Stress pur: Wer oder was bringt uns wirklich unter Druck?

Stress ist allgegenwärtig, doch in Österreich scheint er besonders stark zuzunehmen. Immer mehr Menschen fühlen sich überlastet, müde oder gereizt. Studien zeigen, dass nicht nur der Job, sondern auch private Sorgen das tägliche Leben belasten. Doch welche Faktoren belasten Österreicher:innen wirklich am meisten? Wir haben mit Lydia Meidlinger, psychosoziale Beraterin bei Mavie, über die neuesten Erkenntnisse gesprochen.

Stress im Alltag – wer kennt’s nicht?

Die neue Mavie-Studie zeigt klar, wo der Schuh drückt: 54 % der Befragten nennen das Berufsleben als größte Belastung. Meidlinger erklärt: „Beruflicher Stress überwiegt, weil viele Menschen täglich über mehrere Stunden hinweg hohen Anforderungen ausgesetzt sind. Arbeit bringt konkrete Deadlines, Leistungsdruck, Teamkonflikte und dauerhafte Erreichbarkeit mit sich – Faktoren, die schwer zu unterbrechen oder zu delegieren sind.“

Im Arbeitsalltag sind insbesondere enge Zeitpläne, Leistungsziele und zwischenmenschliche Konflikte Stressverstärker. Während private Sorgen wie Familie oder Finanzen belastend sein können, sind sie oft besser steuerbar. Deshalb empfinden viele Menschen die Arbeit als intensiver und schwerer kontrollierbar.

Geldsorgen und familiäre Belastungen: Die zweite Front

Finanzielle Unsicherheiten sind der zweitgrößte Stressfaktor. Meidlinger betont: „Sie sorgen für Unsicherheit, Zukunftsängste und zusätzlichen Druck im Alltag, etwa bei Rechnungen, Krediten oder laufenden Ausgaben.“

Familienbelastungen sind ähnlich bedeutsam. Konflikte in Partnerschaften, Spannungen zwischen Eltern und Kindern oder die Pflege von Angehörigen erhöhen den psychischen Druck. Fast ein Fünftel der Befragten gibt an, dass familiäre Sorgen besonders stressverstärkend wirken, weil sie emotional stark beanspruchen und sich oft schwer von der Arbeit oder anderen Verpflichtungen trennen lassen“, so Meidlinger.

Das Stresslevel steigt kontinuierlich

Die Daten zeigen: Das Stressempfinden in Österreich nimmt zu. 70 % der Menschen fühlen sich häufig oder sehr häufig unter Druck, ein Anstieg von 16 Prozentpunkten gegenüber 2024. „40 % berichten, dass ihr Stress in den letzten ein bis zwei Jahren zugenommen hat, während nur 14 % eine Abnahme wahrnehmen“, erklärt Meidlinger. Auch die Selbsteinschätzung der mentalen Gesundheit ist gesunken: Nur noch 48 % bewerten sie als (sehr) gut, 2024 waren es noch 60 %.

 

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Körperliche und psychische Folgen: Wenn Stress sichtbar wird

Stress hat vielfältige Auswirkungen auf Körper und Geist. Meidlinger fasst zusammen: „Häufig treten Reizbarkeit (49 %), Schlafstörungen (42 %), Überforderung (34 %) und Kopfschmerzen (33 %) auf. Etwa ein Drittel leidet zudem unter Muskelverspannungen und Konzentrationsproblemen. Frauen sind dabei besonders betroffen.“

Hoher Stress äußert sich auf körperlicher, emotionaler und mentaler Ebene. Typische Anzeichen sind Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Schlafstörungen, anhaltende Müdigkeit, Nervosität, Reizbarkeit und Konzentrationsprobleme. Auch sozialer Rückzug oder erhöhter Konsum von Kaffee oder Snacks kann ein Hinweis sein. Meidlinger rät: „Treten diese Symptome über längere Zeit auf oder beeinträchtigen sie den Alltag, sollten gezielt Strategien zur Stressbewältigung eingesetzt werden.“

