Neue Studie: Erdnüsse retten Babys vor Lebensmittelallergien

Baby isst Erdnüsse

Als frischgebackene Eltern macht man sich viele Sorgen – eine davon ist, dass das eigene Kind vielleicht zahlreiche Lebensmittelallergien entwickeln könnte. Besonders für Eltern, die selbst betroffen sind, ist der Gedanke belastend. In Österreich wird aktuell von bis zu 320.000 Betroffenen ausgegangen, Tendenz steigend. Doch aktuelle medizinische Forschung zeigt: Eltern können das Risiko für Lebensmittelallergien deutlich senken – und zwar durch frühzeitige Einführung von Erdnüssen.

Die Geschichte der Erdnussallergien

Früher war alles anders. Jahrzehntelang rieten Ärzte Eltern, Erdnüsse und andere allergieauslösende Lebensmittel erst ab dem dritten Lebensjahr zu geben. Die Angst war groß: Würde man ein Baby zu früh mit Erdnüssen füttern, könnte es eine schlimme allergische Reaktion erleiden. Diese Vorsichtsmaßnahme war gut gemeint, doch sie hatte einen bitteren Nebeneffekt: Die Rate der Erdnussallergien stieg weiter.

Alles änderte sich 2015 mit der Veröffentlichung der LEAP-Studie – „Learning Early About Peanut Allergy“. Unter der Leitung von Dr. Gideon Lack am King’s College London zeigte die Studie etwas Unglaubliches: Babys, die frühzeitig Erdnüsse bekamen, hatten ein 80 % geringeres Risiko, später eine Erdnussallergie zu entwickeln. Noch erstaunlicher: Etwa 70 % dieser Kinder blieben auch im Jugendalter geschützt.

Die Erkenntnis war revolutionär. Plötzlich stand fest: Nicht Vermeidung, sondern gezielte Einführung könnte das Immunsystem trainieren, allergische Reaktionen zu verhindern. Die Vorstellung, dass Babys früh mit potenziellen Allergenen in Kontakt kommen sollten, war damals noch umstritten – heute wird sie zunehmend akzeptiert.

Die Zahlen sprechen für sich

Neue Forschung aus den USA, veröffentlicht im Oktober 2025, zeigt nun, wie stark sich diese Änderungen in der realen Welt auswirken. Laut Dr. David Hill, Autor der Studie und Allergologe am Children’s Hospital of Philadelphia, sank die Rate von Erdnussallergien bei Kindern von 0 bis 3 Jahren nach der Einführung der Richtlinien um mehr als 27 %, und nachdem die Empfehlungen 2017 erweitert wurden, sogar um über 40 %.

Das bedeutet konkret: Seit 2015 haben rund 60.000 Kinder Nahrungsmittelallergien vermieden, darunter 40.000 Kinder, die sonst eine Erdnussallergie entwickelt hätten.

Trotzdem bleibt das Problem groß: Etwa 8 % aller Kinder sind von Nahrungsmittelallergien betroffen, mehr als 2 % leiden speziell an einer Erdnussallergie. Die Studienergebnisse sind also zwar bahnbrechend, zeigen aber auch, dass noch viel zu tun ist.

 

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Wie funktioniert die „frühe Erdnuss-Therapie“?

Allergien entstehen, wenn das Immunsystem etwas Harmloses wie Erdnussproteine fälschlicherweise als Bedrohung erkennt. Der Körper reagiert dann mit Chemikalien, die Nesselsucht, Atemprobleme oder im schlimmsten Fall eine Anaphylaxie, eine lebensbedrohliche allergische Reaktion, auslösen.

Die neue Methode funktioniert, indem das Immunsystem „trainiert“ wird. Schon kleine Mengen Erdnussprodukte – z. B. Erdnussbutter, milchbasierte oder Soja-Joghurts und Nussbutter – reichen, um dem Immunsystem frühzeitig zu zeigen: „Keine Panik, das ist harmlos.“ So können Babys auf sichere Weise Toleranz entwickeln.

Dr. Hill erklärt: „Es muss nicht viel von dem Lebensmittel sein, aber kleine Kostproben sind wirklich effektive Wege, das Immunsystem auf sichere Weise an allergene Lebensmittel zu gewöhnen.“

Die langfristige Wirkung

Die LEAP-Studie und die darauf aufbauenden Forschungen zeigen: Die Vorteile halten an. Kinder, die früh Erdnüsse erhalten, bleiben in der Regel bis ins Jugendalter geschützt. Das bedeutet, dass eine vergleichsweise kleine Intervention in den ersten Lebensmonaten jahrzehntelange gesundheitliche Vorteile haben kann.

