Müdigkeit, Schwächegefühl, manchmal ein seltsames Kribbeln – Symptome, die fast jeder von uns kennt und meist als Stress oder zu wenig Schlaf abtut. Doch hinter diesen alltäglichen Beschwerden kann sich ein stiller Killer verbergen: ein Kalium-Überschuss. Dieser unsichtbare Feind arbeitet heimlich und kann ohne Vorwarnung dein Herz zum Stillstand bringen. Doch wann wird ein erhöhter Kaliumwert zur Gefahr, welche Warnsignale sendet dein Körper und was kannst du dagegen tun?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Hyperkaliämie beginnt bereits ab 5,0 mmol/l im Blutserum, während Werte über 6,5 mmol/l als schwere Form gelten und das Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen stark ansteigen lassen
- 40-50% aller Patient:innen mit chronischer Niereninsuffizienz entwickeln einen Kalium-Überschuss, während er in der Normalbevölkerung nur 2-3% betrifft
- Die Sterblichkeit steigt bereits ab einem Kalium-Wert von 5,5 mmol/l deutlich an, bei Patient:innen mit Bluthochdruck reichen schon 5,0 mmol/l
- Häufigste Ursachen sind Nierenerkrankungen und Medikamente wie ACE-Hemmer oder kaliumsparende Diuretika, die für 10-38% der hohen Kaliumwerte bei hospitalisierten Patient:innen verantwortlich sind
- Die meisten Betroffenen spüren zunächst keine Symptome, weshalb die Erkrankung oft als Zufallsbefund entdeckt wird und regelmäßige Kontrollen bei Risikopatient:innen entscheidend sind
Was ist Kalium und warum kann zu viel davon gefährlich werden?
Kalium gehört zu den wichtigsten Elektrolyten in deinem Körper und fungiert als unsichtbarer Dirigent für zahlreiche Lebensprozesse. Dieses Mineral steuert die elektrische Erregung deiner Nerven- und Muskelzellen, reguliert den Flüssigkeitshaushalt und sorgt dafür, dass dein Herz im richtigen Takt schlägt.
Der normale Kaliumspiegel im Blut liegt zwischen 3,6 und 5,0 mmol/l. Von einer Hyperkaliämie, also einem Kalium-Überschuss, sprechen Mediziner:innen ab Werten von 5,0 bis 5,4 mmol/l. Und obwohl kleine Abweichungen vom Idealwert kaum gefährlich sind, kann ein erhöhter Kaliumspiegel auf eine unterliegende Erkrankung hindeuten. Ab einem Wert von 6,5 mmol/l spricht man hingegen von einem Notfall. Hier kann es zu schweren Nebenwirkungen am Herzen kommen – von Rythmusstörungen bis zum Herzstillstand.
Wie häufig kommt ein Kalium-Überschuss vor?
Anders als man vermuten könnte, ist ein Kalium-Überschuss keineswegs selten – vor allem wenn man zu gewissen Risikogruppen gehört. Denn Bei Notfallpatient:innen liegt die Häufigkeit einer Hyperkaliämie laut dem Gesundheitslexikon Doc Medicus zwischen 1,8 und 10,4%, während sie bei Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz auf bis zu 40% ansteigt. Besonders alarmierend sind die Zahlen bei Nierenerkrankungen:
So entwickeln bis zu 73% aller Betroffenen mit chronischer Niereninsuffizienz einen Kalium-Überschuss. Diese dramatischen Unterschiede zeigen, dass bestimmte Grunderkrankungen das Risiko für einen gefährlich hohen Kaliumspiegel erheblich erhöhen.
Wie gefährlich ein solcher Überschuss sein kann, zeigt dabei eine amerikanische Studie mit 36.359 Patient:innen: Bereits Kaliumwerte über 5,5 mmol/l bei niereninsuffizienten Patient:innen sind mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden.
Warum steigt dein Kaliumwert?
Ein Kalium-Überschuss entsteht nicht von heute auf morgen, sondern entwickelt sich meist schleichend über Monate oder Jahre.
Die Hauptursache liegt häufig in einer gestörten Kaliumausscheidung über die Nieren. Gesunde Nieren filtern täglich überschüssiges Kalium aus dem Blut und scheiden es über den Urin aus. Funktionieren sie nicht mehr optimal, sammelt sich das Mineral im Körper an.
