“Das werd ich wohl noch fühlen dürfen”: Warum unterdrückte Gefühle krank machen

Gefühle sind enorm wichtig für unseren Alltag: Sie zeigen uns, was uns wichtig ist, helfen uns, Entscheidungen zu treffen und verbinden uns mit anderen. Gleichzeitig lernen viele Menschen schon früh, Emotionen zu unterdrücken, um Erwartungen zu erfüllen oder einfach „funktionieren“ zu können.

Die Folgen sind gravierend: Unterdrückte Gefühle können psychische und körperliche Beschwerden hervorrufen, Beziehungen belasten und das Leben insgesamt erschweren.

Frau Dr. Katharina Pommer, Psychologin, Autorin und Podcasterin, erklärt in ihrem neuen Buch “Das werd ich wohl noch fühlen dürfen”, wie Menschen wieder Zugang zu ihren eigenen Emotionen finden, innere Stabilität zurückgewinnen und ihre Gefühle als Ressource nutzen können. Mit über 20 Jahren Praxiserfahrung bietet sie praxisnahe, wissenschaftlich fundierte Ansätze für einen gesunden Umgang mit Emotionen.

Gefühle erkennen und lernen, mit ihnen umzugehen

Die erfolgreiche Autorin erzählt, dass sie in ihrer Praxis über zwei Jahrzehnte beobachtet hat, wie viele Menschen ihre Gefühle runterschlucken, um funktionieren zu können. Gleichzeitig hätten die Krisen der letzten Jahre den Druck auf viele noch verstärkt: Menschen seien erschöpft, reizbar oder innerlich leer, ohne zu verstehen, warum.

„Ich habe in meiner Praxis 20 Jahre erlebt, wie Menschen ihre Gefühle runterschlucken, weil sie glauben, funktionieren zu müssen,“ so Katharina Pommer

Ihr Ziel war es, ein Buch zu schreiben, das Menschen hilft, wieder zu sich selbst zu finden – nicht über mentale Tricks, sondern über ehrlichen Zugang zu den eigenen Empfindungen. Sie richtet sich an Menschen, die nach außen stark wirken, innerlich aber kaum noch Raum für sich selbst haben – und auch an deren Umfeld. Wer merkt, dass das Nicht-Fühlen langfristig teuer wird – etwa für Gesundheit oder Beziehungen – soll durch das Buch Orientierung finden.

Gesellschaftliche Normen: Warum wir oft nicht fühlen

Pommer erklärt, dass viele von uns früh darauf geprägt werden, sich zusammenzureißen. „Viele haben gelernt, dass Ruhe und Selbstbeherrschung besser ankommen als Ehrlichkeit,“ sagt sie. Dieses Muster führt oft dazu, dass Menschen innerlich nicht mehr präsent sind, auch wenn sie nach außen stabil wirken.

Besonders Wut, Angst und Trauer werden häufig unterdrückt:

„Wut gilt als unbeherrscht, Angst als schwach, Trauer als unpassend“

Doch diese Gefühle haben wichtige Funktionen: Wut schützt Grenzen, Angst signalisiert Überlastung, Trauer zeigt, was uns wichtig ist. Wer diese Signale ernst nimmt, kann Emotionen als Orientierung nutzen, statt sie zu verdrängen.

 

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Dauerhaft unterdrückt: Wenn Gefühle krank machen

Unterdrückte Emotionen können ernsthafte körperliche Beschwerden hervorrufen. Pommer sagt: „Viele spüren dann Müdigkeit, Anspannung, innere Unruhe oder ein Gefühl von Leere. Der Klassiker sind Rücken oder Bauchschmerzen.“, so Pommer.

Doch die Auswirkungen sind nicht nur körperlich. Beziehungen leiden, weil Nähe häufig als Last empfunden wird. Die Expertin betont, dass dies kein Charakterproblem ist, sondern Ausdruck eines Nervensystems, das lange allein regulieren musste. Menschen wirken funktional, sind aber innerlich nicht verbunden.

Zugang zu den eigenen Gefühlen zurückgewinnen

Katharina Pommer rät, den Zugang zu Emotionen über den Körper zu suchen. „Die einfache Frage ‚Was spüre ich gerade?‘ wirkt in der Amygdala, dem Zentrum für Angst, schon beruhigend,“ erzählt sie. Gefühle zeigen sich zuerst körperlich – als Druck, Hitze, Enge oder Zittern. Wer diese Signale wahrnimmt, kann innere Spannungen lösen und Klarheit gewinnen.

Das bewusste Wahrnehmen von Emotionen führt zu klareren Entscheidungen und reduziert die Gefahr, in ungesunde Muster zu geraten. Emotionen sind nicht nur Warnsignale, sondern bieten Orientierung für das eigene Leben.

