Zuerst war es das Mouth-Taping: der Trend, sich über Nacht den Mund zuzukleben. Dann folgten immer mehr nächtliche Routinen. Für den „Morning Shed“-Trend wurden abends Kollagenmasken aufgetragen, Eye-Patches unter die Augen geklebt, ein Seiden-Bonnet über die Haare gestülpt und Lockenwickler für makellose Wellen platziert. Auch der Kinnriemen durfte nicht fehlen – schließlich soll die Jawline beim Aufwachen möglichst definiert sein. Jetzt kommt der nächste Schritt im nächtlichen Optimierungsritual: das Brustkissen für Seitenschläferinnen. Es soll verhindern, dass sich über Nacht Falten zwischen den Brüsten bilden.
Warum sich überhaupt Falten auf dem Dekolleté bilden
Mit zunehmendem Alter verliert die Haut an Spannkraft, Elastizität und Feuchtigkeit. Besonders betroffen: das Dekolleté. Hier ist die Haut besonders dünn, sensibel und oft zusätzlich durch UV-Strahlung geschädigt. Wer dann noch bevorzugt auf der Seite schläft, verstärkt den Effekt: Die Brüste drücken sich zusammen, die Haut wird gefaltet, die Falten schleifen sich über die Jahre dauerhaft ein.
Die Idee hinter dem Brustkissen
Brustkissen versprechen, genau hier anzusetzen. Sie sollen die Brüste nachts voneinander fernhalten, so dass die Haut am Dekolleté glatt bleibt und sich keine Falten mehr bilden. Das Prinzip ist simpel: Weniger Druck, weniger Reibung, weniger Knitterfalten.
Je nach Modell funktionieren sie entweder mit verstellbaren Trägern (ähnlich einem BH ohne Körbchen) oder als loses Kissen, das in einem engen Top gehalten wird. Die Materialpalette reicht von Memory Foam über Silikon bis hin zu Luftkammern mit Gel-Effekt. Einige Produkte erinnern eher an orthopädische Hilfsmittel als an Kosmetik-Accessoires.
@tatjanakreuzmayr Das Leben ist nicht leicht 😂 #fy #fyp #transition #waitforit ♬ Them Changes (Sped Up) – Thundercat
Funktioniert das wirklich?
Jein. Wer auf der Seite schläft und dabei regelmäßig mit einem zerknitterten Dekolleté aufwacht, kann durch das Tragen eines Brustkissens tatsächlich eine Verbesserung feststellen – vorausgesetzt, das Kissen bleibt über Nacht an Ort und Stelle und stört den Schlaf nicht.
Einige Nutzerinnen berichten von sichtbaren Ergebnissen nach wenigen Wochen. Andere wiederum empfinden das Kissen als störend, unbequem oder schlicht wirkungslos. Auch dermatologisch betrachtet ist die Wirkung begrenzt: Ein Brustkissen kann Falten verhindern, aber nicht behandeln. Bereits vorhandene Linien verschwinden davon nicht.
Wer sich also erhofft, mit einem Brustkissen zehn Jahre Hautalterung rückgängig zu machen, wird enttäuscht sein.
Der Hype – und seine Schattenseiten
Dass sich um ein so simples Produkt wie das Brustkissen ein regelrechter Hype entwickeln konnte, liegt nicht nur am geschickten Marketing, sondern auch an einem psychologischen Mechanismus: Die Vorstellung, über Nacht aktiv etwas gegen die Zeichen der Hautalterung zu tun, vermittelt vielen ein Gefühl von Kontrolle – gerade in einem Bereich, der sich dem eigenen Einfluss oft entzieht.
Doch genau hier beginnt auch die Kritik. Die Erwartungen an das Brustkissen sind häufig überhöht. Seine Wirkung ist rein physikalischer Natur – es ersetzt weder Hautpflege noch medizinische Behandlungen.
Auch der Preis gibt Anlass zur Skepsis. Für ein Produkt, das weder massiert noch kühlt oder medizinisch wirksam ist, sondern im schlimmsten Fall verrutscht, sind 80 Euro oder mehr kaum nachvollziehbar. Hinzu kommt ein nicht unerhebliches Nachhaltigkeitsproblem: Die meisten Brustkissen bestehen aus Kunststoff, sind aufwendig verpackt und haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Eine umweltfreundliche Alternative sucht man bisher vergeblich.
Silikon-Pads: Die bessere Alternative?
Neben Brustkissen haben sich in den letzten Jahren auch Silikon-Pads als Mittel gegen Falten im Dekolleté-Bereich etabliert. Diese selbstklebenden Auflagen aus medizinischem Silikon werden direkt auf die Haut aufgelegt und bleiben dort über Nacht haften. Die Anwendung orientiert sich an Methoden aus der Narbenbehandlung: Das Silikon soll Feuchtigkeit in der Haut binden, ein feuchtes Milieu schaffen und dadurch die Regeneration unterstützen.
Im Gegensatz zum Brustkissen wirken Silikon-Pads direkt auf der Haut und verrutschen in der Regel nicht, auch wenn man sich im Schlaf viel bewegt. Einige Nutzerinnen berichten von glatter wirkender Haut nach regelmäßiger Anwendung. Wissenschaftlich gesicherte Langzeitstudien zur Wirksamkeit in der Faltenbehandlung gibt es allerdings kaum.
Hinzu kommen praktische Einschränkungen: Die Pads sind vergleichsweise teuer, müssen regelmäßig ersetzt werden und können – je nach Hauttyp – zu Irritationen führen. Ob sie eine sinnvolle Alternative darstellen, hängt daher stark von den individuellen Bedürfnissen, Erwartungen und der Hautverträglichkeit ab.
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Immer neue “Problemzonen”
Der Trend zeigt, wie tief der Schönheitsdruck inzwischen reicht – bis hin zur nächtlichen Schlafhaltung. Während Männer noch ungestört mit zerknittertem Bauch schlafen dürfen, sollen Frauen auch nachts faltenfrei, gepflegt und idealerweise „instagram-ready“ sein.
Das ist ein durchaus kritischer Punkt: Denn wenn selbst natürliche, kaum vermeidbare Alterungszeichen wie Brustfalten zur kosmetischen Problemzone erklärt werden, geraten wir schnell in einen toxischen Optimierungswahn.
Für wen eignet sich das Brustkissen?
Trotz aller Kritik: Brustkissen können eine sinnvolle Ergänzung für manche Frauen sein – insbesondere für Seitenschläferinnen mit größerer Brust, die gezielt Faltenbildung verhindern möchten. Auch wer lieber keine Cremes oder Pads verwenden will, findet hier eine rein mechanische Lösung, die ohne Wirkstoffe auskommt.
Wichtig ist nur: realistische Erwartungen haben. Das Kissen ist kein Ersatz für Hautpflege. Aber es kann ein unterstützender Baustein sein – besonders, wenn es richtig sitzt, angenehm zu tragen ist und regelmäßig verwendet wird.

