Für viele Menschen gehört nüchtern sein zur Blutabnahme dazu – dabei ist es in vielen Fällen völlig unnötig. Sie moderne Labormedizin hat in den letzten Jahren herausgefunden, dass dein Frühstück viele Blutwerte kaum beeinflusst. Aber wann musst du wirklich nüchtern erscheinen, und bei welchen Tests kannst du dir das Fasten sparen?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Blutzuckermessungen erfordern zwingend Nüchternheit, da bereits kleine Nahrungsmengen die Werte stark verfälschen
- Als nüchtern gilt man, wenn man 8 bis 12 Stunden vor der Blutabnahme kein Essen, Wasser oder ungesüßten Tee konsumiert hat
- Cholesterinwerte können heute meist ohne Fasten gemessen werden, denn der Unterschied liegt nur bei etwa 4 mg/dl
- Für das kleine und große Blutbild ist keine Nüchternheit nötig, da Nahrung die Anzahl der Blutzellen nicht beeinflusst
Warum du bei einer Blutabnahme früher nüchtern sein musstest
Jahrzehntelang galt in der Labormedizin eine eiserne Regel: Vor der Blutabnahme wird gefastet, und zwar bei praktisch allen Untersuchungen. 12 Stunden ohne Essen waren der Standard, egal ob Cholesterin, Blutzucker oder andere Werte gemessen werden sollten.
Der Grund dafür war simpel – man wollte auf Nummer sicher gehen. Dein Körper reagiert auf jede Mahlzeit mit komplexen Stoffwechselprozessen, die verschiedene Blutwerte beeinflussen.
Wenn dein:e Ärzt:in morgens um 8 Uhr dein Blut untersucht und du vorher ein üppiges Frühstück hattest, während deine Nachbarin nüchtern kam, wären die Ergebnisse kaum vergleichbar.
Doch in den letzten Jahren hat die Forschung ein differenzierteres Bild gezeichnet. Nicht alle Blutwerte werden gleich stark durch Nahrung beeinflusst. Während manche Werte wie Raketen in die Höhe schnellen, sobald du einen Bissen Brot isst, bleiben andere stabil wie ein Fels in der Brandung.
So haben etwa internationale Studien gezeigt, dass die pauschale Empfehlung zum Fasten in vielen Fällen unnötig war – ein Paradigmenwechsel, der seit etwa 2016 die Labormedizin revolutioniert.
Der Blutzucker: Hier bleibt Nüchternheit Pflicht
Doch nicht alle Blutwerte sind von dieser Lockerung betroffen. So gibt es etwa beim Thema Blutzucker keinen Raum für Kompromisse. Will man diesen in einer Blutabnahme testen, dann nur auf nüchternen Magen.
Das liegt daran, dass dein Körper bereits auf kleinste Zuckermengen reagiert. Der Mechanismus dahinter ist relativ simpel: Sobald Kohlenhydrate in deinem Verdauungstrakt ankommen, werden sie zu Glukose aufgespalten und gelangen ins Blut. Deine Bauchspeicheldrüse schüttet daraufhin Insulin aus, das den Zucker in die Zellen schleust.
Was bei gesunden Menschen problemlos funktioniert, läuft bei Menschen mit Diabetes oder Prädiabetes anders ab. Ein Nüchternwert unter 100 mg/dl gilt als normal, zwischen 100 und 125 mg/dl deutet auf ein Prädiabetes hin, und Werte über 125 mg/dl lassen auf einen Diabetes schließen.
Diese feinen Unterschiede würden durch ein Frühstück komplett verwischt werden.
Die HbA1c-Ausnahme
Anders verhält es sich mit dem HbA1c-Wert, dem sogenannten Blutzuckergedächtnis. Dieser Wert bildet den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 8 bis 12 Wochen ab und wird daher durch dein Frühstück überhaupt nicht beeinflusst.
Das liegt daran, dass Zuckermoleküle sich über Wochen hinweg an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin binden – ein Prozess, der als Glykierung bezeichnet wird. Bei gesunden Menschen liegt dieser Wert unter 5,7 Prozent, während ab 6,5 Prozent die Diagnose Diabetes gestellt wird.
Cholesterin: nüchtern in die Blutabnahme?
Ähnliches gilt auch für das Cholesterin. Zwar galt jahrzehntelang die Regel, man müsse vor einer Blutabnahme nüchtern sein, die moderne Forschung zeigt allerdings, dass es auch anders geht:
So findet etwa eine Studie aus 2016, dass die Unterschiede zwischen nüchternen und nicht-nüchternen LDL-Cholesterinwerten nur bei etwa 0,2 mmol/l (8 mg/dl) liegen. Klinisch ist das meist vernachlässigbar. Auch das Gesamtcholesterin und das HDL-Cholesterin (das “gute” Cholesterin) bleiben nach dem Essen nahezu unverändert.
Modernere Studien zweifeln diese Erkenntnisse allerdings wieder an. So empfiehlt etwa eine 2024 erschienene Meta-Analyse, vor einem Test der Cholesterin-Werte doch wieder aufs Frühstück zu verzichten.
Warum du für Tryglicerid-Werte fasten musst
Bei einem weiteren Blutfett, den Trygliceriden, ist die Sache dann schon wieder deutlich eindeutiger. Denn nach einer Mahlzeit steigen diese Werte deutlich an, besonders nach fettreichem Essen.
Menschen mit bereits erhöhten Triglyceridwerten sollten also weiterhin nüchtern zur Blutabnahme erscheinen, da sonst stark verfälschte Ergebnisse drohen. Denn besonders bei Triglyceridwerten über 150 mg/dl ist Genauigkeit geboten: sind diese nämlich im nüchternen Zustand erhoben, ist das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.
