Neue Studie zu Heißhunger: Diese 5 Typen vom Überessen gibt es

Man sitzt in einer Runde, der Wein schmeckt, das Essen ist hervorragend – und dann kommt die Nachspeise. Das Tiramisu sieht so verlockend aus, dass man einfach nicht widerstehen kann. Ein Stück Brot hier, ein Bissen da – und plötzlich hat man mehr gegessen, als man eigentlich wollte. Solche Momente kennt jeder, doch die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich.

Warum greifen wir gerade dann zu Süßem, Fettigem oder einfach zu viel, obwohl wir uns eigentlich vorgenommen hatten, gesünder zu essen? Eine neue Studie zeigt, was die Gründe dafür sind.

Vielfach überwacht: Wie die Studie funktionierte

Forscher der Northwestern University in Chicago haben sich genau dieser Frage angenommen. In einer groß angelegten Studie haben sie 60 übergewichtige Erwachsene über mehrere Wochen hinweg beobachtet und dabei modernste Tracking-Technologien eingesetzt. Ihr Ziel: herauszufinden, welche Muster hinter dem Überessen stecken und wie man diese besser verstehen kann.

Die Forschung war alles andere als ein klassisches Ernährungsstudium im Labor. Stattdessen begleitete das Wissenschaftsteam die Teilnehmer:innen im echten Leben – beim Arbeiten, Kochen, Abendessen mit Freunden oder beim nächtlichen Snack auf der Couch. Dafür kamen gleich mehrere Technologien zum Einsatz: Eine Bodycam zeichnete auf, was und wann die Teilnehmer aßen. Zusätzlich lieferten ein Armband und eine sensorische Halskette Daten darüber, wie viele Bissen genommen wurden, wie schnell gekaut wurde und wie oft die Hände zum Mund gingen.

Doch nicht nur die körperlichen Bewegungen wurden analysiert. Vor und nach jeder Mahlzeit beantworteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kurze Fragen zu Hunger, Stimmung und Stress. Diese Methode, auch als Ecological Momentary Assessment (EMA) bekannt, erlaubt es, Essverhalten in Echtzeit zu verstehen – und nicht erst auf Basis von Erinnerungen, die oft verzerrt sind. Insgesamt sammelten die Forscher so über 2.300 Mahlzeitbeobachtungen und mehr als 6.000 Stunden Videomaterial. Das Besondere daran: Man konnte nicht nur sehen, was gegessen wurde, sondern auch warum und unter welchen Umständen.

5 verschiedene Typen: So entsteht das Überessen

Die Datenanalyse erfolgte mit modernen maschinellen Lernverfahren. Dadurch konnten die Wissenschaftler Muster erkennen, die mit bloßem Auge kaum sichtbar wären. So entstand ein differenziertes Bild des Überessens, das weit über die bisherigen Erkenntnisse hinausgeht.

Das Ergebnis der Studie ist faszinierend – Überessen lässt sich in fünf unterschiedliche Typen einteilen, und jeder Typ hat seine eigenen Auslöser und Gewohnheiten:

  • Die Fertig-Esser

Die Fertig-Esser sind diejenigen, die selten selbst kochen. Für sie ist Essen vor allem praktisch, schnell verfügbar und oft lecker, aber leider auch oft zu groß portioniert. Ob Pizza, Burger oder Asianudeln To Go – bei diesem Typ läuft das Überessen häufig unbewusst ab. Wer diesen Typ kennt, weiß: Hier geht es nicht um mangelnde Disziplin, sondern um Gewohnheiten, die sich über Jahre eingeschlichen haben. Große Portionen, Lieferdienste und bequeme Routinen erleichtern das unbewusste Überessen.

Schlussfolgerung aus der Studie: Fertig-Esser essen oft mehr Kalorien, weil die Portionsgrößen nicht ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Bewusstes Planen von Mahlzeiten, kleinere Portionen und gelegentliches Kochen zu Hause könnten hier gezielt helfen.

