Augen auf: So verändern KI und Technik unsere Sehtests

Sehtest der Augen

Sehen ist ein zentraler Sinn, der unsere Lebensqualität maßgeblich beeinflusst. Dennoch wird die regelmäßige Kontrolle des Sehvermögens oft vernachlässigt – besonders bei Kindern, jungen Erwachsenen und Männern mittleren Alters. Gleichzeitig halten immer mehr digitale Angebote Einzug in diesen Bereich: Online-Sehtests, Apps und KI-gestützte Messgeräte versprechen schnelle Ergebnisse und vermeintliche Sicherheit. Doch wie zuverlässig sind solche Tools? Welche Risiken bestehen, wenn Menschen ihre Augen nur digital überprüfen lassen? Und wie beeinflussen moderne Geräte und Künstliche Intelligenz die klassische Arbeit von Augenoptiker:innen?

Darüber hinaus gibt es viele hartnäckige Mythen rund ums Sehen: dass gutes Sehen automatisch bedeutet, dass keine Kontrolle nötig ist, oder dass sich die Sehkraft erst im Alter verändert. Auch die Bedeutung der persönlichen Beratung, des handwerklichen Könnens und der individuell angepassten Sehhilfen steht im Zentrum aktueller Diskussionen – gerade in Zeiten, in denen technische Innovationen den Beruf zunehmend verändern.

Über diese Themen sprechen wir mit Herrn Teufl, Bundesinnungsmeister für Augenoptik und Kontaktlinsenoptik, der seine Perspektive als Experte aus langjähriger Praxis einbringt.

Sehtests im digitalen Zeitalter: Chancen, Risiken und die Rolle des Augenoptikers

Herr Teufl betont die Notwendigkeit, das Sehvermögen kontinuierlich zu überprüfen. „Veränderungen des Sehens treten oft schleichend auf und können oft auch nur ein Auge betreffen – man merkt es also gar nicht sofort. Regelmäßige Sehtests ermöglichen daher die frühzeitige Erkennung von Sehschwächen und anderen Auffälligkeiten.“

Gerade bei Kindern und jungen Erwachsenen sei dies entscheidend: Vor allem bei Kindern wird oft zu spät erkannt, dass sie nicht optimal sehen – meist, weil Eltern die Anzeichen nicht bemerken. Auch junge Erwachsene vernachlässigen ihre Augen häufig: Sie verbringen viel Zeit vor Bildschirmen, lassen ihr Sehvermögen aber selten kontrollieren. Und Männer mittleren Alters gehen generell eher ungern zur Vorsorge, was ebenfalls dazu führt, dass Veränderungen am Auge oft unentdeckt bleiben.“

Konkrete Empfehlungen gibt Herr Teufl auch: „Grundsätzlich sollte man alle ein bis zwei Jahre einen Sehtest beim Fachpersonal machen lassenbei Kindern am besten einmal jährlich. Wenn Sehprobleme auftreten oder sich etwas verändert, sollte man natürlich sofort einen Termin vereinbaren und nicht unnötig zuwarten – in der Hoffnung, dass die Probleme von alleine weggehen.“

Mythen über gutes Sehen

Ein großes Problem sind laut Herrn Teufl hartnäckige Irrtümer rund ums Sehen. „Sehr oft hören wir den Satz: ‚Ich sehe gut, also brauche ich keinen Sehtest.‘ Das stimmt so aber nicht, denn Veränderungen des Sehvermögens fallen vielen erst auf, wenn sie bereits deutlich sind.“

Auch über Fertigbrillen und altersbedingte Veränderungen räumt er auf: „Fertigbrillen sind höchstens eine kurzfristige Lösung und ersetzen keine individuell angepasste Sehhilfe. Und auch die Annahme, dass sich das Sehen nur im Alter verändert, hält sich hartnäckig – tatsächlich kann sich die Sehkraft in jedem Lebensabschnitt verändern.

Besonders ältere Männer setzen selten auf Vorsorge – doch die Dauerbelastung für die Augen durch Smartphones, Laptops und Co. kann sich auch im höheren Alter auf die Sehkraft auswirken. ©iStockphoto.com/andreswd

Moderne Technik im Augenoptikerberuf

Die technische Entwicklung in der Augenoptik hat laut Herrn Teufl die Arbeit deutlich verändert. Moderne Geräte ermöglichen heute deutlich präzisere Messungen und sorgen für schnellere Abläufe im Arbeitsalltag. Die Technik dient dabei als wertvolle Unterstützung – sie ersetzt aber nicht das Fachwissen oder die Erfahrung der Optikerinnen und Optiker. Durch den Einsatz neuester Messtechnik und KI-optimierter Produkte können wir heute Lösungen anbieten, die früher technisch nicht möglich waren – das führt zu einer spürbar höheren Kundenzufriedenheit.“

