Schutz vor Resistenz: Worauf wir bei Antibiotika in Zukunft achten müssen

Antiobiotikaresistenz

Wenn eine einfache Infektion zur Gefahr wird

Stell dir vor, du bekommst eine einfache Infektion – vielleicht eine Blasenentzündung, wie du sie schon einmal hattest, oder eine kleine entzündete Wunde. Normalerweise würdest du Antibiotika nehmen, und nach ein paar Tagen wäre alles wieder gut.

Doch was, wenn das nicht mehr so einfach ist? Für Menschen, die eine Antibiotikaresistenz entwickelt haben, sieht die Realität ganz anders aus: Die Behandlung selbst einfacher Infektionen wird plötzlich viel komplizierter. Die Medikamente, die früher zuverlässig wirkten, helfen nicht mehr, und eine Routinebehandlung kann zu einem langwierigen, gefährlichen Kampf werden.

Immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika – unsere stärkste Waffe gegen bakterielle Infektionen. Der Grund? Der übermäßige und oft unsachgemäße Einsatz dieser Medikamente. Bakterien passen sich an und entwickeln Abwehrmechanismen, die die Wirkung der Antibiotika blockieren.

Was früher eine harmlose, leicht behandelbare Infektion war, kann heute zu einer ernsten, manchmal sogar tödlichen Gefahr werden. Resistente Keime begegnen uns nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch im Alltag.

Warum sind Antibiotikaresistenzen so gefährlich?

Antibiotika sind eine der wichtigsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts und haben Millionen von Menschenleben gerettet. Sie wirken, indem sie Bakterien abtöten oder ihr Wachstum hemmen. Doch je häufiger wir Antibiotika einsetzen, desto mehr passen sich die Bakterien an und entwickeln Abwehrmechanismen, die sie immun machen.

Dr. Christoph Klaus, Genetiker und Experte für Infektionsprävention, erklärt: „Das wird vor allem durch zu häufigen bzw. falschen Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin und der Landwirtschaft befeuert, weil sich Bakterien durch natürliche Mutationen rasch an diese Wirkstoffe anpassen können. Infolge können Infektionen, die bisher mit verfügbaren Medikamenten leicht behandelbar waren, heute teilweise nur noch schwer oder gar nicht mehr therapiert werden und führen zum Tod“.

Das ist erschreckend, denn selbst harmlose Infektionen oder Verletzungen können lebensbedrohlich werden. Ein einfacher Schnitt in den Finger kann zu einer gefährlichen Infektion führen, wenn die verursachenden Bakterien gegen die verfügbaren Antibiotika resistent sind. Und das Problem wächst: Jedes Jahr sterben in Europa zehntausende Menschen an Infektionen, die aufgrund von Resistenzen nicht mehr behandelt werden können.

Umwelt und Klima: Wie sie Antibiotikaresistenzen verstärken

Antibiotikaresistenzen sind jedoch nicht nur ein medizinisches Problem, sondern stehen in engem Zusammenhang mit unserer Umwelt und dem Klimawandel. Verschmutzte Gewässer, Schadstoffe in der Luft und steigende Temperaturen schaffen ideale Bedingungen für resistente Bakterien.

Laut Christoph Klaus zeigen aktuelle Studien, dass Antibiotika, die über Mikroplastikpartikel in unseren Körper gelangen, ihre Wirkung verlieren: „Forscher:innen der MedUni Wien haben herausgefunden, dass Antibiotika mit Mikroplastik im Körper, das wir über die Nahrung aufnehmen, interagiert und damit dessen Wirkung gegen die Keime reduziert.“ Wenn diese Plastikpartikel Antibiotika an sich binden, sinkt ihre Konzentration und ihre Wirkung wird geschwächt.

