“Gender Sleep Gap”: Warum Frauen nachts wach liegen

Warum schlafen Frauen schlechter?

Gender Sleep Gap

Frauen schlafen weniger als Männer – und das hat nichts mit Zufall zu tun. Der sogenannte Gender Sleep Gap beschreibt genau dieses Phänomen: Frauen – insbesondere jene mit Familie – schlafen im Durchschnitt 30 Minuten weniger pro Nacht. Doch es bleibt nicht bei der reinen Schlafdauer – der Schlaf von Frauen ist auch oft weniger erholsam.

Unruhige Nächte, häufiges Wachwerden und das Gefühl, nicht wirklich ausgeruht aufzuwachen, sind leider keine Seltenheit. Warum das so ist? Dieser Frage sind Expert:innen beim IKEA Good Morning Talk auf den Grund gegangen.

Warum Frauen nachts schlechter abschalten

Eine Studie von IKEA Österreich, die 3.000 Menschen zum Thema Schlaf befragt hat, liefert möglicherweise die Antwort darauf. Das Ergebnis der Studie: Für 53 % der weiblichen Teilnehmer:innen spielt besonders der Mental Load eine entscheidende Rolle beim schlechteren Schlaf. Während Männer nach der Arbeit oft abschalten, übernehmen Frauen weiterhin die unsichtbare Verantwortung für Haushalt, Kinderbetreuung und emotionale Fürsorge.

Eva-Maria Schmidt vom Österreichischen Institut für Familienforschung beschreibt das Problem so: „Putzen, Kochen oder Wäsche machen sind sichtbare Aufgaben. Doch was wirklich anstrengend ist, ist die kognitive und emotionale Last – das ständige Sich-Sorgen-Machen, Planen und Koordinieren.“

Diese unsichtbare Arbeit führt dazu, dass viele Frauen auch in der Nacht nicht abschalten können. „Man kann mit dem Bügeln aufhören, aber nicht mit den Gedanken an alles, was noch zu erledigen ist“, betont Schmidt. Die mentale Belastung bleibt bestehen, auch wenn die praktischen Aufgaben erledigt sind.

Dieses ständige gedankliche Weiterarbeiten kostet Energie und verhindert einen tiefen, erholsamen Schlaf. Frauen sind dadurch häufiger von Einschlafproblemen und nächtlichem Grübeln betroffen, was zu chronischer Erschöpfung führen kann.

Frau liegt schlaflos im Bett
Für viele Frauen ist es die unsichtbare Verantwortung, die ihnen das Einschlafen erschwert

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Mental Load: Unsichtbare Verantwortung, sichtbare Erschöpfung

Maria Rauch-Kallat beschreibt Österreich als „extrem konservatives Land mit jahrhundertealten Rollenbildern“. Diese seien nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch tief in den Frauen selbst verankert. Das bedeutet, dass Frauen oft nicht nur genauso viel wie Männer im Beruf arbeiten, sondern zusätzlich die Hauptverantwortung für Haushalt, Kinderbetreuung und emotionale Fürsorge tragen. Selbst wenn Paare versuchen, die Familienarbeit gerecht aufzuteilen, bleibt der Mental Load oft bei den Frauen.

„Wir Frauen müssen uns davon lösen, für alles verantwortlich zu sein“, sagt Rauch-Kallat. Das bedeutet auch, das schlechte Gewissen abzulegen. „Frauen fühlen sich oft schuldig, wenn sie nicht alles perfekt erledigen. Doch das ist nicht notwendig – vor allem nicht, wenn man einen Partner hat, der helfen könnte.“

Der wissenschaftliche Blick: Wie Schlafmangel Frauen schadet

Schlafexperte Manuel Schabus von der Universität Salzburg warnt: „Alles, was emotional oder kognitiv anregt, stört den Schlaf. Und schlechter Schlaf verstärkt wiederum den Stress – ein Teufelskreis.“

Besonders besorgniserregend sind die langfristigen gesundheitlichen Folgen: „Zwei Drittel der Frauen sind von Schlaflosigkeit betroffen, verglichen mit nur einem Drittel der Männer“, sagt Schabus. Chronischer Schlafmangel kann zudem die Lebenserwartung reduzieren. Studien zeigen, dass Männer mit weniger als sieben Stunden Schlaf 4,7 Jahre kürzer leben, Frauen 2,7 Jahre.