Statt zu Kochen, greifen viele Menschen gerne zu “To-Go”-Essen – besonders Singles und junge Menschen sind betroffen. Doch dabei wird oft übersehen, dass die meisten Fast Food Speisen enorm viele Kalorien haben, aber wenige Ballaststoffe.  ©iStockphoto.com/ Milko
  • Die sozialen Esser

Soziale Esser treten vor allem bei gemeinsamen Mahlzeiten in Erscheinung. Ob beim Abendessen mit Freunden, beim Familienfest oder beim Restaurantbesuch – die Freude am Zusammensein steigert automatisch die Essmenge. Dessert wird oft noch mitgenommen, Getränke verführt zu mehr Kalorien, und man achtet weniger auf die Sättigung.

Alltagsszene: Man sitzt im Lieblingsrestaurant, bestellt eine Vorspeise, Hauptgericht und Dessert. Während der Unterhaltung achtet niemand auf Portionsgrößen, und plötzlich hat man mehr gegessen, als geplant.

Essen in Gesellschaft ist wichtig für unser Sozialleben, doch besonders wenn man gerade auf sein Gewicht achten möchte, sollte man schon vor dem Restaurantbesuch die Speisekarte googlen und sich ein gesundes Gericht aussuchen. ©iStockphoto.com/ Davide Angelini

Schlussfolgerung: Für soziale Esser kann es helfen, vorab bewusst zu entscheiden, was man essen möchte, kleinere Portionen zu wählen oder bewusst Pausen zwischen den Gängen einzulegen. Auch das Teilen von Gerichten kann die Gesamtaufnahme reduzieren, ohne den Genuss zu schmälern.

  • Die Nachteulen

Die Nachteulen sind bekannt für ihre späten Heißhungerattacken. Nach einem langen Arbeitstag, wenn die Wohnung still ist, zieht es sie zum Kühlschrank oder zur Snackschublade.

Das Essen dient nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern auch der Entspannung und Belohnung. Man selbst greift zu einem Eis, Pudding oder Schokolade, um den Stress des Tages zu kompensieren.

Das Problem: Spätabends zu essen, erhöht die Kalorienbilanz und kann das Einschlafen erschweren.

Schlussfolgerung: Nachteulen profitieren von gesunden Snacks, festen Essenszeiten und alternativen Entspannungsritualen wie kurzen Spaziergängen oder Atemübungen. Digitale Erinnerungen können ebenfalls helfen, das späte Naschen zu reduzieren.

Besonders am Abend und alleine zu Hause überkommt vielen Menschen der Heißhunger – Überessen ist die Folge, die viele aber belastet, besonders wenn die versuchen etwas abzunehmen. ©iStockphoto.com/ MarioGuti
  • Die Gelegenheits-Snacker

Gelegenheits-Snacker lassen sich am schwersten kontrollieren, da die Auslöser oft spontan auftreten. Ein Blick auf den Schreibtisch, ein langweiliger Moment oder der Anblick von Süßigkeiten kann dazu führen, dass sie die Kontrolle über die Essmenge verlieren.

Alltagsszene: Während der Arbeit oder beim Lernen steht ein Schälchen Süßigkeiten auf dem Tisch. Ein kleiner Bissen führt unweigerlich zu einem „noch einen, noch einen“-Effekt, bis die Packung leer ist.

Schlussfolgerung: Achtsamkeitstraining, kleine Pausen und das Reduzieren von sichtbaren Versuchungen können helfen, impulsives Essen zu vermeiden. Auch feste Snackzeiten können den Drang nach spontanen Schlemmereien mindern.

  • Die Gestressten

Dieser Typ greift bei Stress oder emotionaler Belastung zu kalorienreichen Lebensmitteln. Ob beruflicher Druck, familiäre Konflikte oder innere Unruhe – Essen wird zur Bewältigungsstrategie. Besonders abends ist der Drang nach „Comfort Food“ stark, da der Körper Ruhe und Belohnung sucht.