Auch der Klimawandel spielt eine Rolle, denn wärmere Temperaturen setzen Bakterien einem höheren Überlebensstress aus. Dieser Stress begünstigt Mutationen und damit die Resistenzbildung. Das Problem ist also viel komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

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Die einfache Maßnahme: Infektionsprävention vor der Operation

Wenn es um Infektionen und den Einsatz von Antibiotika geht, denkt man oft zuerst an schwere Krankheiten oder Krankenhausaufenthalte. Eine andere Gefahr, die oft übersehen wird, sind Infektionen nach Operationen. Auch wenn Operationen heute im Allgemeinen sicher sind, können sie immer noch zu Infektionen führen, insbesondere wenn Bakterien in die Wunde gelangen.

Postoperative Wundinfektionen werden häufig durch Bakterien verursacht, die normalerweise auf der Haut leben, aber durch die Wunde in den Körper gelangen. Viele dieser Bakterien sind inzwischen gegen herkömmliche Antibiotika resistent, was die Behandlung erschwert.

Dr. Klaus nennt eine einfache Maßnahme, die bereits vor einer Operation zu Hause beginnen kann: die präoperative Dekontamination. Dabei werden Haut und Nase gründlich mit einer antiseptischen Waschlotion und einem Nasengel gereinigt, die speziell dafür entwickelt wurden, die natürliche Bakterienzahl auf der Haut zu reduzieren. Diese einfachen Produkte sind in jeder Apotheke erhältlich und tragen dazu bei, das Risiko einer postoperativen Wundinfektion deutlich zu senken.

„Infektionen nach einer Operation, also sog. postoperative Wundinfektionen, zählen zu den häufigsten Krankenhausinfektionen in Europa, so auch in Österreich.“, betont der Experte. Eine gründliche Dekontamination einige Tage vor dem Eingriff kann das Risiko um etwa 50% senken – ein erstaunlicher Effekt für eine so einfache Maßnahme.

So geht man verantwortungsvoll mit Antibiotika um

Die Art und Weise, wie wir Antibiotika einsetzen, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von Resistenzen. Antibiotika sind kein Allheilmittel, sondern müssen gezielt und nur bei bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Viele Menschen setzen Antibiotika jedoch vorzeitig ab, sobald sie sich besser fühlen.

„Die Erreger werden resistent, nicht die Menschen“, betont der Genetiker. „Das heißt: Antibiotika immer genauso einnehmen wie vom Arzt verordnet und nicht frühzeitig absetzen, auch wenn man sich schon besser fühlt. Die überlebenden Bakterien im Körper können sich an das Medikament gewöhnen und dieselbe Infektion Tags später wieder auslösen“, so Klaus.

Das erschwert nicht nur die Behandlung des Einzelnen, sondern gefährdet auch die Allgemeinheit: Die resistenten Keime können auf andere Menschen übertragen werden und dort ebenfalls schwer behandelbare Infektionen auslösen. Deshalb ist es wichtig, Antibiotika immer vollständig und nach ärztlicher Anweisung einzunehmen.

Impfungen verringern Antibiotikaeinsatz

Antibiotikaresistenzen betreffen bakterielle Infektionen, aber auch Impfungen gegen Viren spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen resistente Keime. Impfungen verhindern, dass Menschen überhaupt erkranken und reduzieren so den Einsatz von Antibiotika.

„Auch wenn Impfungen heutzutage von einigen Menschen leider abgelehnt werden, es ist eine Tatsache, dass diese Maßnahme eine der allergrößten Errungenschaften in der Geschichte der Medizin war, um die Verbreitung oder gar das Einstehen von Krankheiten einzudämmen.„, betont Klaus.

Zwar schützen Impfungen vor allem vor Viruserkrankungen, während Antibiotika gegen bakterielle Erkrankungen eingesetzt werden. Dennoch können Impfungen die Zahl bakterieller Infektionen, Antibiotikaverschreibungen und Krankenhausaufenthalte deutlich reduzieren und indirekt dazu beitragen, den Druck auf Antibiotika zu verringern und Resistenzen zu vermeiden.

Mehr dazu: Borreliose: Neue Hoffnung für Betroffene mit Antibiotikaresistenz

Wer ist besonders gefährdet?

