Haare sind mehr als nur ein natürlicher Kopfschmuck. Für viele Menschen sind sie ein zentrales Element ihrer Identität – Symbol für Jugend, Gesundheit oder auch Stilbewusstsein. Umso größer ist der Schock, wenn plötzlich auffällt, dass beim Kämmen ungewöhnlich viele Haare in der Bürste landen, sich auf dem Kopfkissen sammeln oder der Scheitel breiter wird. Dafür gibt es viele gut erforschte Ursachen – einige überraschender, als man denkt.
1. Genetisch bedingter Haarausfall
Die häufigste Ursache für Haarausfall ist tatsächlich genetischer Natur. Die sogenannte androgenetische Alopezie, besser bekannt als erblich bedingter Haarausfall, betrifft rund 80 Prozent der Männer und etwa jede zweite Frau im Laufe ihres Lebens. Bei Männern beginnt er oft mit Geheimratsecken und einer zurückweichenden Stirnlinie, bei Frauen eher mit lichter werdendem Haar im Bereich des Mittelscheitels. Die Stirn bleibt meist verschont.
Auslöser ist eine Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Dihydrotestosteron (DHT), einem Abbauprodukt des männlichen Sexualhormons Testosteron. DHT sorgt dafür, dass die Wachstumsphase der Haare immer kürzer wird. Die Folge: Die Haare werden dünner, feiner und wachsen irgendwann gar nicht mehr nach.
Auch wenn dieser Prozess genetisch vorgegeben ist, bedeutet das nicht, dass man ihm völlig ausgeliefert ist. Medikamente wie Minoxidil (äußerlich angewendet) oder Finasterid (oral eingenommen, allerdings nur für Männer zugelassen) können helfen, den Haarausfall zu verlangsamen oder sogar teilweise rückgängig zu machen. Aber auch hier gilt: Je früher man beginnt, desto besser.
2. Haarausfall durch Mangelerscheinungen
Haare bestehen hauptsächlich aus Keratin – einem Protein – und benötigen für gesundes Wachstum viele verschiedene Nährstoffe. Eisen, Zink, Biotin (Vitamin B7), Vitamin D und B12 sind besonders wichtig. Ein Mangel an einem oder mehreren dieser Stoffe kann den Haarzyklus stören und zu Haarausfall führen.
Besonders häufig ist ein Eisenmangel, vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter. Auch Vegetarier:innen oder Veganer:innen sind gefährdeter, da einige dieser Nährstoffe hauptsächlich in tierischen Produkten vorkommen.
Ein einfacher Bluttest kann hier schnell Klarheit schaffen. Wichtig ist, nicht auf eigene Faust Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen – zu viel des Guten kann ebenfalls schaden. Eine gezielte, ärztlich begleitete Supplementierung ist sicherer und wirksamer.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
3. Hormone im Ungleichgewicht
Hormone spielen eine zentrale Rolle für den Haarzyklus – insbesondere bei Frauen. Schwangerschaft, Stillzeit, Wechseljahre oder auch das Absetzen hormoneller Verhütungsmittel wie der Pille können das hormonelle Gleichgewicht durcheinanderbringen und dadurch den Haarwuchs beeinflussen.
In vielen Fällen handelt es sich um den sogenannten postpartalen Haarausfall, der typischerweise wenige Monate nach der Geburt auftritt. Während der Schwangerschaft sind die Östrogenspiegel hoch, was das Haar voller und dichter erscheinen lässt. Nach der Geburt sinken die Hormonwerte wieder, und viele Haare, die während der Schwangerschaft in der Wachstumsphase “festgehalten” wurden, fallen nun gleichzeitig aus. Das sieht dramatisch aus, ist aber in der Regel harmlos und vorübergehend.
Auch Schilddrüsenprobleme können die Haarpracht deutlich beeinflussen. Sowohl eine Überfunktion (Hyperthyreose) als auch eine Unterfunktion (Hypothyreose) können zu diffusem Haarausfall führen. Häufig gehen sie mit weiteren Symptomen einher – etwa Gewichtsschwankungen, Müdigkeit oder Nervosität – und sollten medizinisch abgeklärt werden.
4. Autoimmunerkrankungen
Eine besonders drastische Form des Haarausfalls ist die Alopecia areata, bei der das körpereigene Immunsystem die Haarwurzeln angreift. Die Folge sind meist plötzlich auftretende, kreisrunde kahle Stellen auf dem Kopf, seltener auch im Bart oder an anderen behaarten Körperstellen. Der Verlauf ist unberechenbar – manchmal wachsen die Haare spontan wieder nach, manchmal bleibt die Stelle dauerhaft kahl oder es kommen neue hinzu.
