Wenn Pillen knapp werden: Wie sicher ist Österreichs Medikamentenversorgung?

Medikamente gehören für viele Menschen in Österreich zum Alltag – sei es das tägliche Mittel gegen den Blutdruck, ein Antibiotikum oder Schmerztabletten. Doch was, wenn die gewohnte Versorgung plötzlich nicht mehr gesichert ist?

Der Austrian Health Report 2025 zeigt: Sechs von zehn Österreicher*innen sehen Lieferengpässe bei Medikamenten als reale Bedrohung. Zugleich ist die Bevölkerung gesundheitlich stabil und vertraut auf die Fortschritte der Medizin. Die Studie macht deutlich: Zwischen Zuversicht und Unsicherheit entscheidet sich, wie gut Österreich in Zukunft aufgestellt ist.

Wenn Medikamente knapp werden

Man geht in die Apotheke, braucht dringend ein Antibiotikum oder ein wichtiges Blutdruckmittel – und es ist nicht verfügbar. Für viele klingt das wie ein Albtraum, doch für sechs von zehn Österreicher*innen ist genau das ein realistisches Szenario.

Der Austrian Health Report 2025 zeigt: Die Angst vor Engpässen bei Arzneimitteln ist allgegenwärtig. Sie übersteigt sogar die Sorge um andere lebenswichtige Güter wie Gas, Öl oder Lebensmittel. Diese Ergebnisse machen deutlich, wie sehr die Medikamentenversorgung inzwischen als zentrale Lebensader unseres Gesundheitssystems wahrgenommen wird.

Dabei geht es nicht nur um Tabletten und Rezepte – es geht um Sicherheit, Vertrauen und die Gewissheit, im Ernstfall gut versorgt zu sein. Wenn ausgerechnet dort Unsicherheiten entstehen, wo Gesundheit und Leben auf dem Spiel stehen, wächst das Gefühl der Verletzlichkeit in einer Gesellschaft enorm:

  • 52 % erwarten in den kommenden Jahren tatsächliche Engpässe.
  • 6 von 10 sehen Lieferprobleme bei Medikamenten als reale Gefahr.
Die Umfrage zeigt: Die Versorgung mit Medikamenten ist nicht nur ein Gesundheitsthema, sondern eine Frage gesellschaftlicher Stabilität. AHR-Report: © Austrian Health Report

Medikamentenversorgung: Lösungen werden in Europa gesucht

Die Mehrheit der Österreicher:innen glaubt nicht, dass Wien allein die Antworten liefern kann. Stattdessen wünschen sich 7 von 10 Befragten eine gemeinsame europäische Strategie zur Sicherung der Medikamentenversorgung. Vorratshaltung auf EU-Ebene, abgestimmte Notfallpläne und ein solidarischer Austausch zwischen den Mitgliedsstaaten erscheinen vielen Bürgerinnen sinnvoller als nationale Alleingänge.

Warum? Weil die Herausforderungen längst global sind. Ob es um Lieferketten aus Asien, geopolitische Konflikte oder Handelsrestriktionen geht – kein Land kann sich allein davor schützen. Europa muss als Verbund stark auftreten, wenn es seine Patient:innen zuverlässig versorgen will. Für viele Befragte bedeutet das: Zusammenarbeit ist mehr wert als Protektionismus.

Der Sehnsucht nach „Made in Austria“

Trotz allem europäischem Schulterschluss bleibt ein Wunsch besonders stark: die Rückkehr von Produktion ins eigene Land. Ganze 86 Prozent der Befragten halten die Herstellung von Medikamenten in Österreich für wichtig oder sehr wichtig. Gerade ältere Menschen, die oft täglich auf ihre Arzneimittel angewiesen sind, sprechen sich besonders deutlich dafür aus.

Und bemerkenswert: Fast die Hälfte der Befragten ist bereit, für mehr Versorgungssicherheit tiefer in die Tasche zu greifen. Selbst in Zeiten erhöhter Inflation unterstützen 48 Prozent eine Preissteigerung, wenn diese den Produktionsstandort Österreich stärkt. Das zeigt, dass Versorgungssicherheit nicht nur als gesundheitliche, sondern auch als gesellschaftliche Investition verstanden wird.

Pharma-Expertin Prof. Ulrike Holzgrabe bringt es auf den Punkt: „Europa ist schon lange nicht mehr die Apotheke der Welt. Wenn wir unsere Resilienz zurückgewinnen wollen, müssen wir die Produktion in Europa gezielt stärken. Am Ende geht es um zwei Dinge: Verlässlichkeit und faire Preise.

