Ein Glas Rotwein für die Gesundheit? Was jahrzehntelang wie ein Wunschdenken von Weinliebhabern klang, hat tatsächlich einen wissenschaftlichen Hintergrund. Der Schlüssel liegt in einem natürlichen Pflanzenstoff namens Resveratrol, der vor allem in der Schale roter Trauben, aber auch in Beeren, Erdnüssen und Rotwein vorkommt. Von der Senkung des Blutdrucks über Schutz vor Alzheimer bis hin zur möglichen Lebensverlängerung – Resveratrol werden zahlreiche gesundheitlichen Vorteile zugeschrieben. Doch was steckt wirklich dahinter?
Was ist Resveratrol überhaupt?
Resveratrol gehört zur Gruppe der Polyphenole, genauer gesagt zu den sogenannten Stilbenoiden. Diese werden von Pflanzen produziert, um sich gegen Krankheiten, Schädlinge und UV-Strahlung zu schützen. Besonders reich an Resveratrol sind die Schalen roter Trauben – und genau deshalb ist auch Rotwein eine besonders bekannte Quelle.
Doch: Um nennenswerte Mengen Resveratrol aufzunehmen, müsste man täglich literweise Rotwein trinken – und das wäre alles andere als gesund. Aus diesem Grund greifen viele gesundheitsbewusste Menschen heute zu Nahrungsergänzungsmitteln, die hochkonzentriertes Resveratrol enthalten.
1. Herzgesundheit – Blutdruck im Griff
Beginnen wir beim Herzen. Eines der am besten erforschten Einsatzgebiete von Resveratrol ist die kardiovaskuläre Gesundheit.
In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Resveratrol die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) im Körper fördert. Dieses kleine Molekül sorgt dafür, dass sich die Blutgefäße erweitern – das führt zu einem niedrigeren Blutdruck und verbessert die Durchblutung.
Insbesondere der systolische Blutdruck – also der obere Wert bei der Blutdruckmessung – kann durch Resveratrol gesenkt werden. Das ist relevant, da gerade dieser Wert im Alter oft ansteigt und ein Risikofaktor für Herzinfarkte und Schlaganfälle ist.
Fun Fact: Die sogenannte „Französische Paradoxie“ – also die Beobachtung, dass Franzosen trotz fettreicher Ernährung seltener an Herzkrankheiten leiden – wird teilweise auf den regelmäßigen (moderaten!) Konsum von Rotwein zurückgeführt.
2. Schutz vor „schlechtem“ Cholesterin
Neben dem Blutdruck wirkt Resveratrol auch auf die Blutfette – insbesondere auf das LDL-Cholesterin, das umgangssprachlich als „schlechtes“ Cholesterin gilt.
LDL kann oxidieren und sich an den Wänden der Blutgefäße ablagern – ein Prozess, der zu Arteriosklerose (Gefäßverengung) führt. Resveratrol hilft, diesen Oxidationsprozess zu verhindern. Gleichzeitig kann es die Spiegel des „guten“ HDL-Cholesterins erhöhen, das überschüssiges Cholesterin aus dem Blut zurück zur Leber transportiert.
Das Ergebnis? Weniger Plaque in den Arterien und ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
3. “Zellrecycling” und gesundes Altern
Eines der spektakulärsten Versprechen von Resveratrol ist die Lebensverlängerung. In Versuchen mit Hefezellen, Fischen, Würmern und sogar Mäusen konnte beobachtet werden, dass Resveratrol die Lebensspanne verlängert.
Der Trick: Resveratrol aktiviert sogenannte Sirtuine – Proteine, die eine Rolle bei der DNA-Reparatur, Zellgesundheit und Stressresistenz spielen. Diese Sirtuine werden auch beim Fasten oder bei Kalorienrestriktion aktiviert – beides bekannte Wege, um Alterungsprozesse zu verlangsamen. Dabei wird auch ein Prozess namens Autophagie angeregt: eine Art „Zellrecycling“, bei dem beschädigte Zellbestandteile abgebaut und entsorgt werden – ein entscheidender Mechanismus für gesunde Alterung.
Aber Achtung: Beim Menschen ist dieser Effekt bisher nicht eindeutig belegt. Wir sind eben doch etwas komplexer als eine Fruchtfliege.
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4. Gehirn-Wellness
Könnte Resveratrol auch unser Gehirn schützen? Erste Studien geben Grund zur Hoffnung. Es gibt Hinweise, dass Resveratrol die Ablagerung von Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn verhindern kann – jenen Eiweißklumpen, die mit Alzheimer in Verbindung gebracht werden.
Zudem scheint Resveratrol entzündungshemmend und neuroprotektiv zu wirken – es schützt also Nervenzellen vor Schäden durch oxidativen Stress.
Auch wenn noch viele Fragen offen sind – die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Einige Studien berichten von besserer Gedächtnisleistung und verbesserter Durchblutung im Gehirn nach Resveratrol-Gabe.
5. Hilfe bei Diabetes und Insulinresistenz
Diabetes ist eine der größten Volkskrankheiten unserer Zeit. Und auch hier könnte Resveratrol unterstützen – zumindest laut mehreren Tierstudien.
