Östrogenspiegel: Wie das Hormon Gehirn und Immunsystem beeinflusst

Hast du dich schon einmal gefragt, warum sich deine Konzentration und dein Gedächtnis im Laufe des Zyklus verändern können? Oder warum das Risiko für bestimmte Erkrankungen nach den Wechseljahren steigt? Ein wesentlicher Faktor dafür ist das Hormon Östrogen.

Es steuert nicht nur den Menstruationszyklus, sondern wirkt auch auf Strukturen im Gehirn und Zellen deines Immunsystems.
Neue Studien zeigen, dass dein Östrogenspiegel viel stärker mit geistiger Leistungsfähigkeit und Infektanfälligkeit verbunden ist, als man lange dachte.

Östrogenspiegel – mehr als ein Hormon der Fortpflanzung

Östrogen wird oft auf Fruchtbarkeit und Zyklus reduziert, doch es hat zahlreiche weitere Aufgaben: Es unterstützt den Erhalt von Knochenmasse, reguliert den Fettstoffwechsel, beeinflusst die Hautelastizität und spielt eine wichtige Rolle bei Herz-Kreislauf-Gesundheit.

Ein besonders sensibles Gebiet ist die vaginale Gesundheit: Östrogen sorgt dafür, dass die Schleimhäute der Vagina feucht, elastisch und gut durchblutet bleiben. Gleichzeitig stabilisiert es die vaginale Flora, indem es das Wachstum gesunder Milchsäurebakterien fördert, die einen sauren pH-Wert aufrechterhalten und so Infektionen wie Vaginitis vorbeugen.

Im Gehirn beeinflusst es Denkprozesse, Stimmung und Gedächtnis. Im Immunsystem reguliert es die Aktivität von Abwehrzellen. Forschende beschreiben Östrogen deshalb zunehmend als „multifunktionales Signalhormon“, das über verschiedene Lebensphasen hinweg wichtige Schutzfunktionen übernimmt. Kurz: Schwankungen im Hormonspiegel wirken sich nicht nur auf das körperliche Befinden aus, sondern auch auf geistige Leistungsfähigkeit und Krankheitsrisiken.

@gyn.doci♬ Originalton – Dr. Andrea Lederer

Mit Hirn, Charme und Östrogen

Besonders deutlich zeigt sich der Einfluss im Hippocampus – einer Gehirnregion, die für Erinnerungen und räumliche Orientierung entscheidend ist. Eine Studie nutzte neuartige 3D-Methoden, um die Form des Hippocampus bei Frauen im Verlauf des Menstruationszyklus zu analysieren.

Das Ergebnis: Schon natürliche Schwankungen des Östrogenspiegels gehen mit messbaren Veränderungen dieser Struktur einher. Das deutet darauf hin, dass deine kognitive Leistungsfähigkeit eng mit hormonellen Prozessen verknüpft ist. Solche Erkenntnisse liefern erstmals wissenschaftlich fundierte Erklärungen dafür, warum Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung während des Zyklus variieren können.

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Bist du unkonzentriert und verlierst häufiger den “roten Faden”? Vielleicht könnte ein Östrogenmangel dahinterstecken. © IStockphoto.com/ Srdjanns74

Schutz im Alter – Östrogen und Demenzrisiko

Mit den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel dauerhaft ab. Forschungen legen nahe, dass dies nicht nur die Lebensqualität durch klassische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Hitzewallungen beeinflusst, sondern auch das Gehirn langfristig belastet.

Eine weitere Studie zeigt: Frauen mit höheren Östrogenwerten nach der Menopause haben weniger sogenannte „white matter hyperintensities“. Dabei handelt es sich um kleine Schäden in der weißen Substanz des Gehirns, die als Risikofaktor für Alzheimer und andere Demenzen gelten. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass Östrogen einen schützenden Effekt auf neuronale Verbindungen haben könnte. Offen bleibt, ob eine gezielte Hormonersatztherapie diesen Schutz tatsächlich verstärken kann – hier sind weitere Studien notwendig.

Stimmung und emotionale Stabilität

Östrogen beeinflusst nicht nur die Struktur des Gehirns, sondern auch die chemische Signalübertragung. Es reguliert Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin, die für Stimmung, Motivation und Stressverarbeitung entscheidend sind. Viele Frauen berichten in der Perimenopause von Reizbarkeit, Nervosität oder depressiven Verstimmungen.

Solche Symptome stehen nachweislich in engem Zusammenhang mit hormonellen Schwankungen. Für dich bedeutet das: Veränderungen der Stimmung sind in vielen Fällen biologisch erklärbar und nicht bloß „psychische Launen“. Ein stabiler Östrogenspiegel unterstützt emotionale Ausgeglichenheit und geistige Flexibilität.

Östrogen als Regler des Immunsystems

Auch das Immunsystem reagiert sensibel auf hormonelle Veränderungen. Immunzellen besitzen Rezeptoren, die auf Östrogen ansprechen. Das Hormon kann auf verschiedene Weise wirken:

  • Es fördert die Aktivität von Abwehrzellen wie T-Zellen und Makrophagen.
  • Es unterstützt entzündungshemmende Prozesse.
  • Es verstärkt die Reaktion bei Infektionen.

Damit erklärt sich, warum Frauen im gebärfähigen Alter oft eine robustere Immunantwort zeigen, gleichzeitig aber auch häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen sind. Dein Östrogenspiegel wirkt also wie ein Regler, der das Gleichgewicht zwischen Schutz und Überreaktion bestimmt.

Niedriger Östrogenspiegel: Infektionsrisiko ist erhöht

Nach der Menopause fällt dieser Schutz zunehmend weg: Erste Auswertungen während der Corona-Pandemie, unter anderem beschrieben auf Andromenopause, deuten darauf hin, dass ein niedriger Östrogenspiegel mit schwereren COVID-19-Verläufen bei älteren Frauen verbunden sein könnte.

Forschende vermuten, dass Östrogen nicht nur das Immunsystem stärkt, sondern auch direkt die Funktion von Lungenzellen beeinflusst. Dadurch könnte es die Abwehr von Viren unterstützen. Ob eine Hormonersatztherapie in solchen Situationen einen Nutzen hat, ist noch nicht ausreichend untersucht. Dennoch zeigen die Daten, dass der Zusammenhang zwischen Hormonstatus und Infektionsrisiko stärker beachtet werden sollte.

Östrogen im Fokus: Perspektiven für die Forschung

Zusammenfassend zeigt die aktuelle Forschung: Östrogen ist weit mehr als ein Hormon der Fortpflanzung. Es schützt Gehirnstrukturen, beeinflusst Stimmung und Denkprozesse und reguliert die Immunabwehr. Für die Medizin bedeutet das, dass der Hormonstatus künftig eine größere Rolle in der Prävention von Demenz und Infektionskrankheiten spielen könnte.

Gleichzeitig sind die Risiken einer Hormonersatztherapie – etwa im Hinblick auf Brustkrebs – nicht zu vernachlässigen. Für dich heißt das: Veränderungen im Befinden solltest du ernst nehmen und mit Fachärzt:innen besprechen. Langfristig könnten individuelle Strategien, die den Hormonstatus berücksichtigen, helfen, Gesundheit und Lebensqualität gezielt zu fördern.

Bildquellen

  • : © IStockphoto.com/ Srdjanns74
  • Östrogenspiegel der Frau: iStockphoto.com/ FreshSplash

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