Schönheitsideal im Fokus: So viel Einfluss haben Lippen auf unsere Attraktivität

Welche Lippenform ist die attraktivste?

Kaum ein anderer Teil unseres Gesichts zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich wie der Mund. Lippen sind nicht nur zum Sprechen, Lächeln oder Küssen da – sie sind ein zentrales Signal für Attraktivität. Doch warum eigentlich? Was macht Lippen so anziehend? Und ist der Hype um Lippenvergrößerung vielleicht mehr als nur ein Schönheits-Trend? Eine neue Studie aus Australien könnte Antworten auf diese Fragen geben.

Zwischen Kylie Jenner und natürlicher Schönheit

Instagram, TikTok und Co. sind voll von Selfies mit prallen Lippen – mal dezent betont, mal aufgespritzt bis zum Maximum. In der Popkultur gilt: je voller, desto schöner. Doch entspricht das wirklich dem allgemeinen Schönheitsideal? Oder sind wir einfach zu oft mit diesen Bildern konfrontiert worden, um noch neutral urteilen zu können?

Ein Forschungsteam der Universität Sydney wollte es genau wissen und ging der Frage wissenschaftlich auf den Grund. In ihrer aktuellen Studie untersuchten sie, wie stark Lippenform und -größe die Attraktivitätswahrnehmung beeinflussen – und welche Rolle dabei unser Geschlecht und unsere visuellen Erfahrungen spielen. Die Ergebnisse sind überraschend – und werfen neue Fragen über unser Schönheitsverständnis auf.

Ein Experiment mit 168 Gesichtern

Für die Studie wurden 32 Studierende (zur Hälfte Männer, zur Hälfte Frauen) eingeladen. Ihnen zeigte man insgesamt 168 digital bearbeitete Gesichter. Die Lippen dieser Gesichter wurden systematisch in sieben Größenkategorien verändert – von extrem schmal bis auffällig voll.

Jedes Gesicht war nur für 1,25 Sekunden zu sehen, anschließend mussten die Proband:innen bewerten, wie attraktiv sie das Gesicht fanden. In weiteren Durchläufen wurden den Teilnehmenden nur die Lippen – ohne das restliche Gesicht – gezeigt. Ziel war es herauszufinden, ob sich auch isoliert ein sogenannter Anpassungseffekt einstellt.

Das Ergebnis: Männer mögen’s natürlich, Frauen lieber voll

Klingt simpel – ist aber hochinteressant: Männliche Gesichter mit schmalen Lippen wurden als attraktiver eingeschätzt. Weibliche Gesichter mit vollen Lippen schnitten währenddessen bei der Attraktivitätsbewertung am besten ab.

Noch spannender: Frauen bevorzugten bei anderen Frauen sehr deutliche Lippenfülle – also genau das, was in sozialen Medien oft als Ideal propagiert wird. Männer hingegen mochten bei weiblichen Gesichtern am liebsten die „natürliche“ Lippenform – also die unbearbeitete Version der Fotos.

Was sagt uns das? Ganz einfach: Attraktivität ist keine feste Größe. Sie hängt stark davon ab, wer beurteilt – und mit welchen Bildern diese Person zuvor konfrontiert war.

Quelle: svetikd / istock
Studienergebnisse zeigen: Männer werden mit dünnen Lippen als attraktiver wahrgenommen, während Frauen mit vollen Lippen als schöner gelten

Was wir sehen, prägt, was wir mögen

Hier kommt der sogenannte Anpassungseffekt ins Spiel: Menschen, die vorab viele Bilder mit sehr vollen Lippen gesehen hatten, fanden spätere Gesichter mit ebenfalls vollen Lippen attraktiver – auch wenn diese Lippen alleine und ohne Gesicht präsentiert wurden.

Das bedeutet: Unser Gehirn „gewöhnt“ sich an bestimmte visuelle Reize und verändert unbewusst unsere Vorstellung von Normalität. Genau dieser Mechanismus ist aus der Kunstwahrnehmung oder der Essenskultur bekannt – aber dass auch Lippen diesem Effekt unterliegen, ist neu.

Und noch bemerkenswerter: Der Effekt trat selbst dann auf, wenn die Lippen ohne Kontext – also ohne Gesicht – gezeigt wurden. Das legt nahe, dass das Gehirn Lippen als eigenständiges Merkmal kodiert. Mit anderen Worten: Unsere Vorstellung von Schönheit kann gezielt manipuliert werden – durch das, was wir regelmäßig sehen.

Quelle: svetikd / istock
Die Studie zeigte: Wenn wir täglich Bildern mit durch Lip Filler behandelten Lippen ausgesetzt sind, empfinden wir diese Lippenform als schöner und natürlicher

Der Preis der perfekten Lippen: Lippendysmorphie

Was harmlos klingt, hat durchaus ernste Konsequenzen. Wenn der ständige Anblick perfektionierter Lippen unser Schönheitsideal verändert, geraten viele Menschen in einen gefährlichen Vergleichsmodus. Studienleiter David Alais warnt: Die wiederholte Konfrontation mit überdurchschnittlich vollen Lippen kann zu einer Verschiebung des Normalempfindens führen – bis hin zur „Lippendysmorphie“.

Das bedeutet, dass Menschen ihre eigenen Lippen plötzlich als zu klein, zu unsymmetrisch oder schlicht „nicht schön genug“ empfinden – obwohl sie vollkommen natürlich und normal sind. Der Druck, diesem „neuen Normal“ zu entsprechen, treibt viele in kosmetische Eingriffe – teils mit problematischen psychologischen Folgen.

Mehr dazu: Body Dysmorphia: Wenn das Spiegelbild krank macht

Attraktivität ist subjektiv

Die Studienergebnisse zeigen deutlich: Schönheit ist nicht objektiv, sondern das Produkt aus biologischen, sozialen und psychologischen Faktoren. Unsere Vorlieben entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern durch das, was wir sehen, konsumieren und erleben. Und genau das macht den Einfluss von Medien und Schönheitsidealen so mächtig.

Gleichzeitig erklärt es auch, warum es kein „richtig“ oder „falsch“ bei der Lippenform geben kann. Für die einen ist es ein natürliches Lächeln, für die anderen ein makelloser Schmollmund – Schönheit liegt eben tatsächlich im Auge des Betrachters. Oder besser: im Kopf.

Mehr Bewusstsein, weniger Vergleich

Die Lippen sind ein zentraler Bestandteil der Attraktivität – keine Frage. Aber wie bei allen ästhetischen Merkmalen sollten wir uns bewusst machen, wie stark unsere Wahrnehmung durch äußere Einflüsse geformt wird. Ob schmal oder voll, mit Lippenstift oder ganz natürlich – was zählt, ist weniger die Form, sondern unser Selbstbild.

Vielleicht ist es an der Zeit, sich daran zu erinnern, dass wahre Attraktivität oft da beginnt, wo der Vergleich endet.

Mehr dazu: Selbstwertgefühl steigern: Tipps für mehr Selbstvertrauen

Bildquellen

  • Lippen: Robert Daly / istock

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