Wir alle kennen die Katzenvideos im Internet, die uns zum Lachen bringen. Und wenn unsere flauschige Katze sich schnurrend in unseren Schoß legt, vergessen wir für einen Moment alle Sorgen. Doch hinter diesem weichen Fell und den funkelnden Augen steckt eine viel tiefere, oft unterschätzte Kraft: Katzen können Menschen heilen – emotional, psychisch und sogar körperlich. Die Psychotherapeutinnen Roswitha Zink und Renate Deimel, Autorinnen des Buches Dr. Katze, arbeiten seit Jahren mit Katzen in der Therapie. Im Interview erklären sie, wie Katzen uns dabei helfen, Trost zu finden, Ängste abzubauen und sogar kognitive Fähigkeiten zu stärken.
Wissenschaftlich belegte Wirkungen
Katzen sind nicht nur niedlich, sie sind auch wahre Lebensverbesserer. Wie die Psychotherapeutinnen erklären: “Die positiven Wirkungen von Katzen sind wissenschaftlich vielfältig bestätigt. Dennoch kann die positive Wirkung nur dann entstehen, wenn die Beziehung und Bindung zwischen Mensch und Katze gut sind. Denn jeder Mensch und jedes Tier ist außergewöhnlich und die Beziehung ist der wichtigste Faktor für eine Wirkung.”
Die Forschung belegt viele positive Effekte: Das Streicheln von Katzen kann Stress reduzieren, indem Herzfrequenz und Blutdruck gesenkt werden. Außerdem lindern Interaktionen mit Katzen negative Stimmungen wie Angst und Depressionen. Kinder profitieren besonders: Früher Kontakt zu Katzen fördert Verantwortungsbewusstsein und soziale Kompetenzen.
Aber auch gesundheitlich zahlt sich die Nähe zu Katzen aus: Katzenbesitzer:innen haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein niedrigeres Sterberisiko durch Herzinfarkte. Bei älteren Menschen kann die Beziehung zu Katzen den kognitiven Abbau verlangsamen. Katzen bieten emotionale Unterstützung in belastenden Lebensphasen, stärken das Selbstwertgefühl und sorgen für eine stabile Alltagsstruktur.
“All diese Wirkungen sind in Studien belegt und zeigen, wie wertvoll die Beziehung zwischen Mensch und Katze sein kann.”
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Katzen als Trostspender
Warum sind Katzen so besonders, wenn es darum geht, Menschen in schwierigen Lebenslagen zu helfen? Die Therapeutinnen erklären: “Katzen sind besonders gut geeignet, um Menschen zu helfen, die traurig oder traumatisiert sind, weil sie sehr feinfühlig sind und emotionale Veränderungen bei Menschen wahrnehmen und Interaktion fördern können. Sie bieten Trost und Nähe ohne zu urteilen, was besonders wichtig für Menschen in sensiblen Lebensphasen ist.”
Das Schnurren des Stubentigers wirkt dabei wie eine Therapieeinheit: Es beruhigt, reduziert Angst und fördert Entspannung. Katzen kommunizieren fast ausschließlich nonverbal über Körpersprache – ein Vorteil für Menschen, die Schwierigkeiten mit verbaler Kommunikation haben.
“Durch ihr Leben im Hier und Jetzt fördern sie Achtsamkeit und helfen so dabei, Trauer und Trauma besser zu verarbeiten.”
Die Selbstbestimmung der Katze spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Sie entscheidet, ob sie Nähe zulässt oder sich zurückzieht. Das lehrt Menschen, eigene Grenzen zu erkennen und zu respektieren. Und durch die Fürsorge für die Katze wächst das Selbstwertgefühl – ein entscheidender Faktor, um emotionale Herausforderungen zu meistern.