Die genauen Ursachen dieser Autoimmunreaktion sind bis heute nicht vollständig geklärt. Stress, genetische Veranlagung und Virusinfektionen gelten als mögliche Auslöser. In einigen Fällen helfen kortisonhaltige Präparate oder immunmodulierende Therapien – doch auch hier ist Geduld gefragt, denn der Verlauf lässt sich nicht steuern.
5. Mechanischer Stress und schädliche Frisuren
Manchmal ist es ganz banal: Zopfgummis, Haarklammern oder zu straff geflochtene Frisuren können auf Dauer die Haarwurzeln schädigen. Vor allem bei sogenannten “Sleek Hairstyles”, wie strengen Dutts, Cornrows oder Pferdeschwänzen, entsteht Zug auf die Haarfollikel – was bei häufiger Wiederholung zu Traktionsalopezie führen kann. Diese Art des Haarausfalls ist zunächst reversibel, kann bei fortgesetzter Belastung aber dauerhaft werden.
Auch übermäßiges Föhnen, Glätten, Färben oder Dauerwellen können das Haar schwächen und brüchig machen. Zwar betrifft das in erster Linie die Haarlänge, nicht die Wurzel – dennoch kann ständiger mechanischer Stress das Gesamterscheinungsbild stark beeinflussen.
6. Infektionen und Erkrankungen der Kopfhaut
Pilzinfektionen wie die Tinea capitis, aber auch bakterielle Entzündungen oder chronische Hauterkrankungen wie Schuppenflechte (Psoriasis) oder seborrhoisches Ekzem können den Haarboden nachhaltig beeinträchtigen. Häufig geht das mit Juckreiz, Rötung, Schuppen oder Krustenbildung einher. In solchen Fällen ist eine dermatologische Behandlung unverzichtbar – denn nur wenn die Kopfhaut gesund ist, kann auch das Haar gedeihen.
7. Stress als stiller Haarkiller
Stress macht nicht nur psychisch mürbe, sondern kann sich auch sehr konkret auf die Haarwurzeln auswirken. Chronischer Stress, sei es durch berufliche Belastung, emotionale Krisen oder Schlafmangel, beeinflusst die Ausschüttung von Cortisol, einem Stresshormon, das zahlreiche Prozesse im Körper reguliert.
Ist der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht, wirkt sich das negativ auf das Haarwachstum aus – die Haarfollikel treten vorzeitig in die Ruhephase und es kommt zum diffusen Haarausfall. Dieser ist meist gleichmäßig über den gesamten Kopf verteilt und oft schwer einem klaren Auslöser zuzuordnen.
Die gute Nachricht: Wenn der Stress nachlässt, erholt sich oft auch das Haarwachstum. Unterstützend helfen gesunde Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf – und manchmal auch bewusstes Abschalten.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
8. Psychologische Belastung
Haarausfall ist nicht nur ein körperliches, sondern oft auch ein seelisches Problem. Vor allem bei Frauen kann der Verlust der Haare als tiefer Einschnitt in das Selbstwertgefühl erlebt werden. Während eine Glatze bei Männern gesellschaftlich eher akzeptiert wird, gilt volles Haar bei Frauen noch immer als Inbegriff von Weiblichkeit. Der Druck, makellos auszusehen, ist groß – und Haarausfall wird selten als das wahrgenommen, was er oft ist: ein weitverbreitetes medizinisches Symptom.
Deshalb ist es umso wichtiger, offen darüber zu sprechen, sich professionelle Hilfe zu holen – sei es medizinisch, psychologisch oder kosmetisch – und sich nicht zurückzuziehen. Denn es gibt heute viele Möglichkeiten, Ursachen zu finden und Lösungen zu entwickeln.
Wann solltest du zum Arzt?
Haarausfall kann harmlos und vorübergehend sein – oder ein Hinweis auf eine zugrunde liegende Erkrankung. Deshalb ist es wichtig, aufmerksam zu beobachten, was auf dem Kopf passiert. Wenn du über mehrere Wochen hinweg merkst, dass du deutlich mehr Haare verlierst als gewöhnlich, sich kahle Stellen bilden oder dein Haar insgesamt dünner wird, lohnt sich ein Besuch bei der Ärzt:in – idealerweise bei eine:r Dermatolog:in.
Mithilfe von Bluttests, Trichogrammen oder einer Kopfhautuntersuchung kann man herausfinden, was hinter dem Haarausfall steckt – und welche Behandlung sinnvoll ist. Je früher du handelst, desto besser sind die Chancen, den Haarverlust zu stoppen oder sogar umzukehren. Vor allem aber: Du musst das Problem nicht allein bewältigen. Medizinische Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Eitelkeit – sondern von Selbstfürsorge.
Bildquellen
- Haarausfall: iStockphoto.com / AndreyPopov