Plastik ist ein fester Bestandteil unseres Alltags: Es steckt in Verpackungen, Kleidung, Kosmetika, Möbeln und zahllosen anderen Dingen. Doch was passiert mit all dem Plastik, wenn es nicht mehr gebraucht wird? Mit der Zeit zerfällt es in winzige Teile – sogenanntes Mikroplastik.
Diese Partikel sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen, aber sie sind fast überall: im Wasser, im Boden, in der Nahrung und sogar in der Luft, die wir atmen. Wie schädlich das für unsere Lungen sein kann, wurde kürzlich auf der MedUni Wien untersucht – das Ergebnis ist eine alarmierende Erkenntnis und ein wichtiger Schritt, um die gesundheitlichen Folgen der Plastikbelastung besser zu verstehen.
Was ist eigentlich Mikroplastik – und wo begegnet es uns?
Mikroplastik sind winzige Kunststoffteile, die kleiner als fünf Millimeter sind. Noch kleiner – im Nanobereich – spricht man von Nanoplastik, die teilweise nur wenige tausendstel Millimeter groß sind. Man unterscheidet dabei zwei Arten:
- Primäres Mikroplastik: Es wird direkt in dieser kleinen Form produziert – zum Beispiel für Kosmetika wie Peelings oder Zahnpasta, aber auch für industrielle Reinigungsmittel.
- Sekundäres Mikroplastik: Es entsteht, wenn größere Plastikprodukte durch Sonne, Reibung, Wasser oder Zeit zerfallen – zum Beispiel Plastiktüten, Verpackungen oder Einwegbecher.
Diese Partikel gelangen auf verschiedensten Wegen in die Umwelt:
- Durch Abwasser in Kläranlagen, die Mikroplastik oft nicht vollständig herausfiltern.
- Durch Abrieb von Autoreifen und Schuhsohlen auf Straßen.
- Beim Waschen von Kleidung aus Kunstfasern wie Polyester oder Nylon.
- Durch Müll, der in der Natur liegen bleibt und langsam zerfällt.
- Durch die Industrie, etwa bei der Herstellung oder Verarbeitung von Kunststoffen.
Inzwischen wurde Mikroplastik in Flüssen, Meeren, Böden, in Fischen, Muscheln, Meersalz, Trinkwasser, Obst, Gemüse und sogar in menschlichem Blut und der Plazenta nachgewiesen.
Besonders bedenklich ist, dass wir diese Teilchen nicht nur über die Nahrung aufnehmen, sondern auch einatmen. Gerade in Innenräumen, in der Nähe von Straßen oder Industrieanlagen ist die Belastung durch Mikroplastik in der Luft besonders hoch.
Die Lunge – besonders anfällig für eingeatmetes Mikroplastik
Unsere Lunge ist ein empfindliches Organ: Sie ist Tag für Tag im Dauereinsatz und verarbeitet im Schnitt 10.000 bis 20.000 Liter Luft pro Tag. In dieser Luft befinden sich nicht nur Sauerstoff und andere Gase, sondern auch Feinstaub, Pollen – und zunehmend Mikroplastik.
Die Lunge verfügt zwar über bestimmte Schutzmechanismen, wie etwa feine Flimmerhärchen und Schleimschichten, die Fremdstoffe abfangen sollen. Doch bei den winzigen Mikro- und Nanoplastikpartikeln reicht dieser Schutz oft nicht aus. Sie können tief in die Lunge eindringen und bis in die feinsten Verästelungen der Lungenbläschen gelangen – dort, wo der Gasaustausch mit dem Blut stattfindet.
Was genau Mikroplastik in der Lunge anrichtet, war lange Zeit weitgehend unbekannt. Zwar wurde bereits in Studien Mikroplastik in menschlichem Lungengewebe gefunden, doch über die genauen biologischen Vorgänge wusste man kaum etwas – bis jetzt.
Neue Studie der MedUni Wien – ein genauer Blick auf die Zellen
Ein Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien untersuchte in ihrer Studie erstmals gezielt, wie Mikro- und Nanoplastikpartikel aus Polystyrol mit menschlichen Lungenzellen interagieren.
Polystyrol ist ein weit verbreiteter Kunststoff, der vor allem in Alltagsgegenständen verwendet wird – etwa in Joghurtbechern, Coffee-to-go-Bechern, Verpackungen, Einweggeschirr oder Dämmmaterial. In der Studie verwendeten die Forscher winzige Partikel aus Polystyrol mit einer Größe von nur 0,00025 Millimetern – also deutlich kleiner als ein Sandkorn oder sogar als viele Bakterien.
Was die Forscher:innen herausfanden, war überraschend und besorgniserregend: Gesunde Lungenzellen nahmen die Partikel deutlich stärker auf als bereits bösartige (krebskranke) Lungenzellen. Das bedeutet: Vor allem gesundes Lungengewebe ist gefährdet, wenn es mit diesen Plastikpartikeln in Kontakt kommt.
