Pflanzenöle. Kaum ein anderes Lebensmittel hat in den letzten Jahrzehnten einen solchen Imagewechsel durchgemacht. Mal als Wundermittel für Herz und Kreislauf gefeiert, dann wieder als stille Ursache für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und chronische Entzündungen verteufelt. Was ist dran an der Sorge um Raps-, Sonnenblumen- oder Maisöl? Und worauf sollte man wirklich achten, wenn man Öl ins Essen gibt?
Vom Schmalz zur Sonnenblume – ein kurzer Blick zurück
Lange Zeit war die Sache einfach: Butter kam aufs Brot, Schmalz in die Pfanne. Fett war vor allem tierisch – und wurde auch genau so konsumiert. Das änderte sich schlagartig Anfang des 20. Jahrhunderts. 1911 brachte der US-Konzern Procter & Gamble mit “Crisco” das erste industriell gefertigte Pflanzenfett auf den Markt. Es war billig, lange haltbar und wurde mit einem Versprechen verkauft: gesünder als tierisches Fett.
Die Rechnung ging auf. Innerhalb weniger Jahre eroberte sich das Produkt Millionen Küchen – und mit ihm begann der Siegeszug der Pflanzenöle. Heute sind sie überall: im Salat, in der Pfanne, im Müsli, in Keksen und Snacks, selbst in vermeintlich gesunden Lebensmitteln wie Hummus oder Vollkorncrackern. Doch ist die große Liebe zum Öl wirklich berechtigt?
Fett ist nicht gleich Fett
Pflanzenöle gelten gemeinhin als „gute Fette“. Der Grund: Sie enthalten vor allem ungesättigte Fettsäuren. Diese helfen, den Cholesterinspiegel zu regulieren und gelten als günstiger für Herz und Gefäße. Allerdings lohnt sich ein genauer Blick, denn nicht alle ungesättigten Fettsäuren sind gleichermaßen gesund.
Zwei Gruppen stehen im Fokus: Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Beide sind essenziell – der Körper kann sie nicht selbst herstellen und muss sie über die Nahrung aufnehmen. Doch wie so oft im Leben kommt es auf das richtige Maß an. Während Omega-3-Fettsäuren entzündungshemmend wirken, fördern Omega-6-Fettsäuren in hohen Mengen Entzündungsprozesse im Körper. Und genau hier liegt das Problem.
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Das Ungleichgewicht in unserer Ernährung
Die meisten pflanzlichen Öle – allen voran Sonnenblumen-, Mais- und Distelöl – enthalten sehr große Mengen an Omega-6-Fettsäuren, aber kaum Omega-3. In einer ausgewogenen Ernährung sollte das Verhältnis dieser beiden Fettsäuren etwa 1:5 betragen, so empfehlen es viele Ernährungsexpert:innen. In der Realität jedoch liegt dieses Verhältnis oft bei 1:10 oder gar 1:20 – also deutlich zu Gunsten von Omega-6.
Dieses Ungleichgewicht wird inzwischen mit einer ganzen Reihe chronischer Krankheiten in Verbindung gebracht: von Übergewicht über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu entzündlichen Darmerkrankungen. Besonders problematisch ist, dass diese Öle in unzähligen Fertigprodukten stecken – und somit regelmäßig konsumiert werden, oft ohne dass man es merkt.
Mehr dazu: Omega-3-Fettsäuren: Können sie einen Longevity-Effekt haben?
Was bei der Herstellung passiert
Ein weiteres Problem betrifft die Verarbeitung. Viele Pflanzenöle werden industriell raffiniert. Das bedeutet: Sie werden unter hohem Druck und großer Hitze hergestellt und mit Lösungsmitteln wie Hexan extrahiert. Das macht sie zwar geschmacksneutral und haltbar, zerstört aber auch viele wertvolle Inhaltsstoffe. Zudem können chemische Rückstände zurückbleiben – ein Thema, das besonders bei günstigen Ölen regelmäßig in der Kritik steht.