Das Gesundheitssystem unter Druck

Halb voll oder halb leer? Die Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheitssystem liegt 2025 bei 50 Prozent – stabil, aber nicht berauschend. Die große Sorge liegt in der Zukunft:

Doch der Blick nach vorne ist kritisch:

  • 82 % rechnen mit Leistungskürzungen durch die Krankenkassen.
  • 80 % erwarten politische Sparmaßnahmen.

Gleichzeitig gibt es positive Signale bei der Digitalisierung:

  • 52 % bewerten digitale Medizinlösungen positiv.
  • 2/3 begrüßen konkrete Anwendungen wie e-Rezepte oder digitale Beipackzettel.

Auch Künstliche Intelligenz in der Medizin wird nicht abgelehnt, sondern vorsichtig begrüßt. Offenbar ist die Bereitschaft da, moderne Technologien zu akzeptieren – solange sie spürbare Vorteile im Alltag bringen.

Vertrauen in Medizin und Wissenschaft bleibt hoch

Trotz aller Krisenmeldungen zeigt der Report eine wichtige Konstante: Die Österreicher:innen vertrauen der Medizin. Mehr als drei Viertel glauben an die Wirksamkeit von Medikamenten, und zwei Drittel sehen die Wissenschaft klar im Vorteil für die Gesellschaft.

Gerade in Zeiten von Fake News auf Social Media und Skepsis gegenüber Institutionen, ist dieses Vertrauen ein starkes Signal. Es macht Mut, dass die Bevölkerung Fortschritt nicht als Bedrohung, sondern als Chance begreift. Denn ohne Vertrauen nützen selbst die besten Medikamente nichts – wirksam sind sie nur, wenn Patient*innen sie auch annehmen.

Österreichs Gesundheit bleibt stabil

Die gute Nachricht: Trotz aller Sorgen geht es den Menschen in Österreich gesundheitlich vergleichsweise im Allgemeinen gut. 69 Prozent schätzen ihren allgemeinen Gesundheitszustand als (sehr) gut ein – leicht über dem Durchschnitt der letzten Jahre.

Der Ausblick ist ebenfalls positiv:

  • 70 % erwarten keine Veränderung in den kommenden Jahren.
  • 18 % rechnen sogar mit einer Verbesserung.
  • Nur 9 % fürchten eine Verschlechterung.

Auch bei der psychischen Gesundheit zeigt sich ein leichtes Plus: Sieben von zehn fühlen sich mental fit. Am besten schneiden die über 60-Jährigen ab (80 %), während die unter 30-Jährigen mit 61 % deutlich zurückliegen.

Im Vergleich zu den Vorjahren, fühlen sich die Menschen hierzulande gesünder als zu Pandemiezeiten. Besonders die mentale Gesundheit wird besser eingeschätzt. AHR-Report: © Austrian Health Report

Medikamentenversorgung: Resilienz als Schlüssel für die Zukunft

Wie also weiter? Die Expert:innen sind sich einig: Österreich und Europa müssen ihre Abhängigkeit von globalen Lieferketten reduzieren. Sicherheitspolitiker Prof. Walter Feichtinger warnt vor hybriden Bedrohungen, die nicht nur militärischer Natur sind, sondern auch aus Exportstopps oder Cyberangriffen bestehen können.

Pharma-Manager Marco Pucci betont die Rolle von Generika und Biosimilars: Sie machen die Hälfte aller verschriebenen Medikamente aus, verursachen aber nur 16 Prozent der Kosten. Damit sie weiter entlasten können, braucht es faire Rahmenbedingungen und eine starke europäische Zusammenarbeit.

Die Botschaft des Austrian Health Report 2025 ist klar: Österreich ist gesundheitlich in guter Verfassung – aber die Medikamentenversorgung bleibt ein sensibles Thema.

Ob durch heimische Produktion, europäische Strategien oder technologische Innovationen: Nur durch Weitsicht und Zusammenarbeit kann die Sicherheit gewährleistet werden, die Patient:innen zu Recht erwarten. Versorgungssicherheit ist mehr als eine politische Floskel – sie ist ein Versprechen, das jeden Einzelnen betrifft.

v.l.n.r. Dr. Reinhard Raml, Dr. Ulrike Holzgrabe, Dr. Walter Feichtinger, Marco Pucci © /APA-Fotoservice/Fotograf/in: Martin Hörmandinger

Bildquellen

  • Medikamentenversorgung in Österreich: iStockphoto.com/ Hiraman

Empfohlene Artikel

Melde dich für unseren Newsletter an

Keine Sorge, wir spamen dich nicht zu ;) Du bekommst 1-mal jede 2 Wochen die beliebtesten Beiträge und Videos von uns.