Die Folgen: Zellveränderungen, Stress und mögliche Krebsentwicklung
Nach dem Eindringen der Mikroplastikpartikel in die gesunden Lungenzellen beobachtete das Forschungsteam verschiedene schädliche Reaktionen:
- DNA-Schäden: Das Erbgut der Zellen wurde beschädigt – was zu Mutationen führen kann.
- Oxidativer Stress: Die Zellen zeigten eine erhöhte Produktion freier Radikale – vergleichbar mit den Schäden durch Rauchen oder Umweltgifte.
- Aktivierung von Signalwegen: Bestimmte Zellfunktionen, die das Zellwachstum und Überleben fördern, wurden angeregt.
- Zellmigration: Die Zellen begannen sich auffällig zu bewegen – ein Prozess, der mit der frühen Tumorbildung zusammenhängen kann.
- Verminderte Reparaturfähigkeit: Die Fähigkeit der Zellen, entstandene Schäden zu reparieren, war reduziert.
Diese Veränderungen sind besonders alarmierend, weil sie typische Frühzeichen für die Entstehung von Krebs darstellen. Studienleiterin Karin Schelch betont: „Auffällig war vor allem die reduzierte Fähigkeit der gesunden Zellen, DNA-Schäden zu reparieren – gleichzeitig wurden Signalwege aktiviert, die normalerweise das Zellwachstum begünstigen.“
Erstautorin Büsra Ernhofer ergänzt, dass die Zellen zwar versuchten, sich zu schützen – etwa durch die Aktivierung antioxidativer Abwehrsysteme – aber diese Reaktionen reichten offenbar nicht aus, um die Schäden vollständig zu verhindern.
Besonders besorgniserregend: Bereits eine kurzfristige Belastung mit Mikroplastik könnte genügen, um diese Reaktionen auszulösen. Die langfristigen Folgen – etwa ob daraus tatsächlich Krebs entstehen kann – sind zwar noch nicht sicher belegt, doch die Hinweise sind eindeutig beunruhigend.
Warum diese Studie so wichtig ist – und was wir tun können
Die Ergebnisse der Studie sind ein wichtiger Schritt, um die Risiken von Mikroplastik für die menschliche Gesundheit besser zu verstehen. Vor allem zeigen sie, dass Mikroplastik nicht nur ein Umweltproblem ist, sondern auch direkt unsere Gesundheit gefährdet – besonders über die Lunge.
Das bedeutet konkret: Es braucht mehr interdisziplinäre Forschung, um die Langzeitfolgen der Mikroplastikbelastung zu verstehen. Wie wirken sich Mikroplastikpartikel über Jahre oder Jahrzehnte auf die Lunge aus? Welche Rolle spielen sie bei chronischen Lungenkrankheiten oder Krebs?
Zudem müssen strengere Gesetze erlassen werden, um Plastikmüll zu reduzieren und Mikroplastik in Produkten zu vermeiden. Auch der Ausbau von Filtertechnologien in Kläranlagen oder Industrieanlagen ist dringend notwendig. Hersteller sollten auf nachhaltige Alternativen zu Plastik setzen. Biologisch abbaubare Materialien oder wiederverwendbare Produkte könnten helfen, den Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt zu reduzieren.
Aber auch jeder Einzelne von uns kann darauf achten, Mikroplastik so gut es geht zu vermeiden, das wäre:
- Mehrwegprodukte statt Einwegverpackungen verwenden
- Kleidung aus Naturfasern kaufen
- Kosmetik ohne Mikroplastik wählen
- Müll richtig entsorgen
- Weniger Plastik konsumieren und bewusster einkaufen
Prävention: Schutz und Stärkung der Lunge
Neben dem Thema Mikroplastik sind auch andere Faktoren, die in unserem Lebensstil verankert sind, schädlich für die Lunge und sollten bewusst beachtet werden. Um die Lunge zu schützen und zu stärken, können folgende Maßnahmen helfen:
- Rauchen vermeiden: Kein aktives oder passives Rauchen, um die Lungenzellen zu schonen.
- Regelmäßige Bewegung: Ausdauersport wie Radfahren, Schwimmen oder Joggen stärkt die Atemmuskulatur und erhöht die Lungenkapazität.
- Atemübungen: Bewusstes tiefes Atmen fördert die Sauerstoffaufnahme und steigert das Wohlbefinden.
- Gesunde Ernährung: Viel Obst, Gemüse und ausreichende Flüssigkeit unterstützen das Immunsystem und die Atemwege.
- Gute Raumluft: Regelmäßig lüften, Schadstoffe vermeiden und Schimmel vorbeugen, um die Luftqualität zu verbessern.
Bildquellen
- Plastikflaschen sollte man so gut es geht vermeiden: iStockphoto.com/ kieferpix

