Im Herbst steht alles im Zeichen der Gemütlichkeit. Draußen wird es früher dunkel, drinnen locken warme Getränke, Bücher und endlose Netflix-Abende. Und wo könnte man es sich schöner machen als im eigenen Bett? Genau dort setzt der neueste TikTok-Trend an – „Potato Bed“ – er verwandelt unseren Schlafplatz in eine wahre Kuscheloase. Die Idee dahinter? Man hüllt sich wie eine Kartoffel in eine weiche Schicht aus Kissen, Decken und Plüschtieren. Klingt herrlich gemütlich – aber ist es das auch wirklich? Und was macht dieser Trend mit unserem Schlaf: sorgt er für süße Träume oder eher für schlaflose Nächte?
Deine eigene Kuschelhöhle
Das Prinzip ist simpel: Man nimmt einen Matratzenschoner mit Gummizug, also die elastische Hülle, die sonst über die Matratze gespannt wird. Statt sie außen zu verwenden, schlüpft man selbst hinein und füllt das Innere mit Kissen, Decken und Plüschtieren. So entsteht eine Art gepolstertes Nest, das optisch an ein überdimensionales Babybett erinnert.
In TikTok-Videos sieht das Ganze so aus: flauschige Wolken, pastellfarbene Stoffe, sanftes Licht. Doch was auf dem Bildschirm so niedlich aussieht, wirft interessante Fragen auf. Warum fühlen wir uns von so viel Weichheit magisch angezogen? Und ist dieses Bett tatsächlich der Schlüssel zu besserem Schlaf – oder nur eine hübsche Illusion?
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Warum wir uns nach einem “Nest” sehnen
Der Trend trifft einen Nerv. In einer Welt, die immer schneller, lauter und technischer wird, sehnen sich viele Menschen nach Rückzug, nach einem sicheren Ort. Das Potato Bed ist im Grunde die textile Version einer Umarmung – ein Symbol für Geborgenheit und Schutz.
Psychologisch ist das kein Zufall. Schon Babys schlafen besser, wenn sie eng eingewickelt sind – der sogenannte „Swaddle-Effekt“. Das Gefühl, umschlossen zu sein, vermittelt Sicherheit. Erwachsene suchen ähnliche Reize: eine schwere Decke, ein dicker Pullover, ein enger Schal. Das Potato Bed übersetzt dieses Bedürfnis in einen viralen Lifestyle-Moment.
Und es kommt nicht von ungefähr, dass der Trend gerade auf TikTok explodiert ist. Schlaf ist dort längst ein ästhetisches Thema geworden: beruhigende Routinen, Nachtlichter, Selfcare-Videos. Das Potato Bed passt perfekt in diese Welt – es sieht nicht nur gemütlich aus, es performt Gemütlichkeit.
Das Gute an der Kartoffel-Bettvariante
So viel also zum Warum – aber funktioniert das Ganze auch physiologisch? Überraschenderweise: ja, teilweise schon.
Viele Menschen, die den Trend ausprobiert haben, berichten von einem intensiven Gefühl der Ruhe. Das Umgeben-Sein von weichen Materialien kann tatsächlich eine beruhigende Wirkung haben. Der Körper reagiert auf gleichmäßigen Druck mit einer Ausschüttung von Serotonin und Oxytocin – Hormone, die Entspannung fördern. Diese Wirkung ist auch bei Gewichtsdecken bekannt.
Außerdem hilft das Potato Bed manchen, abends besser abzuschalten. Das Aufbauen selbst wird zu einem kleinen Ritual: Kissen anordnen, Decke glätten, Lichterkette einschalten – ein bewusstes Loslassen des Tages. Solche Routinen sind in der Schlafforschung tatsächlich positiv belegt, weil sie das Gehirn auf „Ruhemodus“ umstellen.
Nicht zuletzt erzeugt das Potato Bed ein Gefühl von Geborgenheit, das vielen Erwachsenen verloren gegangen ist. Wer unter Stress oder innerer Unruhe leidet, kann in diesem „Stoffkokon“ Trost finden – ein bisschen so, als würde man sich selbst in Sicherheit bringen.
Wenn das Nest zu warm wird
Doch wie immer hat auch diese Medaille eine Rückseite. Was nach Geborgenheit klingt, kann physiologisch problematisch werden – insbesondere, wenn es zu warm oder zu eng wird.