Emotionen als Ressource nutzen

Die erfolgreiche Podcasterin beschreibt Emotionen als Ressource – Wer seine Gefühle ernst nimmt, handelt bewusster und kann Konflikte besser meistern:

„Emotionen zeigen uns, was uns wichtig ist. Sie geben Hinweise darauf, ob wir zu weit gegangen sind, ob wir Bedürfnisse übergangen haben oder ob wir uns schützen müssen.“

Katharina Pommer unterscheidet zwischen Emotionen – schnellen körperlichen Reaktionen – und Gefühlen, die entstehen, wenn diese Reaktionen eingeordnet und bewertet werden. Pommer arbeitet mit acht Basisemotionen: Freude, Angst, Wut, Trauer, Ekel, Überraschung, Scham und Verachtung – sie bilden die Grundlage aller Erfahrungen.

Bewusstes Fühlen stärkt Beziehungen, anstatt sie zu sabotieren

Bewusstes Fühlen wirkt sich direkt auf Beziehungen aus. „Wenn wir wissen, was in uns vorgeht, reagieren wir weniger aus Anspannung oder Überforderung,“ erzählt Pommer. Unterdrückte Emotionen werden häufig auf andere projiziert, was Konflikte erzeugt. Wer lernt, Gefühle wahrzunehmen und klar zu kommunizieren, übernimmt Verantwortung für sein Handeln, verletzt andere weniger und kann empathischer zuhören.

Durch bewusstes Fühlen lassen sich Bedürfnisse klarer äußern, ohne dass andere angegriffen werden. Das reduziert Konflikte und verbessert die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen erheblich.

How to: Praktische Übungen für den Alltag

Pommer empfiehlt kleine, körperorientierte Pausen. „Eine davon dauert 20 bis 30 Sekunden: kurz atmen, Füße spüren, benennen, was im Körper auftaucht,“ erklärt sie. Solche Mini-Pausen helfen, aus dem Funktionsmodus auszusteigen, innere Orientierung zurückzugewinnen und Stress abzubauen.

Auch Selbstmitgefühl spielt eine entscheidende Rolle. Wer seine Gefühle wahrnimmt, ohne sich dafür zu verurteilen, kann Stress besser regulieren und innere Stabilität aufbauen.

 

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Emotionen im Beruf, Alltag und gesellschaftlichen Kontext

Pommer erklärt, dass Emotionen im Beruf und Privatleben unterschiedlich gehandhabt werden müssen: „Gefühle verschwinden ja nicht, nur weil man die Tür zum Büro schließt.“ Transparenz, Vertrauen und sichere Räume sind entscheidend, um Emotionen offen zeigen zu können.

Gesellschaftlich wünscht sie sich einen Umgang, in dem Emotionen nicht als Störung gelten und individuelle Bedürfnisse ernst genommen werden. Wer wieder fühlen darf, wird ruhiger, klarer und verbundener – privat, beruflich und gesellschaftlich.

Persönliche Einblicke: Gefühle als Wegweiser für ein erfülltes Leben

Pommer erzählt, dass sie als Mutter von fünf Kindern und erfolgreiche Psychologin oft mehr auf andere achtete, als auf sich selbst: „Es kann schnell passieren, dass man mehr damit befasst ist, zu schauen, wie geht es allen um mich herum, statt zu schauen: wie geht es mir.“

Aufgewachsen auf einem Bauernhof lernte sie früh, stark zu sein, erkannte aber später, wie wichtig der Kontakt zu den eigenen Gefühlen ist. Besonders belastend seien Momente, in denen Verantwortung für andere getragen wird oder mehrere Krisen gleichzeitig auftreten. Wer seine inneren Signale kennt, kann alte Muster unter Druck besser vermeiden. Ihr Buch bietet Orientierung, wie man wieder zu sich selbst zurückfindet, ohne sich zu verlieren.

Katharina Pommer zeigt, dass der bewusste Umgang mit Emotionen zu innerer Stabilität, Gesundheit und erfüllten Beziehungen führt. Emotionen sind also keine Störfaktoren, sondern Wegweiser für ein bewusstes und erfülltes Leben. Wer sie konstruktiv nutzt, begegnet den Herausforderungen des Lebens mit Klarheit, Ruhe und Verbindung.

Dr. Katharina Pommer ist Psychologin und Familientherapeutin mit Schwerpunkt Bindung, außerdem Vortragende und Podcasterin. Sie unterstützt Menschen bei emotionalen Herausforderungen und ist regelmäßig in Medien wie ARD, ORF, Die Welt und Brigitte präsent. Mit Empathie und Klarheit vermittelt sie komplexe Themen und motiviert zu persönlicher Veränderung.

Bildquellen

  • Gefühle unterdrücken: iStockphoto.com/ EmirMemedovski

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