Rohmilch-Boom auf TikTok: Ein natürliches Superfood oder eine Keimschleuder?

Ist Rohmilch gefährlich?

Rohmilch: Superfood oder gefährlich?

In einer Welt, die zunehmend auf den Verzehr von Superfoods und angeblich „natürlichen“ Produkten setzt, hat ein Trend besonders an Fahrt aufgenommen: Rohmilch. Auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram wird die unbehandelte Milch als wahres Wundermittel gefeiert.

Ihr Ruf? Sie soll gesünder sein als pasteurisierte Milch, die laut Anhänger:innen des Trends viele wertvolle Nährstoffe verliert. Aber was steckt wirklich hinter diesem Hype? Ist Rohmilch tatsächlich das Superfood, für das sie gehalten wird, oder sind die gesundheitlichen Risiken größer als die vermeintlichen Vorteile?

Was ist Rohmilch eigentlich?

Ganz einfach gesagt: Rohmilch ist Milch, die direkt nach dem Melken konsumiert wird, ohne zuvor erhitzt oder anderweitig behandelt zu werden. Im Gegensatz dazu wird handelsübliche Milch pasteurisiert – das bedeutet, sie wird auf eine Temperatur von etwa 75 Grad Celsius für 15 bis 30 Sekunden erhitzt, um schädliche Bakterien und Keime abzutöten. Dieser Prozess sorgt dafür, dass die Milch länger haltbar ist und sicher für den Verzehr.

Während der Milch im Inneren der Kuh keine schädlichen Bakterien enthalten sind, kann sie während des Melkens durch den Kontakt mit der Haut, dem Euter der Kuh oder sogar durch die Melkgeräte mit Keimen kontaminiert werden. Genau hier liegt der Unterschied: Rohmilch kann diese Keime noch enthalten, weshalb sie in vielen Ländern als potenziell riskant gilt.

In Österreich beispielsweise darf Rohmilch nur unter strengen Hygienevorschriften direkt vom Bauernhof verkauft werden. Auch die kurze Haltbarkeit – maximal 4 Tage – macht es für Verbraucher schwieriger, diese Milch sicher zu konsumieren.

Rohmilch kaufen
Wenn du frische Rohmilch kaufst, solltest du sie unbedingt innerhalb weniger Tage erhitzen und verbrauchen

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Rohmilch auf Social Media: Der neue Hype

Es sind vor allem Influencer:innen auf Plattformen wie TikTok und Instagram, die Rohmilch als das nächste Superfood anpreisen. Ihre Argumente? Rohmilch sei nährstoffreicher, gesünder und voller natürlicher Enzyme, die bei der Pasteurisierung zerstört werden.

Sie behaupten, dass die Milch aufgrund ihrer „unbehandelten“ Natur besser für die Verdauung sei, Entzündungen verringere und sogar die Hautgesundheit fördern könne. Doch wie viel Wahrheit steckt in diesen Versprechungen?

Ein Blick auf die Social-Media-Welt zeigt: Der Rohmilch-Trend wird oft mit einem nostalgischen, fast schon romantischen Bild einer „ursprünglichen“ und „natürlichen“ Lebensweise verknüpft. Manche Influencer:innen argumentieren, dass die moderne Lebensmittelindustrie uns diese „alten Weisheiten“ vorenthalte und uns dazu zwinge, verarbeitete Produkte zu konsumieren, die „natürliche“ Inhaltsstoffe und „wahre Gesundheit“ zerstören. Aber steckt da wirklich eine wahre Weisheit dahinter?

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Die wissenschaftliche Sicht: Rohmilch und ihre Nährstoffe

Zunächst einmal müssen wir die Frage klären, ob Rohmilch tatsächlich nährstoffreicher ist als pasteurisierte Milch. Es stimmt, dass beim Pasteurisierungsprozess einige Nährstoffe – wie zum Beispiel Vitamin C – leicht abgebaut werden können. Aber diese Verluste sind minimal und betreffen nicht die entscheidenden Vitamine und Mineralstoffe.

Studien zeigen, dass der größte Teil der wertvollen Inhaltsstoffe wie Kalzium, B-Vitamine und Proteine in der pasteurisierten Milch weitgehend erhalten bleibt. Die Behauptung, dass Rohmilch bei weitem mehr „wertvolle Nährstoffe“ enthält, ist also wissenschaftlich nicht haltbar.