Unser Körper kühlt sich kurz vor dem Einschlafen leicht ab. Diese Absenkung der Körpertemperatur ist ein zentraler Mechanismus, der dem Gehirn signalisiert: Jetzt ist Schlafenszeit. In einem Potato Bed kann genau dieser Effekt gestört werden. Zu viele Kissen und Decken stauen Wärme, und statt in den Schlaf zu gleiten, fühlt man sich irgendwann wie in einer Sauna. Das führt zu unruhigem Schlaf, Schweißausbrüchen und häufigerem Aufwachen in der Nacht.
Auch die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Wir wechseln im Schlaf regelmäßig die Position, meist unbewusst. Wenn das Bett zu eng ist, muss der Körper mehr Kraft aufwenden, um sich zu drehen – was wiederum Mikro-Erwachungen auslöst. Besonders Seitenschläfer:innen könnten auf Dauer Verspannungen entwickeln.
Und schließlich ist da noch die Frage der Ergonomie. Wenn der Matratzenschoner prall mit Kissen gestopft ist, verändert sich automatisch die Lage von Kopf und Rücken. Der Nacken liegt vielleicht zu hoch, die Wirbelsäule krümmt sich. Das Ergebnis am nächsten Morgen: ein steifer Hals statt süßer Träume.
Der Hygienefaktor
In den viralen Videos sieht man flauschige Kissenberge, aber kaum jemand spricht über das, was unsichtbar bleibt: Hygiene. Ein Potato Bed ist im Grunde ein geschlossenes System aus Stoff, Wärme und Feuchtigkeit – also genau das, was Hausstaubmilben lieben.
Da der Matratzenschoner direkt mit der Haut in Kontakt kommt, nimmt er Schweiß, Hautpartikel und Staub auf. Gleichzeitig erschwert das enge Konstrukt das Lüften. Wer das Potato Bed regelmäßig nutzt, sollte also besonders auf Reinigung achten: Kissenbezüge waschen, Decken regelmäßig austauschen und das Bett täglich gut durchlüften.
Andernfalls kann sich schnell ein feuchtes Mikroklima bilden, das nicht nur muffig riecht, sondern auch den Schlaf selbst beeinträchtigt. Frische Luft im Bett ist wichtiger, als viele denken – sie hält die Hauttemperatur stabil und unterstützt die nächtliche Regeneration.
Ein Trend mit therapeutischem Beigeschmack
Interessanterweise hat das Potato Bed eine entfernte Verwandtschaft mit therapeutischen Schlafsystemen. In der Sensoriktherapie oder bei Angstpatient:innen werden sogenannte „Geborgenheitsbetten“ eingesetzt – spezielle Konstruktionen, die Druck, Schutz und Komfort vermitteln. Diese Systeme sind allerdings medizinisch durchdacht: Sie sorgen für Luftzirkulation, ergonomische Unterstützung und hygienische Materialien.
Das TikTok-Nest hingegen ist ein spontanes DIY-Projekt. Es ahmt den Effekt nach, ohne die wissenschaftlichen Grundlagen zu berücksichtigen. Trotzdem: Dass Millionen Menschen diesen Trend ausprobieren, zeigt, wie groß das Bedürfnis nach Ruhe und Sicherheit geworden ist. Vielleicht ist das Potato Bed weniger ein Modegag als ein stiller Schrei nach Geborgenheit – in einer Zeit, die uns oft das Gegenteil abverlangt.
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Wie man das Potato Bed richtig nutzt
Wer sich inspiriert fühlt, kann das Potato Bed problemlos ausprobieren – aber am besten in einer „light“-Version. Statt das gesamte Bett zu füllen, reicht es, eine weiche Polsterzone um den Oberkörper oder die Beine zu schaffen. So bleibt genug Bewegungsfreiheit, und der Körper kann atmen.
Das Schlafzimmer sollte kühl bleiben – etwa 18 Grad sind ideal. Wer leicht schwitzt, sollte Baumwolle oder Leinen statt Fleece verwenden. Und: weniger ist mehr. Zu viele Stofftiere oder Lichterketten sehen süß aus, lenken aber unbewusst ab. Das Ziel ist Ruhe, nicht Reizüberflutung.
Am besten betrachtet man das Potato Bed nicht als dauerhafte Schlafumgebung, sondern als kleine Auszeit. Ein Ort zum Runterkommen, für Mittagsschläfchen, für „Selfcare-Abende“ – nicht unbedingt für jede Nacht.
Bildquellen
- Potato Bed: iStockphoto.com/ AleksandarNakic