Und auch gewisse Medikamente können zu einer Hyperkaliämie führen. So treiben manche Blutdrucksenker (ACE-Hemmer, ATI-Antagonisten) und kaliumsparende Diuretika den Kalium-Wert nach oben. Diese Herzmedikamente sind zwar lebensrettend bei Herzinsuffizienz oder Bluthochdruck, können aber die Kaliumausscheidung stark beeinträchtigen. Kritisch wird es vor allem bei Kombinationstherapien, da sich die kaliumsteigernden Effekte verstärken.
Neben Nierenproblemen und Medikamenten können auch andere Faktoren zu erhöhten Kaliumwerten führen. Denn geschädigte Zellen können ihr intrazelluläres Kalium freisetzen. Dies passiert etwa bei Tumorzerfall, schweren Verbrennungen oder massiver Muskelzerstörung.
Auch eine extreme kaliumreiche Ernährung mit täglich großen Mengen an Bananen, Kartoffeln oder Nahrungsergänzungsmitteln kann bei empfindlichen Menschen zu Problemen führen, wobei dies deutlich seltener vorkommt.
Symptome eines Kalium-Überschusses
Obwohl die Ursachen also vielfältig sind, bleibt ein Problem bestehen: Viele Betroffene merken zunächst nichts von ihrem erhöhten Kaliumspiegel. Denn eine der tückischsten Eigenschaften des Kalium-Überschusses ist seine Symptomarmut bei milden Erhöhungen.
Man spürt über Monate oder Jahre schlichtweg nichts von ihrem erhöhten Kaliumspiegel, weshalb die Erkrankung oft nur zufällig bei Routineblutuntersuchungen entdeckt wird. Diese scheinbare Harmlosigkeit täuscht jedoch über die realen Gefahren hinweg.
Erste Warnsignale einer Hyperkaliämie:
- Muskelschwäche
- Anhaltende Müdigkeit
- Kribbeln in Armen und Beinen
- Pelziges Gefühl auf der Zunge
- Magen-Darm-Probleme wie Koliken, Übelkeit oder Durchfälle
Da diese Symptome auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten, wird der Zusammenhang mit dem Kaliumspiegel oft übersehen.
Kalium und das Herz
Die wirklich bedrohlichen Symptome betreffen jedoch das Herz. Ab Werten über 5,5 mmol/l können Herzrhythmusstörungen auftreten, die sich als Herzklopfen, unregelmäßiger Puls oder Schwindel bemerkbar machen.
Bei sehr hohen Spiegeln über 6,5 mmol/l drohen sogar lebensbedrohliche Komplikationen wie Kammerflimmern oder kompletter Herzstillstand. Ab 6,5 mmol/l steigt das Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien dramatisch an.
Da körperliche Symptome oft ausbleiben, bis es zu spät ist, sind objektive Messverfahren umso wichtiger. Das Elektrokardiogramm (EKG) liefert oft die ersten objektiven Hinweise auf einen gefährlichen Kalium-Überschuss, noch bevor der Patient selbst Beschwerden bemerkt.
Falsche Panik durch Messfehler
Doch nicht jeder erhöhte Kaliumwert bedeutet automatisch eine echte Hyperkaliämie. Pseudohyperkaliämien durch Fehler beim Bluttest sind häufiger als gedacht und können zu unnötiger Panik und Fehlbehandlungen führen. Die häufigste Ursache ist eine unsachgemäße Blutentnahme, bei der die roten Blutkörperchen während der Probengewinnung zerstört werden.
Zu langes Stauen vor der Punktion, exzessives “Faustballen” oder zu enge Kanülen führen zur Hämolyse (Zerstörung der roten Blutkörperchen). Dabei tritt das gespeicherte Kalium aus den zerstörten roten Blutkörperchen ins Blutserum über und täuscht einen hohen Kaliumwert vor. Auch eine verzögerte Verarbeitung der Blutprobe im Labor kann ähnliche Effekte haben.
Wie man einen Kalium-Überschuss behandelt
Doch was passiert, wenn du tatsächlich zu den Risikogruppen gehörst oder bereits einen erhöhten Wert hast? Die Therapie eines Kalium-Überschusses erfordert einen differenzierten Ansatz, der sowohl die Höhe des Kaliumwerts als auch die zugrunde liegenden Ursachen berücksichtigt.
