management von Pollenbelastung umgesetzt werden. Durch den Austausch zwischen Wissenschaft, Stadtplanung und Öffentlichkeit können Maßnahmen entwickelt werden, die sowohl die Lebensqualität der Bürger als auch die Biodiversität urbaner Räume fördern.

Purpurerle/ © Johannes Bouchal

Über den Österreichischen Polleninformationsdienst (ÖPID)

Der ÖPID ist ein Zusammenschluss lokaler Polleninformationsdienste in Österreich mit 25 Messstellen („Pollenfallen“) im ganzen Land. In Kooperation mit der Firma AZ Pollen Research GmbH ist der Dienst national und international eine führende wissenschaftliche Institution im Bereich Aerobiologie. Der ÖPID stellt Ärzten, Allergikern und der Öffentlichkeit kostenlose, wissenschaftlich fundierte Informationen zur Verfügung, darunter:

  • Kurz- und mittelfristige Pollenvorhersagen
  • Allergierisiko-Landkarten
  • Unwetter- und Ozonwarnungen
  • Asthma- und Pollenwetterhinweise

Alle Angebote sind kostenlos zugänglich unter www.polleninformation.at sowie über Newsletter, Social Media und die Pollen+ App.

Dr. Markus Berger,  Leiter des Österreichischen Polleninformationsdienstes Sekundararzt Allergiezentrum Wien West Assistenzarzt für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten an der Klinik Landstraße/ © Georg Wilke
Uwe E. Berger MBA, AZ Pollen Research GmbH Projektleiter des INTERREG-Projekt PollenCare/ ©Georg Wilke

Bildquellen

  • Allergie im Winter: AndreyPopov/ iStockphoto.com

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