Dabei betont er, dass Technologie das Fachpersonal ergänzt, aber nicht ersetzt: „Künstliche Intelligenz kommt bereits als unterstützendes Tool bei Vermessungen und der Datenanalyse zum Einsatz. Sie kann Fachkräfte entlasten, ist aber noch keine verlässliche Alternative zum menschlichen Fachwissen. Die abschließende Einschätzung und Beratung durch die Optikerin bzw. den Optiker bleibt weiterhin entscheidend.“

Risiken von Apps und Online-Sehtests

Teufl warnt vor der alleinigen Nutzung digitaler Tests: „Wir sehen den Einsatz von KI sehr kritisch. Oft liefert sie ungenaue Ergebnisse und ersetzt keine fachliche Beratung. Sie kann vielmehr eine trügerische Sicherheit vorgaukeln. Zudem sind Fehlinterpretationen möglich und dadurch besteht ein Risiko für falsche Diagnosen.

Die Folgen, wenn Menschen ihre Augen nur digital testen, beschreibt er so: „Wenn Menschen ihre Augen ausschließlich mit Apps oder Automaten testen, besteht die Gefahr, dass ernste Erkrankungen übersehen werden. Es fehlt die ganzheitliche Betrachtung des Auges und eine individuelle Anpassung von Sehhilfen ist nicht möglich. Die objektive Brillenglas-Bestimmung stellt nur einen Teil der Beurteilung dar und ist daher unvollständig. In vielen Fällen kann sie sogar störend sein und führt nicht zu zielführenden Ergebnissen.“

Die zentrale Rolle persönlicher Beratung

Trotz technologischer Fortschritte bleibt die persönliche Beratung laut Herrn Teufl unverzichtbar: „Die persönliche Beratung wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Sie ermöglicht es, auf individuelle Bedürfnisse, Lebensstil und ästhetische Vorlieben einzugehen – etwas, das keine Maschine leisten kann. Gerade aufgrund steigender Anforderungen in Arbeit, Schule und Freizeit wird persönliche Beratung wahrscheinlich wichtiger denn je.“

Er unterstreicht: „Qualität und persönliche Beratung bleiben unersetzlich, ebenso wie Fachwissen, handwerkliches Können und das Vertrauen zwischen Kunde und Optiker. KI kann den Beruf unterstützen, aber niemals ersetzen – der Faktor Mensch auf beiden Seiten wird das wahrscheinlich nie zulassen.“

Handwerkliches Können bleibt entscheidend

Neben der Beratung spielt auch das handwerkliche Können eine große Rolle. Herr Teufl erklärt: „Handwerkliches Können bleibt unverzichtbar, weil jede Brille Maßarbeit ist. Passform, Komfort und Präzision lassen sich nur durch Handarbeit und eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden erreichen. Es ist die Kombination aus moderner Technik und fundiertem Fachwissen, die hochwertige Ergebnisse garantiert.“

Er betont, dass gerade die Verbindung von Technik, Fachwissen und Handwerk für die hohe Qualität von Sehhilfen sorgt – ein Aspekt, den digitale Tests allein nicht ersetzen können.

Zukunftsperspektiven für den Beruf

Herr Teufl gibt auch jungen Menschen Ratschläge, die eine Karriere in der Augenoptik anstreben: „Wer Augenoptiker:in werden möchte, sollte Leidenschaft sowohl für Technik als auch für den Umgang mit Menschen mitbringen. Freude an Präzision und Design ist ebenso wichtig. Der Beruf bietet eine zukunftssichere Perspektive und verbindet Sinn, Vielfalt und abwechslungsreiche Aufgaben – das macht ihn besonders attraktiv.“

Auch angesichts der Digitalisierung sieht er keine Bedrohung für den Beruf: „Nein, der klassische Optiker-Beruf ist durch Onlinehandel und KI nicht gefährdet. Qualität und persönliche Beratung bleiben unersetzlich. KI kann den Beruf unterstützen, aber niemals ersetzen.“

Regelmäßige Sehtests sind unverzichtbar, Mythen über gutes Sehen verbreitet und digitale Lösungen bieten Chancen, aber auch Risiken. Herr Teufl zeigt eindrucksvoll, dass persönliche Beratung, handwerkliches Können und fachliche Expertise auch in Zeiten moderner Technik und KI die zentrale Rolle in der Augenoptik bleiben. Digitale Tools können den Beruf ergänzen, aber niemals ersetzen. Für alle Altersgruppen gilt: Frühzeitige Kontrolle schützt das Sehvermögen und verbessert Lebensqualität, Sicherheit und Leistungsfähigkeit – und ein Augenoptiker bleibt dafür die vertrauenswürdige Anlaufstelle.

Ing. Mario Teufl, MSc. ist Bundesinnungsmeister und Kärntner Landesinnungsmeister für Augenoptik und Kontaktlinsenoptik

Bildquellen

  • Professioneller Sehtest der Augen: Daniel Balakov/ iStockphoto.com

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