Druck, Leistung, Burnout: Was Profisport mit der Psyche macht

Profisport und Psyche

Viele träumen von Profisport, von strahlenden Siegerbilder, emotionalen Höhepunkten und weltweiter Anerkennung. Doch hinter den Kulissen zeigt sich oft ein anderes Bild. Athletinnen und Athleten stehen unter enormem Druck – und dieser wirkt sich längst nicht nur auf ihre körperliche, sondern vor allem auf ihre mentale Gesundheit aus. Immer häufiger sprechen Spitzensportler:innen offen darüber, wie sehr der Leistungsdruck ihre Psyche belastet. Damit beginnt eine wichtige Debatte über ein System, das Höchstleistungen fordert, aber lange kaum Rücksicht auf die seelische Verfassung nahm.

Der frühe Einstieg in ein System der Erwartungen

Kaum jemand landet zufällig im Profisport. Viele Athlet:innen beginnen bereits im Kindes- oder Jugendalter mit intensivem Training. Was als Spaß beginnt, entwickelt sich schnell in ein strukturiertes Leistungssystem. Wer Talent zeigt, wird gefördert – und wer gefördert wird, spürt früh die Erwartungen von Trainern, Familie und Vereinen. Dieser frühe Leistungsdruck formt Karrieren, aber auch Persönlichkeiten. Manche Kinder blühen darunter auf, andere verlieren sich im Gefühl, immer „abliefern“ zu müssen.

Im Profibereich verstärken sich diese Erwartungen nochmals deutlich. Hier geht es nicht mehr nur um persönliche Weiterentwicklung, sondern um Verträge, Sponsoren, finanzielle Sicherheit und internationale Konkurrenz. Fehler können nicht nur sportliche Auswirkungen haben, sondern gleich den eigenen beruflichen Status bedrohen.

Der Einfluss der Medien im Profisport

Waren Sportler:innen früher vor allem im Stadion sichtbar, sind sie heute rund um die Uhr unter Beobachtung. Leistungsanalysen, Talkshows, Social Media – jedes Spiel, jeder Lauf, jede Äußerung wird kommentiert. Kritik kommt nicht nur von Expert:innen, sondern von Millionen Nutzer:innen. Ein Formtief kann schnell zu einem medialen Sturm führen, der sich nicht mehr eindämmen lässt.

Für viele Athlet:innen entsteht dadurch ein Gefühl ständiger Bewertung. Die Welt scheint zuzuschauen, bereit, jeden Fehler herauszugreifen. Diese Form der Dauerpräsenz begünstigt Ängste und Selbstzweifel. Selbst Siege bringen nicht immer Entlastung, denn mit jedem Triumph steigen auch die Erwartungen. Was gestern Rekord war, ist heute Standard.

Die psychischen Folgen

Die mentale Belastung im Profisport kann drastische Auswirkungen haben. Während körperliche Verletzungen offensichtlich sind, bleiben psychische Probleme oft unsichtbar – und werden dadurch leicht unterschätzt. Viele Athlet:innen berichten von Symptomen, die sie lange nicht einordnen konnten: Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, innere Leere, Nervosität oder plötzliche Panikgefühle.

Depressionen sind dabei keine Seltenheit. Die Diskrepanz zwischen öffentlichem Erfolg und innerem Erleben kann stark belasten. Auch Angststörungen treten häufig auf – besonders vor wichtigen Wettkämpfen oder im Zusammenhang mit langfristigem Druck. Hinzu kommen Burn-out-Erscheinungen, wenn Körper und Geist über Monate oder Jahre auf Hochleistung laufen, ohne ausreichend Erholungsphasen zu bekommen.

Eine besonders sensible Problematik sind Essstörungen in Sportarten, in denen Gewicht oder Körperform eine zentrale Rolle spielt. Hier kann der Wunsch nach der perfekten Figur oder dem optimalen Wettkampfgewicht zu gefährlichen Verhaltensmustern führen. Betroffene leiden oft im Stillen, aus Angst, ihre Karriere aufs Spiel zu setzen.

Wenn Weltstars über mentale Gesundheit sprechen

Lange galt es als Tabu, über psychische Schwierigkeiten zu sprechen. Doch in den letzten Jahren haben mehrere Weltstars den Mut aufgebracht, ihre Kämpfe öffentlich zu machen.

