Welt-Adipositas-Tag: 5 Schritte, wie du mit Betroffenen umgehen kannst

Adipositas: Von Vorurteilen bis hin zu Ausgrenzungen

Immer mehr Menschen sind von der mittlerweile ernennten “Volkskrankheit” betroffen: Laut aktuellen Zahlen leben 18 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen mit Adipositas. Prinzipiell bedeutet diese Diagnose, dass sich zu viel Fett im Körper ansammelt. Aber hier geht es nicht bloß um „ein paar Kilo zu viel auf den Hüften“.

Es leidet nicht nur der Körper – auch die Gesellschaft macht es Betroffenen schwer, denn die Krankheit wird oft als persönliches Versagen abgetan. Ständige Vorurteile, fehlendes Verständnis und gesellschaftliche Ignoranz belasten zusätzlich.

Eine Studie von Lilly Deutschland hat ergeben, dass sich ganze 54% der Betroffenen mit starken Übergewicht psychisch belastet fühlen. Zusätzlich fühlen sich 37% ausgegrenzt. Ständige Vorurteile, fehlendes Verständnis und gesellschaftliche Ignoranz belasten zusätzlich.

Der Welt-Adipositas-Tag erinnert daran, wie wichtig ein neues Verständnis dieser chronischen Krankheit ist. Noch immer ringen viele Betroffene nicht nur mit gesundheitlichen Herausforderungen, sondern auch mit Vorurteilen. „Einfach weniger essen und mehr bewegen“ – so einfach ist es eben nicht. Die komplexe Erkrankung wird  durch biologische, genetische und umweltbedingte Faktoren beeinflusst, die zu einem großen Teil außerhalb des eigenen Einflusses liegen.

Zeit, mit Mythen aufzuräumen und das Stigma zu brechen. Hier sind fünf konkrete Wege, wie du dazu beitragen kannst.

Mobbing fördert Übergewicht
Schon im Kindesalter kann Adipositas nicht nur körperliche, sondern auch psychische Belastungen mit sich bringen – Mobbing und Schikanen gehören für betroffene Kinder häufig zum Alltag.

1. Adipositas als chronische, eigenständige Krankheit anerkennen – statt als Charakterschwäche abstempeln

In Österreich wird Adipositas immer noch nicht offiziell als eigenständige, chronische Krankheit anerkannt – und genau das ist ein Problem. Denn solange sie nicht als das gesehen wird, was sie ist, bleibt sie ein Tabuthema. Statt medizinischer Hilfe gibt es oft nur Vorurteile, wie „Mehr Disziplin, dann klappt das schon“.

Tatsächlich hat die Erhebung von Lilly Deutschland auch ergeben, dass nur jedem Fünften bewusst ist, dass die Krankheit nicht selbst verschuldet ist. Doch hier geht es nicht um Willenskraft, sondern um eine ernsthafte Erkrankung mit komplexen Ursachen. Hormone, Stoffwechsel und Gene spielen eine große Rolle – und machen es für Betroffene oft unmöglich, ihr Gewicht allein zu kontrollieren. Das bedeutet: Es ist keine Frage von Disziplin oder Selbstkontrolle.

Zudem hat sich die Krankheit längst zu einem gesellschaftlichen Problem entwickelt und ist nicht mehr nur ein individuelles. Das zeigt eine Berechnung der volkswirtschaftlichen Kosten: Ungefähr 5% der gesamten Gesundheitsausgaben und rund eine halbe Million Tage im Krankenhaus werden durch Folgeerkrankungen wie Typ-2 Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebserkrankungen verursacht.

Dazu kommen generelle Einschränkungen im Alltag und im Berufsleben und über 200 mögliche Begleiterkrankungen. Die Anerkennung als chronische Krankheit nimmt den Betroffenen den Druck und öffnet den Weg zu dringend notwendigen Behandlungsmöglichkeiten. Nur so kann eine echte Veränderung stattfinden – zum Vorteil von Patienten und uns allen.

2. Schluss mit Vorwürfen und Abwertung – Sprache schafft Realität

Viele Betroffene haben das Gefühl, dass sie allein verantwortlich für ihr Gewicht sind. Doch Dank der Wissenschaft ist mittlerweile bestätigt, dass sich der Körper gegen eine Gewichtsabnahme wehren kann: Verlorenes Gewicht kommt immer wieder zurück, das Hungergefühl ist groß und das Sättigungsgefühl tritt zu spät ein. Der Stoffwechsel verlangsamt sich – wodurch es immer größere Anstrengung benötigt, Gewicht zu verlieren.

Hannah K. (Anm. Der Name wurde aus Anonymisierungsgründen geändert) resümiert: “Ich habe zwar Gewicht verloren, aber jedes Mal wieder zugenommen – sogar, wenn ich mich angestrengt habe. Es ist frustrierend, wenn man kein Ergebnis sieht. Dadurch fühle ich mich entmutigt. Mein Körper scheint sich Veränderungen zu widersetzen, und manchmal führen Diäten dazu, dass ich noch mehr mit der Situation kämpfe. Vielleicht kann ich es ohne Hilfe nicht schaffen.”