Antibiotikaresistente Bakterien sind besonders für Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährlich. Das bedeutet, dass Patient:innen unter Chemotherapie, Diabetiker:innen, ältere Menschen oder Schwangere ein erhöhtes Risiko haben, an einer resistenten Infektion zu erkranken.

„Das Problem liegt darin, dass im Falle einer Infektion, die Erkrankung nicht therapiert werden kann, weil die Bakterien den Wirkstoff spalten und damit wirkungslos machen können und im schlimmsten Fall führen solche Infektionen bis zur Sepsis oder Lungenentzündung bis hin zum Tod“, warnt Christoph Klaus.

Aber auch gesunde Menschen sind nicht ganz sicher – jeder kann theoretisch mit resistenten Bakterien in Kontakt kommen, was das Thema zu einem globalen Gesundheitsproblem macht, das jeden betrifft.

Reisen und Resistenzen: Warum Globalisierung das Problem verschärft

In unserer globalisierten Welt sind Krankheitserreger ständig unterwegs, genau wie wir. Ein Mensch kann sich in einem Land mit resistenten Bakterien infizieren und diese innerhalb weniger Stunden in ein anderes Land mitnehmen, ohne es zu wissen.

„Krankheitserreger kennen keine Grenzen und werden bei Grenzkontrollen natürlich auch nicht von einer Einreise abgehalten. Während der Inkubationszeit, wähnend der infizierte Mensch also noch keine Symptome aufweist, können also neue Erreger zunächst unbemerkt in weitere Länder gelangen.“, so der Experte.

Vor allem in Süd- und Osteuropa gibt es Regionen mit alarmierenden Resistenzraten. Auch wenn jemand noch keine Symptome zeigt, kann er die resistenten Erreger in sich tragen und so weiterverbreiten. Das bedeutet, dass wir nicht einmal weit reisen müssen, um mit resistenten Keimen in Kontakt zu kommen – das Risiko ist bereits bei Reisen innerhalb Europas beträchtlich. Es ist wichtig, dass Menschen, die oft reisen, sich der Risiken bewusst sind und Maßnahmen zur Infektionsprävention ergreifen.

Prävention ist der Schlüssel: Unsere Verantwortung im Alltag

Zwischen dem 18. und 24. November findet die Antibiotikaresistenzen-Woche in Österreich statt. Diese Aktionswoche soll das Bewusstsein für dieses globale Gesundheitsproblem schärfen, denn Antibiotikaresistenzen sind mittlerweile ein großes Problem. Doch es gibt viele Maßnahmen, die jeder von uns im Alltag ergreifen kann: Das beginnt mit dem einfachen und regelmäßigen Händewaschen, das eine der wirksamsten Methoden zur Vermeidung von Infektionen ist. Wenn wir Antibiotika verschrieben bekommen, sollten wir sie immer genau nach Vorschrift einnehmen und niemals eigenmächtig absetzen.

Dr. Klaus betont, dass jede Infektion, die wir vermeiden können, den Einsatz von Antibiotika reduziert und damit zur Bekämpfung des Resistenzproblems beiträgt „Antibiotikaresistenzen sind keine abstrakte Bedrohung, sondern eine reale Gefahr, die durch die Umwelt, den Alltag und den globalen Transport verstärkt wird“.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir alle durch einfache Maßnahmen dazu beitragen können, Antibiotikaresistenzen einzudämmen. Prävention ist nicht nur eine Aufgabe der Krankenhäuser und der Wissenschaft, sondern eine Verantwortung, die jeder von uns im Alltag übernehmen kann. Damit schützen wir nicht nur uns selbst, sondern auch künftige Generationen, die auf die Wirksamkeit von Antibiotika angewiesen sein werden.

Mehr dazu: Antibiotikaresistenz: Was kann man dagegen machen?

Genetiker Dr. Christoph Klaus
Dr. Christoph Klaus, Genetiker und Experte für Infektionsprävention

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