Für Expert:innen ist es eine der spannendsten Entwicklungen in der Allergieforschung seit Jahrzehnten. „Wir sehen erstmals, dass ein öffentliches Gesundheitsprogramm, das auf evidenzbasierte Forschung setzt, einen messbaren Einfluss auf die Prävalenz einer Allergie haben kann“, sagt Dr. Hill.

Die Umsetzung in der Praxis

Trotz der klaren wissenschaftlichen Beweise war die Umsetzung zunächst langsam. Umfragen zeigen, dass nur 29 % der Kinderärzt:innen und 65 % der Allergolog:innen die erweiterten Empfehlungen von 2017 tatsächlich umsetzten.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Viele Ärzt:innen und Eltern waren unsicher, wie genau die Einführung erfolgen sollte. Würde das Baby reagieren? Wie viel sollte man geben? Sollte man vorher testen? Diese Unsicherheiten führten dazu, dass die Praxis nur zögerlich übernommen wurde.

Doch mittlerweile gibt es klare Richtlinien. Die Empfehlungen, zuletzt 2021 aktualisiert, lauten: Erdnüsse und andere Hauptallergene zwischen 4 und 6 Monaten einführen, ohne vorherige Tests, sofern keine besonderen Risikofaktoren bestehen. Trotzdem lohnt es sich immer, Fragen mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin zu besprechen.

@boobtofood introducing peanuts – does it scare you? whilst it can seem daunting, we don’t want to put off the introduction to peanuts. There was a huge study (he LEAP trial) which showed that early and frequent exposure to peanuts significantly reduces the risk of developing an allergy to peanuts! We hear lots of talk about ‘peanut parties’ outside of the hospital for the first exposure – but did you know that most reactions will occur AFTER the first exposure (often the second or third!) which is why it’s important to introduce a few times very mindfully, and then after a few exposures, aim to keep peanuts in the diet (the recommendation is twice a week). As with all food allergens, it’s best to start with a small amount – such as a finger or spoon dipped in the nut butter – then wait 5-10 minutes for any immediate reaction – if tolerated you can offer more. An allergic reaction can take up to 2 hours to present itself, but a severe reaction will be within the first 5-10 minutes. For this reason always offer at a time when you can monitor and observe your baby (eg not before a nap). Any questions? #boobtofood #startingsolids #allergens #babyfood #babyfoodallergy #blwrecipes #babyledweaning #babypuree ♬ original sound – Boob to Food

Kommt die Erdnuss-Therapie auch nach Österreich?

In Österreich sind aktuell rund 320.000 Menschen von Nahrungsmittelallergien betroffen – Tendenz steigend. Vor allem Familien mit betroffenen Kindern spüren die Belastung im Alltag: Jede Mahlzeit kann zur Herausforderung werden, und die ständige Angst vor allergischen Reaktionen ist psychisch und emotional belastend.

Die frühzeitige Einführung von Erdnüssen bei Säuglingen könnte hier einen echten Unterschied machen und die Häufigkeit von Erdnussallergien deutlich senken – ein Gewinn für die Gesundheit von Familien und die öffentliche Versorgung.

Ein Blick in die Zukunft

Die Forschung öffnet Türen zu weiteren spannenden Fragen: Könnten ähnliche Strategien gegen andere häufige Allergien wie Milch, Eier oder Nüsse wirksam sein? Wie lassen sich diese Maßnahmen weltweit umsetzen, um Millionen von Kindern zu schützen?

Dr. Hill ist optimistisch: „Wir sehen, dass die frühe Einführung von Allergenen nicht nur angenommen wird, sondern auch messbare Auswirkungen hat. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie Forschung direkt in die Praxis übersetzt werden kann.“

Für Eltern bedeutet das: Kleine Schritte können große Wirkung haben. Ein bisschen Erdnussbutter hier, ein Happen Joghurt da – und möglicherweise ein Leben lang Schutz vor einer Allergie.

Bildquellen

  • Baby isst Erdnüsse: iStockphoto.com/ travelism

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