Wenn in Gesprächen oder in Medien ständig Begriffe wie “fettleibig” und “dick” vorkommen, reduziert das den Menschen auf sein Gewicht. Worte formen unser Denken und sie geben uns Impulse für unser Handeln. Das beginnt schon beim Gespräch mit Bekannten.

Statt zu sagen “Er ist halt einfach dick”, sag lieber: “Er lebt mit Adipositas“ und betone, dass es sich dabei um eine chronische Krankheit handelt. Solche Details klingen vielleicht erstmal banal, aber schon damit kannst du zu einem Perpektivenwechsel beitragen.

3. Jeder Mensch ist anders – Weg mit Einheitslösungen

Adipositas ist individuell und kann viele verschiedene Ursachen haben. Es gibt also auch keine Pauschallösung, die für alle funktioniert, denn jeder Körper reagiert anders, und was bei einer Person funktioniert, muss nicht zwangsläufig bei der nächsten genauso erfolgreich sein. Die Behandlung muss genauso individuell sein wie der Mensch dahinter.

Die Situation ist oft nicht einfach: Stell dir vor, alle bisherigen Versuche, Gewicht zu verlieren, waren erfolglos. Das ist frustrierend, oder? Frag ganz direkt, wie du Betroffene in ihrer Situation unterstützen kannst Unterstützung ist entscheidend, um die Kontrolle über die eigene Gesundheit zurückzugewinnen und den Weg zu einer besseren Lebensqualität zu finden.

Wie die Studie von Lilly Deutschland ergeben hat, ist nur 56% der Menschen bekannt, dass Adipositas ein Leben lang therapiert werden muss. Man sollte sich aber nie dafür schämen, um Hilfe zu bitten. Ärzte und Diätassistenten können zum Beispiel helfen, um gemeinsam einen Plan zu entwickeln, der zu den persönlichen Bedürfnissen der Patienten passt.

4. Feier die kleinen Siege – Wertschätzend und ohne Sonderbehandlung

Oft wird Adipositas nur auf Äußerlichkeiten reduziert. Wichtig ist aber nicht die perfekte Figur, sondern die Gesundheit. Es ist mittlerweile bekannt, dass schon eine geringe Gewichtsreduktion das Risiko für Folgeerkrankungen senken kann. Bereits ab einer Gewichtsabnahme von 5 % sind positive Gesundheitseffekte zu erwarten. Es ist Zeit, den Fokus von Äußerlichkeiten wegzulenken und anzuerkennen, dass jeder Schritt in Richtung Gesundheit zählt.

Dabei ist es wichtig respektvoll und wertschätzend zu sein – ohne Sonderbehandlung und Kommentare wie: “Ach, du Arme”. Betroffene sind keine “Opfer ihrer Körper”, sie haben eine chronische Erkrankung wie es auch Bluthochdruck, Rheuma oder Diabetes sind.

Im Gespräch mit einem Freund oder einer Freundin über das Ausprobieren einer neuen Sportart trägt die Formulierung “Wow, echt stark, dass du trotzdem Sport machst” dazu bei, die Person rein auf ihr Gewicht zu reduzieren. Im Gegensatz dazu zeigt die Frage “Cool, wie gefällt es dir?” Wertschätzung und Anerkennung für geleistetes.

5. Reden hilft – Stigmatisierung stoppen

Betroffene fühlen sich oft allein – doch das sind sie nicht. Erfahrungsberichte zeigen, dass viele Menschen ähnliche Herausforderungen haben und sich gegenseitig helfen können, ihre Gewichtsziele zu erreichen. Es wird höchste Zeit, das Thema aus der Tabu-Ecke zu holen.

Sprich am besten offen über Adipositas und höre Betroffenen aufmerksam zu. Damit hilfst du, Bewusstsein und Verständnis zu schaffen und trägst zu einer offen Gesprächskultur in Bezug auf diese Krankheit bei.

Dr. Christina Hochkogler ist Ernährungswissenschaftlerin und seit über vier Jahren bei Lilly Österreich tätig.

In ihrer aktuellen Position als Senior National Therapeutic Area Manager arbeitet sie an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Medizin und Praxis, mit einem besonderen Fokus auf Diabetes und Adipositas. Durch ihre enge Zusammenarbeit mit medizinischen Meinungsbildnern und Fachgesellschaften trägt sie dazu bei, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die Versorgung von Patienten zu integrieren.

Dr. Hochkogler promovierte in Physiologischer Chemie an der Universität Wien und forschte jahrelang in den Bereichen Sättigungsregulation und Energiestoffwechsel.

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