So konnte Resveratrol in Mäusen die Insulinsensitivität erhöhen, also die Fähigkeit der Zellen, auf Insulin zu reagieren. Außerdem scheint der Stoff die Aktivität von AMPK zu fördern – einem Enzym, das den Zuckerstoffwechsel reguliert und den Blutzuckerspiegel stabilisiert.
Zudem kann Resveratrol die Bildung von Sorbitol hemmen – einem Zuckeralkohol, der bei Menschen mit Diabetes Zellschäden verursachen kann. Auch wenn Studien am Menschen noch begrenzt sind, zeichnet sich hier ein weiteres mögliches Anwendungsfeld ab.
6. Gelenkschmerzen ade?
Wer unter Arthritis oder Gelenkbeschwerden leidet, kennt das tägliche Ringen mit Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit. Resveratrol könnte auch hier helfen.
In Tierversuchen zeigte sich, dass der Pflanzenstoff knorpelschützend wirkt – also das Abtragen des Gelenkknorpels verlangsamen kann. Zusätzlich reduziert Resveratrol Entzündungen in den Gelenken.
In einem Versuch mit Kaninchen, denen Resveratrol direkt in die Knie injiziert wurde, verringerte sich der Knorpelschaden deutlich. Eine spannende Perspektive für Millionen Betroffene – wenn auch noch nicht praxistauglich.
7. Vielversprechende krebshemmende Eigenschaften
Resveratrol wird intensiv auf seine krebshemmenden Eigenschaften untersucht. In zahlreichen Studien im Labor konnte es das Wachstum von Tumorzellen hemmen, deren Teilung stoppen und sogar Hormonrezeptoren blockieren, die für bestimmte Krebsarten (z. B. Brust- oder Prostatakrebs) entscheidend sind.
Es zeigte Wirkung bei verschiedensten Krebsarten: Haut-, Darm-, Magen-, Brust- und Prostatakrebs. Doch: Die meisten Studien fanden bisher im Reagenzglas oder an Tieren statt. Der Sprung zur wirksamen Krebstherapie am Menschen steht noch aus.
Diese Lebensmittel sind reich an Resveratrol
Wer Resveratrol über die Ernährung aufnehmen möchte, kann auf eine Reihe pflanzlicher Lebensmittel zurückgreifen. Am bekanntesten ist dabei sicherlich der rote Wein, doch es gibt auch gesündere Alternativen:
- Rote Trauben (auch weiße Trauben, allerdings in geringeren Mengen)
- Beeren, vor allem Heidelbeeren, Johannisbeeren und Maulbeeren
- Erdnüsse – idealerweise ungeröstet und mit Haut
- Dunkle Schokolade – je höher der Kakaoanteil, desto besser
- Japanischer Staudenknöterich (Polygonum cuspidatum) – eine besonders konzentrierte pflanzliche Quelle, häufig in Nahrungsergänzungsmitteln
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Der Hacken – unzureichende wissenschaftliche Beweise
So vielversprechend die Vorteile klingen – ganz so eindeutig ist die Studienlage nicht. Viele Untersuchungen wurden bisher nur an Tieren oder im Labor durchgeführt, nicht am Menschen. Außerdem werden dabei oft sehr hohe Mengen Resveratrol verwendet – deutlich mehr, als man über die normale Ernährung aufnehmen kann.
Und selbst wenn man Nahrungsergänzungsmittel nimmt: Der Körper kann Resveratrol nur begrenzt aufnehmen und verwerten. Deshalb arbeiten Forscher:innen an besseren Formen – etwa in Kombination mit fettlöslichen Trägerstoffen oder als liposomale Präparate – um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen.
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Resveratrol gilt grundsätzlich als gut verträglich. Es wurden bisher keine schwerwiegenden Nebenwirkungen festgestellt.
Aber: In sehr hohen Dosen kann es die Blutgerinnung hemmen, was bei gleichzeitiger Einnahme von Blutverdünnern wie Warfarin problematisch sein kann. Außerdem kann Resveratrol bestimmte Leberenzyme hemmen, die für den Abbau von Medikamenten zuständig sind – was zu Wechselwirkungen führen kann.
Wer regelmäßig Medikamente nimmt, sollte die Einnahme also unbedingt mit einem Arzt besprechen.
Viel Potenzial – aber kein Wundermittel
Resveratrol ist zweifellos ein faszinierender Pflanzenstoff mit vielseitigen Wirkungen – vom Herzschutz über das Gehirn bis hin zu potenziellen Anti-Aging-Effekten.
Doch: Es bleibt ein natürlicher Stoff mit begrenzter Bioverfügbarkeit, dessen Nutzen beim Menschen noch nicht vollständig belegt ist. Wer also auf ewige Jugend in Kapselform hofft, wird (noch) enttäuscht.
Dennoch spricht nichts dagegen, Resveratrol als Teil eines gesunden Lebensstils zu integrieren – ob über die Ernährung oder gezielt über Nahrungsergänzungsmittel. Und vielleicht darf’s dann ja auch mal ein Glas Rotwein sein – in Maßen genossen, versteht sich.
Bildquellen
- Resveratrol: Liudmila Chernetska / istock