Bei leichten Erhöhungen bis 5,9 mmol/l steht meist die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund, während schwere Formen über 6,5 mmol/l einen medizinischen Notfall darstellen.
In diesem Fall stabilisiert Calciumglukonat die Herzmuskelzellen, während Insulin zusammen mit Glukose das Kalium schnell in die Zellen verschiebt. In extremen Fällen kann eine Dialyse notwendig werden, um überschüssiges Kalium mechanisch aus dem Blut zu entfernen.
Vorbeugen durch Ernährung
Doch was kannst du selbst tun, um einem Überschuss entgegen zu wirken? Da Kalium über unser Essen aufgenommen wird, geht der leichteste Weg durch den Magen. Solltest du eine Hyperkaliämie haben, dann vermeide kaliumreiche Lebensmittel wie Bananen, Kartoffeln, Avocados, Bohnen oder getrocknete Früchte.
Auch scheinbar harmlose Salzersatzprodukte können problematisch sein, da sie oft große Mengen Kaliumchlorid enthalten. Ein Teelöffel mancher Diätsalze kann bereits 600-800 mg Kalium liefern – bei einer empfohlenen Tageshöchstmenge von 2000-3000 mg bei erhöhten Kaliumwerten eine beträchtliche Portion.
Eine solche Nahrungsumstellung sollte jedoch niemals isoliert betrachtet werden, da sie allein selten ausreicht, um schwere hohe Kaliumwerte zu behandeln. Die Hauptursachen liegen meist in gestörter Ausscheidung, nicht in übermäßiger Zufuhr, weshalb medikamentöse Therapie oder Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund stehen müssen.
Fazit: Den Kaliumspiegel ernst nehmen, aber nicht panisch werden
Ein erhöhter Kaliumwert ist ein Warnsignal, aber kein Todesurteil. Die meisten Kalium-Überschüsse entwickeln sich schleichend und lassen sich bei rechtzeitiger Erkennung gut behandeln.
Solltest du also einen erhöhten Kaliumwert in deinen Laborergebnissen entdecken, ist eine zeitnahe ärztliche Abklärung wichtig. In Panik musst du allerdings nicht verfallen.
FAQs zu Kalium-Überschuss
Ab welchem Wert wird Kalium gefährlich?
Eine Hyperkaliämie beginnt bereits ab 5,0-5,4 mmol/l, während Werte über 6,5 mmol/l als schwere Form gelten. Das Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen steigt ab 6,5 mmol/l dramatisch an, kann aber auch schon bei niedrigeren Werten auftreten.
Kann eine kaliumreiche Ernährung allein einen Kalium-Überschuss verursachen?
Bei gesunden Menschen ist eine reine Ernährungshyperkaliämie sehr unwahrscheinlich, da die Nieren überschüssiges Kalium effektiv ausscheiden. Problematisch wird es erst bei eingeschränkter Nierenfunktion oder bestimmten Medikamenten, die die Kaliumausscheidung behindern.
Warum muss ich trotz hoher Kaliumwerte meine Herzmedikamente weiternehmen? ACE-Hemmer und ähnliche Medikamente sind trotz ihres kaliumsteigernden Effekts lebensrettend bei Herz- und Nierenerkrankungen. Moderne Kaliumbinder ermöglichen es heute, diese wichtigen Medikamente sicher weiterzugeben, ohne dass der Kaliumspiegel gefährlich ansteigt.
Wie oft sollte der Kaliumwert kontrolliert werden?
Bei stabilen Werten und unveränderter Medikation reichen vierteljährliche Kontrollen meist aus. Bei Therapieänderungen, Verschlechterung der Nierenfunktion oder Symptomen sind jedoch kurzfristigere Kontrollen nach wenigen Tagen bis Wochen notwendig.
Können auch junge, gesunde Menschen hohe Kaliumwerte entwickeln?
Ja, aber seltener als ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Mögliche Ursachen bei jungen Patient:innen sind angeborene Nierenerkrankungen, bestimmte Medikamente, extreme körperliche Belastung mit Muskelzerstörung oder seltene genetische Störungen des Kaliumhaushalts.
Bildquellen
- Kaliumüberschuss: iStockphoto.com/ milorad kravic