Simone Biles etwa erklärte bei den Olympischen Spielen 2021, dass sie aus mentalen Gründen nicht teilnehmen könne – ein bisher beispielloser Schritt im Turnsport. Naomi Osaka sprach offen über Angststörungen und den Druck durch Pressekonferenzen. Michael Phelps erzählte von schweren Depressionen nach seiner Schwimmkarriere.

Diese Offenheit hat dem Thema eine neue Sichtbarkeit verschafft. Wenn selbst Ikonen, die als unbesiegbar gelten, psychische Probleme haben, zeigt das der Welt: Niemand ist davor geschützt. Gleichzeitig ermutigt es junge Athlet:innen, früher über ihre Belastungen zu sprechen.

 

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Wenn das System überfordert

Psychische Belastungen entstehen nicht nur durch individuelle Schwächen oder Krisen. Sie sind oft Resultat eines Systems, das über Jahrzehnte auf maximale Leistung getrimmt wurde, ohne Rücksicht auf mentale Bedürfnisse. Trainingspläne sind eng getaktet, Wettkampfkalender oft überfüllt. Off-Seasons werden kürzer, die Regeneration kommt zu kurz.

Hinzu kommt, dass in vielen Sportarten noch immer der Glaubenssatz existiert, mentale Probleme seien ein Zeichen von Schwäche. Diese Haltung verstellt Betroffenen den Weg zur Hilfe. Wer zugibt, mental angeschlagen zu sein, riskiert nicht selten, als „unsicher“ oder „instabil“ abgestempelt zu werden. Das führt dazu, dass viele Athlet:innen leiden, ohne dass jemand etwas bemerkt – oder ohne dass sie sich trauen, über ihre Gefühle zu sprechen.

Mehr Raum für mentale Gesundheit

Glücklicherweise findet in vielen Sportarten ein Wandel statt. Vereine und Verbände beginnen zu erkennen, dass mentale Gesundheit genauso trainiert und geschützt werden muss wie körperliche Fitness. Sportpsycholog:innen gehören immer häufiger fest zum Trainerstab. Sie helfen Athlet:innen nicht nur bei Wettkampfvorbereitung, sondern auch bei Krisen, persönlichen Konflikten oder der Verarbeitung von Rückschlägen.

Auch eine offenere Kommunikation im Team kann viel bewirken. Wenn Trainer, Betreuer oder Mitspieler eine Kultur schaffen, in der emotionale Schwierigkeiten ernst genommen werden, entsteht ein sicherer Raum, der präventiv wirkt. Einige Vereine haben begonnen, feste Ruhezeiten einzuführen, Medienzugänge zu regulieren oder Athlet:innen stärker vor öffentlicher Belastung zu schützen.

Was Sportler:innen selbst tun können

Neben den strukturellen Veränderungen spielen die Sportler:innen selbst eine entscheidende Rolle. Viele entdecken mentale Routinen als wichtigen Bestandteil ihres Alltags – sei es durch Meditation, Atemtechniken, Visualisierungen oder Gespräche mit Coaches und Psycholog:innen. So gelingt es ihnen, ihre Emotionen besser zu steuern und ihr Selbstwertgefühl nicht allein von sportlichen Ergebnissen abhängig zu machen.

Ein stabiles soziales Umfeld kann ebenso unterstützen. Familie und Freunde, die unabhängig von Sieg oder Niederlage da sind, geben Halt und Perspektive. Wichtig ist auch der Mut, frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen, bevor sich Probleme verfestigen oder eskalieren. J

Mental Health als Grundlage nachhaltiger Leistung

Der Profisport befindet sich im Wandel. Die Erkenntnis setzt sich durch, dass mentale Gesundheit keine Nebensache ist, sondern eine Grundvoraussetzung für Bestleistungen.

Das Bild des unverwundbaren Superathleten, der ohne Zweifel und ohne Angst funktioniert, weicht langsam einer realistischeren Sichtweise. Athlet:innen sind Menschen – mit Gefühlen, Ängsten, Stärken und Schwächen. Diese Menschlichkeit anzuerkennen, bedeutet nicht, dass der Sport weniger leidenschaftlich oder ehrgeizig wird. Im Gegenteil: Sie schafft Raum für authentischen Wettkampf und echte Größe.

@mollycarlson #BellLetsTalk #MentalHealth #BraveGang ♬ som original – alvezlu

Bildquellen

  • Profisport und Psyche: iStockphoto.com/ simonkr

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