Blutbild: Fast immer ohne Fasten möglich
Anders als bei den Blutfetten verhält es sich beim Blutbild deutlich unkomplizierter. Nüchternheit ist in der Regel nicht erforderlich.
Das liegt daran, dass die Anzahl deiner roten und weißen Blutkörperchen sowie die Blutplättchen durch Nahrungsaufnahme kaum beeinflusst werden. Diese Zellen schwimmen konstant in deinem Blut herum, egal ob du gerade gegessen hast oder nicht. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Bei Verdacht auf Eisenmangelanämie kann es sinnvoll sein, nüchtern zu erscheinen, da manche Eisen-Werte durch Nahrung leicht schwanken können.
Oft werden bei der Blutentnahme aber zwei Röhrchen abgenommen – eines für das Blutbild, eines für weitere Serumwerte. Frage daher vorher nach, ob zusätzliche Werte bestimmt werden sollen, die Nüchternheit erfordern.
Wie du für die Blutabnahme nüchtern wirst
Doch was ist, wenn du nun doch nüchtern erscheinen solltest? Worauf musst du besonders achten?
Wenn Nüchternheit tatsächlich erforderlich ist, bedeutet das konkret: Ab 20 Uhr am Vorabend nichts mehr essen. Am Morgen der Blutabnahme darfst du nur kleine Mengen Wasser oder ungesüßten Tee trinken.
Letzteres ist dabei nicht nur erlaubt, sondern sogar empfohlen, denn eine leichte Dehydrierung kann die Blutabnahme erschweren und manche Werte verfälschen.
Komplett tabu sind allerdings:
- Kaffee mit Milch oder Zucker (auch schwarzer Kaffee wird manchmal nicht empfohlen)
- Säfte, Limonaden und alle zuckerhaltigen Getränke
- Süßstoffe, Kaugummis und Bonbons
- Alkohol mindestens 24 Stunden vorher
- Nikotin mindestens 2 Stunden vorher
Medikamente und Nüchternheit
Und auch viele Dauermedikamente wie Schilddrüsenhormone sollten nach der Blutabnahme eingenommen werden, um die Messwerte nicht zu beeinflussen.
Dies gilt besonders für Präparate, deren Spiegel im Blut kontrolliert werden soll. Kläre das aber unbedingt vorher mit deiner Arztpraxis ab – manche Medikamente dürfen auf keinen Fall ausgelassen werden.
Frage den Arzt, ob du zur Blutabnahme nüchtern sein solltest
Am einfachsten ist es natürlich, wenn du bereits bei der Terminvereinbarung klärst, ob Nüchternheit erforderlich ist. So kannst du dir gegebenenfalls viel Mühe sparen. Denn deine Arztpraxis weiß genau, welche Werte untersucht werden sollen, und kann dir präzise Anweisungen geben.
Das erspart dir nicht nur unnötiges Fasten, sondern verhindert auch, dass Blutabnahmen wiederholt werden müssen, weil du fälschlicherweise gegessen hast.
Besonders wichtig ist die Rücksprache bei:
- Komplexen Vorsorgeuntersuchungen (Check-up 35+)
- Diabetes-Screenings und -Kontrollen
- Blutfettkontrollen bei bekannter Hyperlipidämie
- Untersuchungen der Leber- und Nierenwerte
- Vitamin– und Mineralstoffbestimmungen
Fazit: Nüchternheit zur Blutabnahme
Die Zeiten, in denen du für jede Blutabnahme hungrig und koffeinentzogen in der Arztpraxis sitzen musstest, neigen sich dem Ende zu. Moderne Labordiagnostik erlaubt bei vielen Werten eine flexible Handhabung, die dir mehr Komfort bietet und die medizinische Aussagekraft nicht beeinträchtigt.
Frage also gezielt nach, welche Werte bestimmt werden sollen, und spare dir unnötiges Fasten. So startest du entspannter in deinen Tag – und deine Laborwerte bleiben trotzdem aussagekräftig.
FAQs zu Blutabnahme und Nüchternheit
Darf ich vor der Blutabnahme Wasser trinken?
Ja, Wasser trinken ist bei jeder Blutabnahme erlaubt und sogar empfehlenswert. Es erleichtert die Blutentnahme und beeinflusst die Messwerte nicht.
Wie lange muss ich vor der Blutabnahme genau nüchtern sein?
Der Standard liegt bei 8 bis 12 Stunden ohne Nahrung. Länger als 12 Stunden solltest du nicht fasten, da dies ebenfalls die Werte verfälschen kann.
Kann ich meine Medikamente vor der Blutabnahme nehmen?
Das hängt vom Medikament und den zu untersuchenden Werten ab. Kläre dies unbedingt vorher mit deiner Arztpraxis, besonders bei Schilddrüsenhormonen oder anderen Präparaten, deren Spiegel kontrolliert werden soll.
Beeinflussen Stress und Aufregung die Blutwerte?
Ja, Stress kann vor allem das Cholesterin, den Blutdruck und den Blutzucker kurzfristig erhöhen. Versuche daher, vor der Blutabnahme mindestens 5 Minuten ruhig zu sitzen.
Brauche ich für eine Schilddrüsenuntersuchung Nüchternheit?
Für die meisten Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4) ist Nüchternheit nicht erforderlich. Wenn du jedoch Schilddrüsenhormone einnimmst, solltest du diese erst nach der Blutabnahme nehmen, um die Messung nicht zu verfälschen.
Bildquellen
- Blutabnahme nüchtern: iStockphoto.com/ Brothers91