Bei hohen Temperaturen, wie sie beim Frittieren oder scharfen Anbraten entstehen, können aus manchen Pflanzenölen zudem Transfettsäuren entstehen – künstliche Fette, die für den Körper besonders ungünstig sind. Sie erhöhen nachweislich das Risiko für Herzkrankheiten und sollten möglichst gemieden werden.
Das sind die gesunden Pflanzenöle
Doch nicht alle Pflanzenöle sind gleich. Es gibt durchaus Sorten, die gesundheitsfördernd wirken – vor allem, wenn sie kaltgepresst, also schonend hergestellt sind. Dazu zählen unter anderem:
- Leinöl: enthält besonders viel Alpha-Linolensäure, eine Omega-3-Fettsäure. Ideal für kalte Gerichte, da hitzeempfindlich.
- Rapsöl (nativ): gutes Fettsäureverhältnis, enthält sowohl Omega-3 als auch einfach ungesättigte Fettsäuren. Auch zum Braten geeignet.
- Olivenöl (extra vergine): reich an Ölsäure, schützt Herz und Gefäße. Besonders in der mediterranen Küche beliebt.
- Avocadoöl: enthält viele einfach ungesättigte Fettsäuren, hitzestabil und geschmacklich mild.
- Kokosöl: zwar reich an gesättigten Fettsäuren, aber sehr hitzebeständig – in Maßen gut einsetzbar.
Diese Öle können, in Maßen genossen, durchaus Teil einer gesunden Ernährung sein. Wichtig ist dabei, auf Qualität zu achten – also auf kaltgepresste, möglichst naturbelassene Produkte.
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Die eigentliche Gefahr steckt oft im Fertiggericht
Wenn man über Pflanzenöle spricht, muss man eines betonen: Es sind nicht die paar Tropfen Olivenöl im Salat, die uns krank machen. Viel problematischer sind die versteckten Fette in industriell hergestellten Lebensmitteln. Wer regelmäßig Chips, Kekse, Tiefkühlpizza oder Fertigsoßen konsumiert, nimmt unbewusst große Mengen raffinierter Öle zu sich – oft mit einem extrem ungünstigen Fettsäuremuster.
Hinzu kommt: Diese Lebensmittel enthalten meist nicht nur minderwertige Fette, sondern auch Zucker, Salz und künstliche Zusatzstoffe – ein Cocktail, der das Risiko für viele Volkskrankheiten deutlich erhöht.
Was also tun?
Die gute Nachricht: Es geht nicht darum, komplett auf Öl zu verzichten. Im Gegenteil – der Körper braucht Fette. Sie liefern Energie, helfen bei der Aufnahme fettlöslicher Vitamine und sind wichtig für Zellstrukturen und Hormone. Entscheidend ist, welche Fette man in welchen Mengen zu sich nimmt. Ein paar einfache Faustregeln können dabei helfen:
- Vermeide stark verarbeitete, raffinierte Öle
- Greife zu hochwertigen, kaltgepressten Ölen
- Verwende unterschiedliche Öle für verschiedene Zwecke – nicht jedes Öl eignet sich zum Braten
- Reduziere den Konsum verarbeiteter Lebensmittel
- Achte auf dein Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 – durch den gezielten Einsatz von Leinöl, Fisch, Nüssen und Samen lässt sich hier gegensteuern
Fazit: Pflanzenöle – Freund oder Feind?
Pflanzenöle sind kein Gesundheitsrisiko per se, aber auch keine Garantie für Wohlbefinden. Wie bei vielen Themen rund um Ernährung kommt es auf das große Ganze an: Qualität, Verarbeitung, Ausgewogenheit. Ein hochwertiges Olivenöl kann ein Geschenk für Herz und Gaumen sein – ein günstiges Frittieröl in der Tüte Chips dagegen ein stiller Krankmacher.
Wirklich gefährlich ist nicht das Öl an sich, sondern der gedankenlose Umgang damit. Wer bewusst einkauft, abwechslungsreich kocht und verarbeitete Produkte meidet, kann Pflanzenöle problemlos in eine gesunde Ernährung integrieren – und dabei sogar richtig genießen.
Bildquellen
- Pflanzenöl: South_agency / istock