Eine Geschichte von Hoffnung
Die heilende Wirkung dieser flauschigen Tiere ist nicht nur theoretisch – sie zeigt sich in den realen Geschichten der Menschen. Als Gründerin und Therapeutin des Kinderhospizes Lichtblickhof haben Zink und Deimel viele solcher Geschichten erlebt. Sie erzählen von Lena, einem zwölfjährigen Mädchen, das an Krebs erkrankt war:
“Während einer Therapiesitzung saß Lena im Katzen-sicheren Garten und streichelte den Kater Fuchur, der ruhig zu ihren Füßen lag und schnurrte. In diesem Moment fühlte sich Lena trotz ihrer schweren Krankheit und der belastenden Therapien geborgen und verbunden mit der Natur und dem Tier. Sie sagte: ‘Ich weiß jetzt wieder, was Glück für einen Geruch hat.'”
Die innige Beziehung zu Fuchur half Lena, Trost und Freude zu finden und mit ihrer Krankheit besser umzugehen. Solche Geschichten zeigen, wie stark der Einfluss von Katzen auf unser Wohlbefinden sein kann.
Katzen in der Therapie
Die Reaktionen auf Katzentherapie sind durchweg positiv, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. “Kinder zeigen häufig Freude und Neugier, wenn sie mit den Katzen interagieren, und fühlen sich durch die Nähe und das Schnurren der Tiere getröstet. Erwachsene schätzen die Ehrlichkeit und Feinfühligkeit der Katzen, die ihnen helfen, sich zu entspannen und ihre Gefühle besser zu verstehen”.
Diese Tiere schaffen eine Atmosphäre, die beruhigend wirkt, Vertrauen aufbaut und emotionale Barrieren abbaut. Gerade Menschen mit psychischen Herausforderungen profitieren von dieser nicht wertenden Präsenz.
Wie wirkt die Therapie auf verschiedene Altersgruppen?
Katzentherapie wirkt individuell unterschiedlich, je nach Alter und Lebenssituation:
Bei Kindern unterstützt Katzentherapie die Entwicklung sozialer Fähigkeiten, reduziert Ängste und fördert emotionale Stabilität. Besonders hilfreich ist sie bei Autismus-Spektrum-Störungen oder traumatischen Erfahrungen.
Bei Erwachsenen trägt Katzentherapie zur Stressreduktion bei, steigert das allgemeine Wohlbefinden und unterstützt bei der Bewältigung von Depressionen, Angststörungen oder Trauer.
Bei älteren Menschen lindert Katzentherapie Einsamkeit, vermittelt emotionale Geborgenheit und kann positive Effekte auf die kognitive Gesundheit und Lebenserwartung haben.
“Insgesamt wird die Wirkung der Katzentherapie individuell angepasst, um den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen der jeweiligen Person gerecht zu werden.”
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Katzen vs. andere Therapietiere
Im Vergleich zu Hunden haben Katzen einzigartige Eigenschaften: “Der größte Unterschied liegt vor allem in ihrer Größe, Verletzlichkeit und ihrem besonderen Verhalten. Katzen sind kleiner und wirken dadurch oft verletzlicher, was bei Menschen ein besonderes Gefühl von Fürsorge und Schutz auslösen kann.“
Ihr Schnurren ist ein weiterer Unterschied, der beruhigt und entspannt. Katzen kommunizieren subtil über Körpersprache und besitzen fein geschärfte Sinne, was sie besonders sensibel für die Stimmung ihrer Menschen macht. Sie wirken eigenständiger und weniger aufdringlich als Hunde – ideal für Menschen, die ruhige Begleiter suchen.
Auch Tiere können empathisch sein
Die Psychotherapeutinnen berichten: “An den Katern bin ich immer wieder überrascht, wie sehr sie über sich selbst hinauswachsen, wie sie für manche Kinder Dinge tun, die sie für mich zum Beispiel nicht so gerne tun würden.”
Katzen sind damit nicht nur sanfte Begleiter, sondern auch erstaunlich einfühlsame Co-Therapeuten, die weit mehr leisten, als man ihnen zutraut.
Kann jede Katze eine Therapiekatze sein?
Nicht jeder Stubentiger ist für die Arbeit als Therapiepartnerin geeignet. “Eine Therapiebegleitkatze sollte aufgeschlossen sein, gute Resilienz mitbringen und Begeisterung für eine lange Ausbildung und lebenslanges Lernen haben. Für alle Therapietiere gilt, dass ihr Wohl mindestens gleich wichtig ist wie das der Patient:innen. Viele Katzen wollen keine Therapiekatzen sein, das ist völlig in Ordnung. Niemals darf/kann eine Katze zum Kontakt mit Menschen gezwungen werden.”