Neben der reduzierten Lebenserwartung steigen auch gesundheitliche Risiken. Schlafmangel fördert neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Demenz. „Wer dauerhaft schlecht schläft, hat ein um 2,5-fach erhöhtes Risiko, an solchen Krankheiten zu erkranken“, erklärt Schabus.

Auch Depressionen, Burnout und Angststörungen treten bei chronischem Schlafmangel häufiger auf. Zudem zeigt sich, dass bereits zwei Nächte mit weniger als 6,5 Stunden Schlaf die kognitive Leistungsfähigkeit so stark beeinträchtigen wie ein Alkoholpegel von 0,5 Promille.

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Was Frauen gegen Schlafmangel tun können

Laut Schabus ist Entspannung der Schlüssel: „Meditation, Muskelentspannung oder Fantasiereisen helfen nachweislich beim Einschlafen.“ Wichtig sei es, feste Schlafroutinen zu entwickeln, bei denen der Körper lernt, zur gleichen Zeit herunterzufahren.

Alkohol hingegen sei eine schlechte Lösung: „Ein Glas Wein mag kurzfristig beruhigen, sorgt aber dafür, dass man in der Nacht häufiger aufwacht und weniger tief schläft.“ Der Schein der Entspannung trügt – denn Alkohol beeinträchtigt die Schlafqualität und führt zu verstärkter Müdigkeit am nächsten Tag.

Auch die Schlafgewohnheiten innerhalb der Partnerschaft spielen eine Rolle. Eine überraschende Erkenntnis aus Studien: „Männer schlafen mit Frauen besser, Frauen mit Männern schlechter.“ Frauen wachen in gemeinsamen Betten häufiger auf, da sie sensibler auf Bewegungen und Geräusche reagieren. Vielleicht wäre getrenntes Schlafen eine Lösung? In vielen Fällen kann ein eigenes Bett oder sogar ein eigenes Schlafzimmer für erholsameren Schlaf sorgen.

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Gleichberechtigung am Arbeitsplatz als Schlüsselfaktor

Doch nicht nur Frauen selbst müssen gegen den Schlafmangel kämpfen – auch Arbeitgeber können ihren Teil zur Lösung beitragen, meint Catharina Fendt, Country Communication Manager bei IKEA Österreich: „Unternehmen können viel tun, um Gleichberechtigung zu fördern – gleiche Bezahlung, flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten sind essenziell.“

IKEA geht hier mit gutem Beispiel voran: „Wir bieten Führungspositionen in Teilzeit ab 30 Wochenstunden an, ermöglichen Job-Sharing-Modelle und achten auf die psychische Gesundheit unserer Mitarbeiter:innen.“ Unternehmen, die familienfreundliche Strukturen schaffen, helfen nicht nur Frauen, sondern auch Vätern, sich gleichberechtigt in die Familienarbeit einzubringen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die finanzielle Absicherung von Frauen. Maria Rauch-Kallat, ehemalige österreichische Bundesministerin, fordert schon lange, dass Frauen sich frühzeitig um ihre Altersvorsorge kümmern. „Ich höre nie auf zu predigen, dass Frauen bitte an ihre Pension denken sollen – und zwar schon mit 20, 25 oder 30 Jahren“, betont sie. Denn finanzielle Sicherheit trägt dazu bei, dass Frauen langfristig weniger Stress haben und sich nicht ausschließlich auf einen Partner verlassen müssen.

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Gender Sleep Gap ist ein gesellschaftliches Problem

Der Gender Sleep Gap ist kein individuelles Versagen, sondern eine strukturelle Ungerechtigkeit, die verändert werden kann. Frauen müssen sich vom schlechten Gewissen befreien – und Männer müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen. Arbeitgeber und Politik sind gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine echte Gleichberechtigung ermöglichen.

Denn eines ist klar: Eine gerechte Verteilung der Last führt nicht nur zu mehr Schlaf für Frauen – sondern zu einer besseren Lebensqualität für alle.

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