Graue Haare: Kann man sie rückgängig machen?

Graue Haare

Das erste graue Haar ist für viele ein kleiner Moment der Erkenntnis und Schock zugleich: Die Zeit geht weiter – und zwar sichtbar. Manche betrachten es mit Gelassenheit, andere mit Stress und wieder andere greifen reflexartig sogar gleich zur Pinzette.

Doch; Graue Haare sind ein natürlicher Teil des Alterns, doch der Wunsch, sie zu verhindern oder sogar rückgängig zu machen, bleibt groß. Doch geht das wirklich?

Genetik, Zeit und Stress: Warum Haare grau werden

Graue Haare entstehen, wenn die pigmentproduzierenden Melanozyten in den Haarfollikeln ihre Aktivität verringern oder ihre Stammzellen verlieren. Melanin, das Pigment, das dem Haar seine Farbe verleiht, wird nach und nach weniger produziert – bis die Haarfaser schließlich farblos nachwächst.

Dieser Prozess ist ein ganz natürlicher Teil des Alterns und betrifft ausnahmslos jeden Menschen – nur eben zu unterschiedlichen Zeiten. Die Genetik spielt dabei eine besonders große Rolle: Wer früh ergraut, findet den Grund dafür häufiger im Familienstammbaum als im Lebensstil.

Doch die Biologie ist nicht der einzige Faktor: Im Laufe der Jahre sammelt sich im Haarfollikel Wasserstoffperoxid an – ein Stoff, der auch bei künstlicher Blondierung zum Einsatz kommt.

Der Körper bleicht sich gewissermaßen selbst. Gleichzeitig schädigen freie Radikale die Zellen, die Melanin herstellen. Lange galt all das als unumkehrbar. Doch aktuelle Studien zeigen: Der Prozess ist unter bestimmten Bedingungen möglicherweise flexibler, als man bisher dachte.

Stress als Beschleuniger – und manchmal auch als umkehrbarer Faktor

Dass chronischer Stress Auswirkungen auf den Körper hat, wissen wir längst: Er beeinflusst Schlaf, Immunsystem und Haut – und offenbar auch die Haarfarbe.

Wissenschaftliche Untersuchungen konnten zeigen, dass andauender oder intensiver Stress die Stammzellen schädigen kann, die für die Pigmentproduktion zuständig sind. Das sympathische Nervensystem schüttet Botenstoffe aus, die die Melanozyten beeinflussen und so die Bildung von Melanin reduzieren.

Spannend wird es jedoch an einem anderen Punkt: Forschende beobachteten in mehreren Studien, dass Haare in bestimmten Fällen wieder nachdunkeln, wenn der Stress deutlich sinkt. Dabei handelt es sich nicht um ein Massenphänomen, aber um ein klar belegtes.

Besonders bei Menschen, die relativ jung oder gesund sind und deren Follikel noch über aktive Stammzellen verfügen, scheint dieser Effekt auftreten zu können. Stressreduktion ersetzt natürlich keine Haarfarbe, aber sie kann – zumindest bei stressbedingtem Ergrauen – einen kleinen Unterschied machen. Und sie ist in jedem Fall gut für das Wohlbefinden.

Wirkung auf die Pigmentierung: Welche Rolle von Mikronährstoffen

Haare sind keine „isolierten“ Schönheitsmerkmale, sondern das Ergebnis vieler biologischer Prozesse im Körper. Daher spielt die Ernährung eine viel größere Rolle, als häufig angenommen wird. Ein Mangel an bestimmten Nährstoffen kann das Ergrauen beschleunigen oder begünstigen.

Besonders relevant sind Vitamin B12, Folsäure, Biotin, Eisen, Zink, Kupfer und verschiedene Antioxidantien. Ohne sie kann der Körper Melanin schlechter bilden oder freie Radikale nicht ausreichend neutralisieren.

In einigen Fällen konnten medizinisch dokumentierte Nährstoffmängel (Stichwort: Blutbild)– vor allem bei Vitamin B12 oder Kupfer – tatsächlich graue Haare verursachen. Wenn der Mangel behoben wurde, dunkelten einige Haare wieder nach. Das ist nicht die Norm, aber ein weiterer wichtiger Punkt.

Denn auch wenn graue Haare selten nur ein Ernährungsproblem sind, kann eine ausgewogene Versorgung mit Mikronährstoffen die Pigmentzellen durchaus unterstützen.

Allerdings gilt dabei: Nahrungsergänzungsmittel sind kein Wundermittel. Sie wirken nur dann, wenn wirklich ein Defizit besteht.

Deshalb ist es sinnvoll, vor einer eigenständigen Supplementierung die aktuellen Blutwerte prüfen zu lassen.

Genetik und Alter: Wo die Grenzen der Rückgängig-Machbarkeit liegen – und wo nicht

Etwa 70 bis 80 Prozent des Ergrauens sind genetisch bedingt. Das erklärt, warum manche Menschen schon Ende 20 graue Strähnen entwickeln, während andere erst im Pensionsalter erste Silberfäden entdecken. Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass genetisch bedingtes Ergrauen endgültig sei. Doch neuere Erkenntnisse zeigen eine etwas differenziertere Perspektive.

Stammzellen in den Haarfollikeln sind grundsätzlich flexibel. Sie können in bestimmten Situationen reaktiviert werden, sofern sie noch vorhanden sind und nicht dauerhaft verloren gingen. Das bedeutet: Ein Teil des Ergrauens könnte theoretisch reversibel sein, auch wenn die Forschung hier noch am Anfang steht.

Besonders interessant sind Erkenntnisse, die zeigen, dass Follikel bei ausreichender Regeneration – etwa bei der Reduktion von oxidativem Stress – wieder pigmentactive Zellen hervorbringen könnten.

Dennoch bleibt die Realität: Wenn pigmentproduzierende Stammzellen dauerhaft verschwunden sind, kann der Körper die ursprüngliche Haarfarbe nicht ohne medizinische Eingriffe zurückbringen. Die Frage ist also nicht „Kann man graue Haare bei jedem rückgängig machen?“, sondern: „Unter welchen Bedingungen kann der Körper Pigmentzellen reaktivieren – und wann nicht?“

Medizinische Innovationen – wie nah wir an einer tatsächlichen Rückfärbung sind

Die Forschung zur Haarpigmentierung hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Einer der wichtigsten Ansätze beschäftigt sich mit oxidativem Stress im Haarfollikel. Wenn sich Wasserstoffperoxid ansammelt, wird das Haar von innen heraus gebleicht. Wissenschaftler arbeiten an Enzymen und Wirkstoffen, die dieses Wasserstoffperoxid neutralisieren könnten.

Einige experimentelle Substanzen – noch nicht für den Markt bestimmt – zeigten in Laborumgebungen die Fähigkeit, Melaninproduktion unter bestimmten Bedingungen wieder anzukurbeln. Parallel wird an Medikamenten geforscht, die eigentlich für Pigmentstörungen der Haut entwickelt wurden. Hier wird untersucht, ob deren Wirkung auf die Haarwurzeln übertragbar ist.

Auch die Stammzellforschung liefert spannende Perspektiven. In Tiermodellen konnten pigmentproduzierende Zellen teilweise regeneriert werden. Allerdings sind diese Ansätze noch weit von einer praktischen, breiten Anwendung entfernt.

Was heute jedoch klar ist: Die Rückfärbung grauer Haare ist kein reines Wunschdenken mehr. Sie ist ein realistisches Forschungsziel – dessen Umsetzung noch einige Jahre dauern wird.

Bildquellen

  • Graue Haare: iStockphoto.com /ozgurcankaya

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