Sexuelle Krankheiten immer noch stigmatisiert
Stell dir eine Welt vor, in der alle Menschen frei und selbstbewusst über ihre sexuelle Gesundheit sprechen können. Eine Welt, in der das körperliche, emotionale und geistige Wohlbefinden im Zusammenhang mit Sexualität offen und ohne Hemmungen thematisiert wird. Leider sind sexuell übertragbare Krankheiten immer noch ein Tabuthema und häufig mit Stigmatisierung verbunden. HIV (Human Immunodeficiency Virus) ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema in der globalen Gesundheitsdebatte. Die Österreichische AIDS Gesellschaft (ÖAG) schätzt, dass in Österreich etwa 8.000 bis 9.000 Menschen mit HIV leben. Doch wie gehen Österreicher:innen mit dieser Herausforderung um? Welche präventiven Maßnahmen können getroffen werden, und lassen sich bereits im Frühstadium erste Anzeichen erkennen? Wir haben mit Dr. Michael Skoll, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, darüber gesprochen.
Wie kann man sich vor Ansteckung schützen?
Um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen, gibt es mehrere wirksame Maßnahmen. Die Verwendung von Kondomen bei jedem sexuellen Kontakt ist eine grundlegende Präventionsstrategie, die das Risiko einer Übertragung erheblich reduziert. „Zusätzlich kann die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) eine effektive Schutzmaßnahme für Menschen mit hohem Risiko darstellen, da sie eine tägliche Medikation zur Verhinderung der HIV-Infektion bietet,“ betont Dr. Michael Skoll im Interivew. Diese eignet sich für Menschen mit einem erhöhten Risiko, sich mit HIV zu infizieren. Dazu gehören insbesondere Personen, die häufig ungeschützten Geschlechtsverkehr haben, wie Personen in offenen Beziehungen, Personen mit HIV-positiven Partner:innen, die keine wirksame antiretrovirale Therapie erhalten, oder Personen, die sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern haben. Regelmäßige HIV-Tests und das Wissen um den Status der Partner:innen sind ebenfalls wichtig, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Bei intravenösem Drogenkonsum sollten immer saubere Spritzen verwendet werden, da die Krankheit durch Blutkontakt übertragen werden kann. Schließlich ist eine umfassende Aufklärung über die Risiken entscheidend, um das Ansteckungsrisiko mit HIV zu minimieren und die Verbreitung des Virus einzudämmen.
Im Frühstadium schwer zu erkennen
Fortschritte in der HIV-Behandlung
Seit den 1990er Jahren haben antiretrovirale Therapien die Behandlung von HIV revolutioniert. Sie ermöglichen es, die Viruslast im Blut auf ein nicht mehr nachweisbares Niveau zu senken und damit das Risiko einer Übertragung auf andere Menschen deutlich zu reduzieren. Dr. Michael Skoll hebt die Bedeutung moderner Therapien hervor: „Dank moderner antiretroviraler Therapien ist die Lebenserwartung bei Menschen mit HIV im Vergleich zu HIV-negativen Personen nicht mehr reduziert, sofern die Behandlung frühzeitig beginnt, konsequent eingehalten wird und regelmäßige ärztliche Kontrollen erfolgen.“ Frühzeitige Diagnose und konsequente Therapie ermöglichen es Betroffenen, ein Leben mit nahezu normaler Lebensqualität zu führen. Menschen mit HIV, die sich aktiv um ihre Gesundheit kümmern, ihre Therapie konsequent einhalten und auch Begleiterkrankungen im Blick behalten, haben laut dem Experten die besten Voraussetzungen für ein langes und gesundes Leben. Auch die Übertragung des Virus von der Mutter auf das Kind während Schwangerschaft und Geburt kann durch rechtzeitige Diagnose und Therapie wirksam verhindert werden.
Die Herausforderung der Stigmatisierung
Trotz dieser medizinischen Fortschritte ist die Stigmatisierung von Menschen mit HIV nach wie vor ein großes Problem. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass HIV immer noch stark stigmatisiert ist und viele Menschen ein veraltetes Bild von HIV-positiven Menschen haben. Es gibt zum Beispiel immer noch das Bild, dass nur bestimmte Gruppen, wie homosexuelle Männer, von HIV betroffen sind. „HIV kann jeden und jede treffen, weshalb eine Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV vollkommen unangebracht ist,“ so Skoll. Eine aktuelle Umfrage zur öffentlichen Meinung zu HIV in Österreich ergab, dass 21% der Befragten glauben, dass Menschen mit HIV eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Gleichzeitig glauben 8% der Befragten, dass Menschen mit HIV nicht in der Lage sind, einer regulären Arbeit nachzugehen. Diese Stigmatisierung hat weitreichende Folgen: Sie kann dazu führen, dass Menschen mit HIV sich schämen, offen mit ihrer Krankheit umzugehen, was wiederum dazu führen kann, dass sie notwendige medizinische Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Die Diskriminierung ist nicht nur sozialer Natur, sondern zeigt sich auch im Gesundheitswesen, wo HIV-positive Menschen häufig benachteiligt werden. Aktuelle Daten zeigen, dass 70% aller gemeldeten Diskriminierungen in Österreich im Gesundheitsbereich stattfinden. Dazu zählen beispielsweise die Verweigerung von Behandlungen oder abwertendes Verhalten durch medizinisches Personal.
Die Bedeutung der Aufklärung
Um die bestehenden Herausforderungen zu bewältigen, ist eine umfassende Aufklärung von entscheidender Bedeutung. „Es ist wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass HIV heute mit der richtigen Therapie eine behandelbare chronische Erkrankung darstellt und dass Menschen mit HIV bei erfolgreicher Behandlung das Virus auf sexuellem Weg nicht weitergeben können,“ betont der Dermatologe. Trotz dieser Erkenntnisse werden HIV-positive Menschen oft noch mit einem bestimmten Lebensstil und sozialen Randgruppen in Verbindung gebracht, was zu Diskriminierung und Stigmatisierung führt. Die Aufklärung sollte sich nicht nur auf die medizinischen Aspekte von HIV beschränken, sondern auch die soziale Dimension der Krankheit berücksichtigen. Aufklärungskampagnen, die mit Mythen und Ängsten rund um HIV aufräumen, könnten helfen, Vorurteile abzubauen, so Michael Skoll. Auch im Gesundheitswesen sei es unerlässlich, das Fachpersonal regelmäßig zu schulen, um diskriminierendes Verhalten zu verhindern und eine gleichberechtigte Versorgung aller Patient:innen sicherzustellen. „Akzeptanz, Empathie und offene Kommunikation sind zentrale Bausteine, um eine inklusive Gesellschaft zu fördern,“ ergänzt der Experte.
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