Ein weiteres Argument der Rohmilch-Fans betrifft die enthaltenen Enzyme. Sie behaupten, dass diese Enzyme bei der Verdauung helfen und die Aufnahme von Nährstoffen erleichtern.

Tatsächlich sind einige dieser Enzyme in Rohmilch vorhanden, aber auch hier muss man unterscheiden: Die Enzyme, die für die Verdauung nützlich sind, wirken ohnehin hauptsächlich im Magen-Darm-Trakt und sind nicht in der Form enthalten, die eine wirkliche Gesundheitswirkung hätte. Außerdem wird auch die Wirkung dieser Enzyme durch den Säuregehalt des Magens weitgehend neutralisiert.

Probiotische Bakterien in Rohmilch: Ein gesundes Plus?

Ein weiterer Punkt, der von Rohmilch-Anhängern häufig genannt wird, sind die angeblich probiotischen Bakterien, die in unbehandelter Milch vorhanden sein sollen. Sie behaupten, dass diese Bakterien das Mikrobiom im Darm stärken und das Immunsystem unterstützen. In der Theorie klingt das gut – immerhin wissen wir, dass Probiotika eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Verdauungssystems spielen.

Doch hier kommt die Realität: In Rohmilch sind die Mengen an probiotischen Bakterien wie Lactobacillus oder Bifidobacterium äußerst gering. Tatsächlich deuten einige Studien darauf hin, dass hohe Konzentrationen von Bakterien in Milch eher auf eine mangelnde Hygiene und eine mögliche Kontamination mit Fäkalien hindeuten könnten. Wer also auf Rohmilch setzt, um von Probiotika zu profitieren, dürfte enttäuscht werden.

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Die gefährlichen Risiken von Rohmilch

Nun zu einem der wichtigsten Aspekte: den Risiken von Rohmilch. Es gibt durchaus Gründe, warum Gesundheitsbehörden weltweit vor dem Verzehr von unbehandelter Milch warnen. Rohmilch kann Bakterien wie Salmonellen, Campylobacter, Listerien oder E. coli enthalten – Bakterien, die schwere Lebensmittelinfektionen verursachen können.

Insbesondere für Risikogruppen wie Schwangere, Kleinkinder, ältere Menschen oder Personen mit geschwächtem Immunsystem stellt der Verzehr von Rohmilch eine echte Gefahr dar. Listerien etwa können zu Frühgeburten oder Fehlgeburten führen, was den Konsum von Rohmilch während der Schwangerschaft besonders riskant macht.

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat wiederholt vor den Gefahren von Rohmilch gewarnt. Laut einer Studie, die von der Behörde durchgeführt wurde, fanden sich in rund 5% der Rohmilchproben krankmachende Keime, darunter auch multiresistente Bakterien.

In Deutschland gibt es ebenfalls regelmäßig Berichte über mit Krankheitserregern belastete Rohmilchproben. Diese Bakterien können zu schweren Erkrankungen wie Darminfektionen, Nierenversagen und sogar zu einem septischen Schock führen.

Warum wir nicht jedem Trend folgen sollten

In Österreich und Deutschland wird der Rohmilch-Trend vor allem von sogenannten „Rohfluencern“ vorangetrieben – Influencern, die ihre Anhänger auf Instagram, TikTok und YouTube dazu ermutigen, sich von der industriellen Lebensmittelproduktion zu distanzieren und auf „natürliche“ Produkte zurückzugreifen.

Dabei werden oft wissenschaftlich unhaltbare Behauptungen aufgestellt, die die Gefahren von Rohmilch herunterspielen oder gar verleugnen. Doch die wissenschaftlichen Fakten und Gesundheitsrisiken sprechen eine klare Sprache: Die Vorteile von Rohmilch sind minimal, während die Gefahren erheblich sind. Wer sich wirklich gesund ernähren möchte, sollte auf pasteurisierte Milch zurückgreifen, die sicherer ist und denselben Nährwert bietet.

Der Hype um Rohmilch mag verlockend erscheinen, vor allem, wenn Influencer und prominente Stimmen ihn als natürlichen Weg zu besserer Gesundheit anpreisen. Doch die Realität sieht anders aus: Rohmilch kann Krankheitserreger enthalten, die schwere gesundheitliche Folgen haben können. Wer also auf seine Gesundheit bedacht ist, sollte diesem Trend lieber nicht folgen.

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