Natriumbikarbonat: Was steckt hinter dem Hype im Ausdauersport?

Kann Natriumbicarbonat deine Leistung steigern?

Es gibt unzählige Supplements, die mehr Energie und Ausdauer versprechen. Und sind wir ehrlich: Wer sich auf einen Marathon oder Wettkampf vorbereitet, greift gern zu jedem möglichen Helfer. Aktuell steht dabei ein völlig unerwarteter Kandidat im Rampenlicht – direkt aus der Backstube: Backnatron. Ja, genau das Zeug, das sonst in den Kuchenteig kommt. Im Jahr 2025 ist es plötzlich der geheime Performance-Booster der Ausdauerszene. Von Triathleten bis CrossFit-Athleten – alle schwören auf Natriumbikarbonat. Doch was kann es wirklich?

Von der Küche ins Labor

Natriumbikarbonat (chemisch: NaHCO₃) ist ein leicht basisches Salz, das in vielen Haushalten eher als „Backsoda“ bekannt ist. Jahrzehntelang war es für Sportler:innen höchstens als Geheimtipp für die Zahnreinigung nach dem Rennen ein Thema. Doch das ändert sich gerade gewaltig.

Bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 war es plötzlich das Gesprächsthema in der Sportlerlounge. Während Rote-Bete-Saft und Ketone ihren Hype langsam wieder verlieren, steht Natron ganz oben auf der Liste der Top-Ergogenika – also legaler Mittel zur Leistungssteigerung. Und diesmal ist es keine pseudowissenschaftliche Modeerscheinung.

Wie funktioniert das Ganze?

Beim intensiven Training produziert dein Körper Wasserstoffionen, die den pH-Wert in den Muskeln senken – das sogenannte „muscle burn“-Gefühl. Diese Übersäuerung hemmt die Muskelkontraktion, macht dich langsamer und lässt dich gefühlt gegen eine unsichtbare Wand laufen.

Und hier kommt Natriumbikarbonat ins Spiel: Es erhöht den pH-Wert deines Blutes, wodurch ein steileres Gefälle zwischen Muskel und Blut entsteht. Das bedeutet: Deine Muskeln können die lästigen Wasserstoffionen schneller loswerden, und du hältst länger durch, bevor die Erschöpfung zuschlägt.

@shredathletics

The lactic acid build up when running super fast makes us tired and slow. So sodium bicarbonate acts as a buffer to delay this response. But when running long distances, the lactic acid build up isn’t significant enough. This just causes heavy legs and an upset stomach. Therefore not worth supplementing for a marathon distance!

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Studien: Kleine Wirkung, große Bedeutung

Wer jetzt denkt: „Na gut, dann hält man eben 10 Sekunden länger durch – wen interessiert’s?“ – dem sei gesagt: Im Wettkampf entscheidet oft genau das. Studien zeigen, dass Natriumbikarbonat besonders bei intensiven Belastungen von 30 Sekunden bis 10 Minuten die Leistung signifikant steigern kann.

Eine 2021 veröffentlichte Meta-Analyse kam zu dem Schluss: Ob Sprint am Ende eines Triathlons oder harte Intervallläufe – mit Natron im Blut kommst du besser durch. Auch die International Society of Sports Nutrition und sogar das Olympische Komitee zählen es zu den fünf besten Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler:innen. In einer Liga mit Koffein und Kreatin.

Für wen lohnt es sich wirklich?

Nicht jeder profitiert gleichermaßen. Wenn du nur locker durch den Park joggst, kannst du dir das Natron sparen (oder für den nächsten Apfelkuchen verwenden). Aber wenn du intensive Intervalle, Sprint-Finishs oder harten Wettkampf-Druck im Training oder Rennen erlebst – dann kann Natron ein echter Gamechanger sein.

