Soja in der Kritik: Was ist dran an der Angst vor den Hormonen?

Für die einen ist Soja ein gesundes Superfood, für andere ein hormoneller Risikofaktor – insbesondere aufgrund der sogenannten Isoflavone, die eine östrogenähnliche Wirkung haben sollen. Können Männer tatsächlich “verweiblichen” und Frauen ein höheres Brustkrebsrisiko durch Sojakonsum entwickeln? Oder bietet Soja sogar hormonelle Vorteile?

Was sind Isoflavone – und warum stehen sie im Verdacht?

Sojabohnen enthalten von Natur aus Isoflavone, auch als Phytoöstrogene bekannt. Diese Pflanzenstoffe ähneln in ihrer chemischen Struktur dem menschlichen Östrogen, dem weiblichen Sexualhormon. Genau das hat viele aufgeschreckt – schließlich liegt der Verdacht nahe, dass diese Stoffe im Körper hormonell wirksam werden könnten.

Doch der entscheidende Punkt: Isoflavone wirken nicht wie echtes Östrogen, sondern sie binden schwächer und anders an die Östrogenrezeptoren. Das bedeutet, dass sie in manchen Geweben östrogenähnlich wirken können – in anderen jedoch eher eine blockierende Wirkung haben. Es handelt sich also um selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs). Diese Eigenschaften machen die Wirkung von Isoflavonen komplex – und sehr unterschiedlich je nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand.

Männer und Soja – muss man(n) sich Sorgen machen?

Immer wieder liest man von Studien oder Einzelfällen, in denen Männer nach exzessivem Sojakonsum über Brustwachstum, Libidoverlust oder verringerte Testosteronwerte berichteten. Was ist dran?

Tatsächlich existieren Einzelfallberichte, in denen Männer extrem hohe Mengen an Soja konsumierten – teils über 3 Liter Sojamilch pro Tag über mehrere Monate hinweg. In diesen Fällen wurden hormonelle Veränderungen beobachtet, die jedoch nach dem Absetzen der Sojaprodukte vollständig reversibel waren.

@lukejaquerodney Soja und der Testosteron Spiegel. #ernährungsberatung #veganeernährungsberatung #veganeernährung #gesundheitscoach #gesund #fy #fyp ♬ Originalton – Luke Jaque-Rodney

Meta-Analysen zeigen jedoch: Bei einem normalen Sojakonsum – wie er in Asien oder bei vegetarischer Ernährung üblich ist – gibt es keine Hinweise darauf, dass Soja den Testosteronspiegel senkt oder „verweiblichende“ Effekte auslöst.

Was heißt das für Männer?

Solange Soja in üblichen Mengen konsumiert wird (z. B. eine Portion Tofu oder ein Glas Sojamilch pro Tag), besteht kein Risiko hormoneller Nebenwirkungen.

Soja und Brustkrebs – Risiko oder Schutz?

Für viele Frauen ist die Sorge vor hormonbedingtem Brustkrebs durch Soja der zentrale Kritikpunkt. Schließlich steht ein Übermaß an Östrogen im Verdacht, das Risiko hormonabhängiger Krebsarten wie Brust- oder Gebärmutterkrebs zu erhöhen. Doch auch hier lohnt sich ein genauer Blick in die Forschung.

Umfangreiche Studien zeigen, dass Frauen mit einem hohen Sojakonsum ein geringeres Risiko für Brustkrebs haben – besonders wenn der Sojakonsum bereits in der Jugend begann. Die Isoflavone scheinen im Körper teilweise eine Schutzwirkung auszuüben, etwa indem sie die Aktivität körpereigener Östrogene an bestimmten Rezeptoren hemmen.

In westlichen Ländern sind die Ergebnisse gemischter, was unter anderem daran liegen könnte, dass Soja dort meist verarbeitet konsumiert wird (z. B. als Sojaprotein in Riegeln oder Fertigprodukten) und erst im Erwachsenenalter in größeren Mengen in die Ernährung integriert wird.