Kurzfristig versus chronisch: Ein entscheidender Unterschied

Stress, der nicht von Dauer ist, ist eine natürliche Reaktion auf akute Belastungen und kann die Leistungsfähigkeit steigern. Dieser Kurzfristiger Stress kann unter anderem die Aufmerksamkeit steigern – chronischer Stress jedoch belastet das Nervensystem dauerhaft. Er erschöpft die kognitiven Ressourcen, stört Informationsverarbeitung und hemmt Gedächtnisfunktionen.

Ergebnis: Konzentration sinkt, Überforderung steigt und die Reizbarkeit nimmt zu. „Nach der Belastung normalisieren sich Körper und Psyche wieder“, erklärt Meidlinger. Chronischer Stress entsteht, wenn Belastungen über Wochen oder Monate anhalten oder Erholungsphasen fehlen. In diesem Zustand bleibt das Stresssystem dauerhaft aktiviert, was zu Erschöpfung, Schlafstörungen und emotionaler Instabilität führen kann. Langfristig belastet chronischer Stress die Gesundheit also sehr stark – Stimmungsschwankungen sind vorprogrammiert.

Schlaf und Energie: Ein Teufelskreis

Schlafprobleme sind ein besonders häufiges Stresssymptom. Meidlinger beschreibt: „Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin verhindern, dass man richtig zur Ruhe kommt. Man liegt abends im Bett, denkt an die Arbeit von morgen, kann nicht abschalten, dreht sich unruhig und ist am nächsten Tag noch erschöpfter.“
Dieser Teufelskreis beeinträchtigt Energie, Motivation und Freude an alltäglichen Dingen. Körperliche Beschwerden wie Verspannungen oder Kopfschmerzen verstärken die Belastung zusätzlich.

 

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Strategien zur Stressbewältigung: Was wirklich hilft

Trotz hoher Belastung greifen nur wenige Menschen professionelle Hilfe. „Viele scheuen den Schritt, weil Hemmschwellen oder Vorurteile im Weg stehen. Oft wissen Betroffene nicht, welche Angebote es gibt oder unterschätzen die Belastung für Körper und Psyche“, erklärt Meidlinger. Online- oder Videochat-Angebote machen professionelle Unterstützung inzwischen flexibler zugänglich.

Freunde, Familie und Bewegung sind einfache, aber effektive Mittel: Gespräche, gemeinsame Aktivitäten oder sportliche Betätigung helfen, Anspannung abzubauen. Altersunterschiede zeigen sich bei Strategien: Jüngere nutzen oft spontane Aktivitäten oder digitale Medien, Ältere setzen auf Routinen, Meditation und Yoga.

Stressmanagement als Schlüssel für Lebensqualität

Stress ist allgegenwärtig und betrifft die Mehrheit der Österreicher:innen. Präventive Maßnahmen sind deshalb besonders wirksam – regelmäßige Pausen im Arbeitsalltag, tägliche Bewegung, gesunde Ernährung, ausreichender Schlaf, Priorisierung von Aufgaben und soziale Kontakte wirken wie ein Puffer gegen Überlastung. Meidlinger rät: „Wer diese einfachen Gewohnheiten konsequent integriert, stärkt dauerhaft seine Widerstandskraft.“

Wer bemerkt, dass der Stress in den letzten Jahren zugenommen hat, sollte die eigenen Stressauslöser beobachten, kleine Alltagsänderungen einbauen und bei anhaltend hoher Belastung professionelle Unterstützung suchen, um mehr Klarheit, innere Ruhe und Lebensenergie zu gewinnen. Und das ist das Wichtigste, was wir haben können, um ein erfüllteres Leben zu führen.

Lydia Meidlinger, psychosoziale Beraterin bei Mavie

Bildquellen

  • Dauerstress: iStockphoto.,com/ shapecharge

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