Es gibt kaum noch einen Arbeitsplatz ohne Computer, Smartphone oder Tablet. Ob im Büro, im Homeoffice oder in der Freizeit – unsere Augen verbringen täglich viele Stunden vor Bildschirmen. Doch was macht das eigentlich mit ihnen? Wie sehr belastet Blaulicht unsere Gesundheit? Und welche Mythen über Bildschirmarbeit halten sich hartnäckig? Antworten darauf gibt Sophie Grimm-Gaertner, B.Sc. Optometristin, Augenoptikermeisterin und Kontaktlinsenoptikerin bei Optik Gaertner in Innsbruck.
So belastend ist Bildschirmarbeit wirklich
„Typische Probleme sind trockene, brennende oder gerötete Augen“, berichtet Grimm-Gaertner. Viele von uns kennen auch verschwommenes oder unscharfes Sehen nach einem langen Arbeitstag am PC. Doch die Folgen gehen oft über das reine Sehen hinaus: „Bei zusätzlich falscher Körperhaltung sind Kopfschmerzen und Verspannungen im Nacken-Schulterbereich keine Seltenheit.“
Warte nicht, bis deine Augen brennen oder das Sehen schon richtig unscharf wird. Ein Sehtest lohnt sich viel früher. „So kann man frühzeitig erkennen, ob eine Fehlsichtigkeit oder eine Neigung zu trockenen Augen vorliegt“, erklärt Sophie Grimm-Gaertner. Der Vorteil liegt auf der Hand: „Auf diese Weise lassen sich die Augen rechtzeitig entlasten und dauerhaft besser schützen.“
Wie gefährlich ist Blaulicht?
Kaum ein Thema sorgt in der digitalen Arbeitswelt für so viel Diskussion wie Blaulicht. Ist es tatsächlich gefährlich? Die Expertin erklärt: „Entscheidend ist die Menge – die Dosis macht das Gift.“ Blaulicht wird oft verteufelt, doch auch es hat eine wichtige Funktion. Es steuert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, indem es die Ausschüttung des Hormons Melatonin hemmt. So bleiben wir tagsüber wach und konzentriert.
Problematisch wird es allerdings, wenn die Belastung zu hoch oder zur falschen Tageszeit erfolgt. „Bei dauerhafter und übermäßiger Belastung kann dies den natürlichen Biorhythmus stören, was indirekt mit verschiedenen Gesundheitsrisiken wie Schlafstörungen, Hornhautreizungen oder sogar Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird.“
Damit rückt Blaulicht in eine Doppelrolle: tagsüber fördert es Leistungsfähigkeit, abends kann es hingegen die dringend nötige Entspannung und den Schlaf blockieren.
Blaulichtfilter-Brillen – sinnvoll oder Modeerscheinung?
Der Markt boomt: Blaulichtfilter-Brillen sind inzwischen in fast jedem Optikgeschäft erhältlich. Doch sind sie wirklich für alle nützlich? „Das ist sehr individuell“, sagt Grimm-Gaertner.
Ihrer Erfahrung nach hängt der Nutzen stark von der Empfindlichkeit der Augen und der täglichen Bildschirmzeit ab. Besonders in den Abendstunden könne es hilfreich sein, den Blaulichtanteil von Monitoren oder Smartphones zu reduzieren. Viele Geräte bieten mittlerweile ohnehin integrierte Funktionen wie einen Nachtmodus oder eine automatische Anpassung der Farbtemperatur.
Allerdings macht die Augenoptikerin auch auf einen Haken aufmerksam, den viele übersehen: „Bei farbkritischen Tätigkeiten, etwa in der Grafik- oder Bildbearbeitung, können Blaulichtfilter die Farbwahrnehmung verändern.“ Ein nützliches Tool also – aber nicht für jede Art von Bildschirmarbeit geeignet.
Praktische Tipps gegen digitale Augenbelastung
Deine Augen lassen sich schon mit kleinen Schritten im Alltag entlasten. Die Expertin rät zu folgenden Maßnahmen:
- 20-20-20-Regel: Alle 20 Minuten für 20 Sekunden auf ein Objekt in ca. 20 Metern Entfernung schauen. Das entspannt die Augen und beugt Müdigkeit vor.