Auch bei Brustkrebs-Überlebenden

Immer mehr Studien zeigen: Sojakonsum ist für Brustkrebs-Überlebende nicht nur unbedenklich. Er könnte sogar schützen – zum Beispiel vor einem Rückfall. Viele Fachgesellschaften warnen daher nicht mehr grundsätzlich vor Soja. Stattdessen empfehlen sie moderate Mengen an natürlichen, wenig verarbeiteten Sojaprodukten

@drmarkhymanI often get asked if soy is bad for your health. My recent guest on The Doctor’s Farmacy, Dr. William Li, explains the health benefits of soy. Not all soy is evil. I always advise people to stay away from heavily processed soy, such as hydrogenated soybean oil, which is found in many ultra-processed foods, along with any soy junk food like non-dairy or fake meat alternatives. However, whole soy foods such as organic tofu, fermented tempeh, and edamame can all be an excellent source of good quality protein and plant compounds that help promote health. Find the full conversation on your favorite podcast app.♬ original sound – Mark Hyman, M.D.

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Schilddrüse und Soja – ein unterschätztes Risiko?

Ein weiteres viel diskutiertes Thema ist die Wirkung von Soja auf die Schilddrüse. Labor- und Tierversuche legen nahe, dass bestimmte Inhaltsstoffe in Soja die Aufnahme von Jod hemmen und so die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen könnten.

In der Praxis zeigt sich dieses Risiko jedoch fast ausschließlich bei Menschen, die unterversorgt mit Jod sind. In Ländern wie Deutschland, in denen Jodmangel nach wie vor ein Problem ist, sollte deshalb bei regelmäßigem Sojakonsum auf eine ausreichende Jodzufuhr geachtet werden – z. B. durch jodiertes Salz oder Seefisch.

Für Menschen mit einer gesunden Schilddrüse und normalem Jodhaushalt scheint Soja kein relevantes Risiko darzustellen.

Sojaprodukte sind nicht gleich Sojaprodukte

Ein oft übersehener Aspekt: Nicht jedes Sojaprodukt ist gleich gesund – oder gleich hormonwirksam. Während traditionelle, wenig verarbeitete Sojaprodukte wie Tofu, Tempeh, Edamame oder ungesüßte Sojamilch viele Nährstoffe und einen stabilen Isoflavon-Gehalt bieten, enthalten stark verarbeitete Produkte wie vegane Fleischersatzprodukte, Sojaproteinpulver oder Sojariegel oft viel Zucker, Salz, Fett und Zusatzstoffe – und dabei teils nur noch isolierte Sojaproteine.

Besonders interessant sind fermentierte Sojaprodukte wie Miso, Tempeh, Natto oder fermentierte Sojasaucen. Durch den Fermentationsprozess werden viele Antinährstoffe abgebaut und die Bioverfügbarkeit der Isoflavone erhöht – was die hormonellen Wirkungen stabiler und gleichzeitig milder machen könnte.

Wie viel Soja ist unbedenklich – oder sogar gesund?

Die meisten Fachgesellschaften sind sich heute einig: 1–2 Portionen Soja pro Tag gelten für die allermeisten Menschen als sicher und potenziell gesundheitsfördernd. Eine Portion entspricht etwa:

  • 100 g Tofu
  • 250 ml ungesüßte Sojamilch
  • 100 g gekochte Edamame
  • 50 g Tempeh

Für Kinder, Schwangere und Menschen mit Hormonstörungen ist es sinnvoll, den Sojakonsum mit einer Fachperson abzustimmen – nicht wegen erwiesener Risiken, sondern wegen der hohen Sensibilität dieser Lebensphasen für hormonelle Einflüsse.

Angst vor Soja? Nicht nötig

Die Debatte um Soja und Hormone ist ein Paradebeispiel für moderne Ernährungshysterie: Ein pflanzliches Lebensmittel mit potenziellen gesundheitlichen Vorteilen wird aufgrund vereinfachter Schlussfolgerungen verteufelt. Dabei zeigt die Forschung: In normalen Mengen konsumiert, ist Soja für die meisten Menschen nicht nur unbedenklich, sondern sogar vorteilhaft.

Die Schlüsselworte lauten: Qualität, Mäßigung und Individualität. Wer auf natürliche, unverarbeitete Sojaprodukte setzt und seinen individuellen Gesundheitszustand berücksichtigt, kann Soja guten Gewissens in die Ernährung integrieren – ganz ohne Angst vor hormonellen Nebenwirkungen.

Bildquellen

  • Soja und Hormone: iStockphoto.com / Kritchai Chaibangyang

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