Deadlines, lange Arbeitstage und vielleicht auch noch Stress im Privatleben – da greifen manche gerne zu Burger und Pommes. Doch die kurze Belohnung führt langfristig zu chronischen Krankheiten. ©iStockphoto.com/ dusanpetkovic

Alltagsszene: Nach einem hektischen Tag – vielleicht auch noch mit der ein oder andere Diskussion- greift man zu Keksen, Schokolade oder Chips, um den Stress zu kompensieren. Das Essen gibt kurzfristig ein gutes Gefühl, langfristig verstärkt es jedoch den Kreislauf aus Stress und Überessen.

Schlussfolgerung: Stressmanagement-Techniken wie Meditation, Bewegung oder kurze Entspannungsübungen können helfen, emotionales Essen zu reduzieren. Auch das bewusste Planen von gesunden Snacks für stressige Zeiten kann unterstützend wirken.

Schlussfolgerungen der Studie: Überessen ist mehr als Willenskraft

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich: Überessen ist komplex. Es ist kein reines Disziplinproblem, sondern eine Mischung aus psychologischen, sozialen und situativen Faktoren. Indem die fünf Typen identifiziert wurden, lassen sich individuelle Risikomuster erkennen. Digitale Helfer wie Smartwatches oder Apps könnten künftig Warnsignale geben, wenn sich bestimmte Muster wiederholen, und damit helfen, Heißhungerattacken zu vermeiden.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Alle Typen zeigen, dass Überessen oft unbewusst geschieht. Viele Menschen sind überrascht, wie viel sie gegessen haben, weil es „nebenbei“ passiert – beim Arbeiten, beim Fernsehen oder während eines Gesprächs. Die Studie macht deutlich, dass Achtsamkeit und Bewusstsein für das eigene Essverhalten entscheidend sind.

Kein Heißhunger mehr: Praktische Tipps für den Alltag

Die Typisierung liefert konkrete Ansatzpunkte für persönliche Strategien:

  • Fertig-Esser: Kleine Portionen planen, öfter selbst kochen, Essenspläne erstellen.
  • Soziale Esser: Bewusst auf Portionsgrößen achten, Pausen zwischen Gängen einlegen, Gerichte teilen.
  • Nachteulen: Gesunde Snacks griffbereit halten, alternative Entspannungsrituale entwickeln, digitale Erinnerungen nutzen.
  • Gelegenheits-Snacker: Versuchungen reduzieren, Achtsamkeitsübungen machen, feste Snackzeiten einplanen.
  • Gestresste Esser: Stressmanagement einsetzen, gesunde Komfort-Snacks vorbereiten, Bewegung und Meditation einbauen.

Bedeutung für die öffentliche Gesundheit

Die Studie liefert nicht nur individuelle Tipps, sondern auch Erkenntnisse für die Prävention von Übergewicht auf gesellschaftlicher Ebene. Klassische Ratschläge wie „Iss weniger“ sind oft wenig hilfreich, da sie die komplexen Muster des Überessens ignorieren. Mit der Typisierung lassen sich Programme entwickeln, die auf Lebensstil, Emotionen und Essverhalten zugeschnitten sind.

Langfristig könnten personalisierte Ansätze helfen, nicht nur Gewicht zu kontrollieren, sondern auch Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme oder Gelenkbelastungen zu reduzieren. Die Kombination aus technologischer Unterstützung, Bewusstseinstraining und gezielten Strategien eröffnet völlig neue Möglichkeiten im Kampf gegen Übergewicht.

Denn: Überessen ist häufig kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein komplexes Zusammenspiel aus Gewohnheiten, Emotionen und sozialen Einflüssen. Wer seinen Typ kennt, kann Strategien entwickeln, Heißhungerattacken reduzieren und nachhaltiger gesund essen und bleiben.

Bildquellen

  • Heißhunger hat verschiedene Typen: Istockphoto.com/ Prostock-Studio

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