Das Wohlbefinden der Katze steht immer im Vordergrund – nur so kann eine echte therapeutische Wirkung entstehen.
Auch Hauskatzen können heilen
Auch normale Hauskatzen können positive Effekte auf Menschen haben. Wer regelmäßig Zeit mit seiner Katze verbringt, erlebt oft eine Reduktion von Stress und eine Steigerung des Wohlbefindens – auch ohne professionelles Setting.
Doch eine formelle Therapie können Hauskatzen nicht ersetzen: “Natürlich kann es Menschen auch im Alltag gut tun, Zeit mit Katzen zu verbringen, aber therapeutisch wird es durch das gesamte Therapiesetting und die wohlüberlegte Intervention der menschlichen Fachkraft.”
Die heilende Wirkung der Katzen zeigt sich besonders deutlich am Kinderhospiz Lichtblickhof, wo Renate Deimel mit ihren Therapiekatzen arbeitet. Hier erleben Kinder und Erwachsene in geschützter Umgebung, wie die Nähe zu den Katern Trost, Freude und emotionale Stabilität schenkt.
Vorbereitung auf die Arbeit mit Katzen
Damit die Interaktion funktioniert, bereitet Deimel Menschen gründlich vor: “Ich bespreche, dass es sehr kleine Tiere sind, dass sie Fluchttiere genauso sind wie Raubtiere. Wir haben Tafeln, auf denen eingezeichnet ist, wo die Kater gerne gestreichelt werden. Katzen mögen es nicht an Bauch oder Beinen berührt zu werden, außer sie haben sehr großes Vertrauen. Nacken, Kinn und vor dem Schwanz sind die Kontaktzonen für den Anfang einer Katzenfreundschaft.”
Es geht darum, einen Dialog auf Augenhöhe zu führen, die Signale der Katze zu verstehen und zu respektieren.
Persönliche Bindung der Therapeutin
Die Beziehung zu eigenen Katzen spielt ebenfalls eine große Rolle: “Die beiden Kater Jonathan und Fuchur leben bei mir zuhause oder bei meiner Kollegin. Sie kommen also an den Tagen, an denen Therapieeinheiten für sie sind, mit zur Arbeit und fahren abends wieder nach Hause. Die beiden liegen mir sehr am Herzen, wir verbringen Freizeit miteinander und trainieren sowohl zum Spaß als auch Skills für die Therapie.“
Einfühlungsvermögen als Schlüssel
“Einfühlungsvermögen ist für Therapeutinnen eine wichtige Grundlage”, betonen die Therapeutinnen. “Katzen können sehr feine Gefühlsregungen wahrnehmen, für Katzen ist es wichtig, in ihrer Ausbildung zu lernen, mit vielen Gefühlen umzugehen und auch zu lernen, wie sie mit dem Stress, der durch Emotionen ausgelöst wird, umgehen können. Psychohygiene ist auch für Therapietiere von großer Wichtigkeit.”
Nur wenn beide Seiten – Mensch und Katze – einfühlsam miteinander umgehen, kann Heilung stattfinden.
Die Zukunft der Katzentherapie
Das Team Lichtblickhof ist optimistisch, dass Katzentherapie in Zukunft weiter verbreitet wird: “Generell glaube ich, dass Katzen in Zukunft mehr zugetraut wird, sich die Rolle, die sie als Haustier haben, langsam wandelt und dass sie dadurch auch einen anderen Platz im Zusammenleben mit Menschen bekommen.”
Besonders für Einzel- und Kleingruppentherapien über längere Sitzungen sind Katzen ideal geeignet. Sie besitzen eine besondere Sensibilität für Bewegung, Geräusche und Berührungen. “All diese Eigenschaften machen Katzen zu wertvollen Begleitern in schwierigen emotionalen Zeiten. Und zu Lebensfreude-Boostern und Resilienz-Stärkern in allen Lebenslagen.”
Bildquellen
- Katze: iStockphoto.com/ StudioMikara