- Bewusst blinzeln: Am Bildschirm blinzeln wir viel seltener – dadurch trocknen die Augen aus. Achte bewusst darauf.
- Feuchtigkeit: Viel trinken und für gute Raumluft sorgen – das hält die Augen frisch.
- Nachtmodus nutzen: Viele Geräte bieten eine Funktion, die den Blaulichtanteil reduziert. Besonders abends sehr empfehlenswert.
- Gute Beleuchtung: Der Raum sollte hell genug sein, aber ohne direkte Blendung am Monitor.
- Bildschirm-Einstellungen anpassen: Helligkeit, Kontrast und Schriftgröße so einstellen, dass es angenehm für dich ist.
- Ergonomie: Eine passende Sitzposition und die richtige Bildschirmhöhe sind wichtig, um Nacken und Augen zu entlasten.
Weitere hilfreiche Tipps zur Arbeitsplatzgestaltung findest du im Factsheet der AUVA.
Wie sinnvoll sind Brillen mit UV-Schutz?
Viele Menschen denken bei Sonnenbrillen ausschließlich an den Sommerurlaub am Strand. Doch Expertin widerspricht: „Auch im Innenraum können UV-Schutzbrillen sinnvoll sein – insbesondere, wenn der Arbeitsplatz in der Nähe von Fenstern liegt und viel Tageslicht einfällt.“ Sie schützen die Augen nicht nur vor schädlicher Strahlung, sondern mindern auch Blendung und beugen Augenbelastungen vor.
Ein weiteres Thema sind Polarisationsbrillen. Sie filtern reflektiertes Licht von glatten Oberflächen, verbessern Kontraste und steigern den Sehkomfort. „Das ist besonders beim Autofahren und bei Outdoor-Sportarten sehr hilfreich“, erklärt Grimm-Gaertner. Allerdings können solche Gläser LCD-Displays schwerer lesbar machen – ein Punkt, der vor allem für Autofahrer:innen mit digitalen Anzeigen wichtig ist.
Kombination von Schutzfunktionen
Viele Brillengläser bieten inzwischen gleich mehrere Schutzfunktionen. Grimm-Gaertner bestätigt: „Viele Kunststoffgläser enthalten bereits ein Material, das UV-Strahlung absorbiert. Ein zusätzlicher Blaulichtfilter wird meist als spezielle Beschichtung aufgetragen. So lässt sich beides kombinieren und man hat umfassenden Schutz.“
Ob sich eine solche Investition lohnt, hängt jedoch stark vom individuellen Einsatzbereich ab. „Am besten lässt man sich von einer/einem Fachoptiker:in beraten und erklärt genau die eigenen Sehbedürfnisse.“ Passende Expert:innen findest du übrigens auch einfach über die Suchplattform für Optiker und Hörakustiker: scharfsinn2.at
Mythen über Bildschirmarbeit – was stimmt wirklich?
In der Diskussion rund um digitale Augenbelastung kursieren zahlreiche Halbwahrheiten. Grimm-Gaertner räumt auf: „Blaues Licht ist nicht grundsätzlich schädlich – es spielt eine wichtige Rolle für unseren circadianen Rhythmus und hilft, wach und leistungsfähig zu bleiben.“
Ein weiterer Irrglaube sei die Annahme, ein heller Bildschirm sei automatisch besser für die Augen. „In Wirklichkeit kann ein zu heller Bildschirm blenden und die Augen zusätzlich belasten.“
Auch außerhalb der Arbeit wichtig: bewusste Entlastung
Nicht nur am Arbeitsplatz, auch in der Freizeit sollten die Augen regelmäßig entlastet werden. „Die Augen profitieren von regelmäßiger Entlastung auch außerhalb der Arbeit, um Trockenheit, Ermüdung und Kopfschmerzen vorzubeugen und die Sehkraft langfristig zu stabilisieren“, unterstreicht die Expertin.
Besonders wertvoll ist dabei der Aufenthalt im Freien: Tageslicht in Maßen stärkt nicht nur das Wohlbefinden, sondern fördert auch die gesunde Entwicklung der Augen – bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen.