Ein Highlight aus der Forschung: Selbst nach einem dreistündigen Radtraining konnten Athleten mit Natriumbikarbonat noch schneller sprinten. Die Wirkung zeigt sich genau dann, wenn der Körper am Limit ist – und das ist im Triathlon quasi immer der Fall.

Wie viel soll man nehmen – und wann?

Hier wird’s etwas komplizierter – und vor allem: heikel für den Magen.

Die Standarddosierung liegt bei 0,3 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, etwa 60–180 Minuten vor dem Training. Für eine 70-kg-Person sind das rund 21 Gramm – oder vier gestrichene Teelöffel. Ganz schön viel, wenn man bedenkt, wie intensiv Natron schmeckt. Viele lösen es in Wasser – und müssen dann tapfer sein.

Doch Vorsicht: Diese Dosis ist für den Magen-Darm-Trakt eine Herausforderung. Viele berichten von Übelkeit, Blähungen, Durchfall – nicht gerade das, was du vor einem Rennen brauchst.

Die Lösung? Testen, testen, testen. Nicht am Wettkampftag experimentieren, sondern frühzeitig im Training herausfinden, wie dein Körper reagiert.

Maurten Bicarb System: Die magenschonende Variante

Wer seinen Magen schon bei kleinen Dosen rebellieren sieht, greift vielleicht zur Hightech-Lösung aus Schweden: Maurten Bicarb System. Das ist eine raffinierte Formulierung, bei der das Natron in einem „Hydrogel“ steckt, das erst im Darm freigesetzt wird – ohne den Magen zu reizen.

Studien zeigen: Die Leistung steigt, die Magenprobleme bleiben aus. Das Ganze hat jedoch einen stolzen Preis: Etwa 70 Euro für vier Portionen.

Ob das wirklich besser wirkt als normales Backnatron? Wahrscheinlich nicht. Aber für sensible Athlet:innen oder wichtige Wettkämpfe kann die magenschonende Version den Unterschied machen.

 

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Psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen

Ein interessanter Nebenaspekt: In einer Studie zeigten Radfahrer:innen nur dann Leistungssteigerungen, wenn sie wussten, dass sie ein leistungssteigerndes Mittel einnahmen. Also: Placebo-Effekt ist nicht zu unterschätzen. Wer daran glaubt, dass Natron wirkt, der performt oft automatisch besser.

Risiken und Nebenwirkungen

So hilfreich das weiße Pulver auch sein mag – es hat seine Schattenseiten. Wer zu viel oder zu schnell dosiert, riskiert:

  • Magenbeschwerden
  • Durchfall
  • Blähungen und Übelkeit
  • Elektrolytverschiebungen, wenn langfristig überdosiert

Daher: Immer unter sportärztlicher oder ernährungswissenschaftlicher Begleitung ausprobieren – oder wenigstens verantwortungsvoll im Selbstversuch.

Kreative Einnahmeformen?

Einige Athleten mischen sich das Natron mit Honig, andere mit Fruchtsaft, wieder andere in Gelkapseln. Manche backen sich sogar Riegel mit exakt dosierter Menge. Ob das dann noch lecker ist, steht auf einem anderen Blatt – aber der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Backsoda mit Boost-Faktor

Natriumbikarbonat ist kein Wundersupplement – aber ein clever eingesetztes Tool, das in entscheidenden Momenten den Unterschied machen kann. Für Ausdauersportler:innen, die am Limit arbeiten, ist es ein spannender Performance-Hebel – besonders bei Intervallen, Wettkampfsprints oder Zeitfahren. Wer bereit ist, seinen Magen zu trainieren oder ein wenig Geld zu investieren, kann mit dem richtigen Timing einen echten Vorteil herausholen.

Du willst’s ausprobieren? Dann starte mit 0,1 g/kg an einem Intervalltag, nimm’s mit einem kohlenhydratreichen Snack, und beobachte deinen Magen. Steigere dich langsam – und hör auf deinen Körper.

Bildquellen

  • Natriumbicarbonat im Laufsport: jacoblund / istock

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